Seifhennersdorf

Otto Moritz Kind 1892

In der „Geschichte von Seifhennersdorf“ heißt es:

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Waſſersnoth. Theure Zeit.

Es würde zu weit führen, alle Ueberſwemmungen und ſtarken Eisgänge hier anzugeben, dies geſehe nur mit beſonders merkwürdigen.

Im Jahre 1666 am erſten Pfingſttage wurde in der Nat dur vorhergehendes Gewitter mit ſtarkem Regen ſehr großes Waſſer. Es riß viele Häuſer ein, und die Einwohner mußten ſi auf Bäume und in hogelegene Häuſer retten. Es ertrank hier ein böhmiſer Exulant, Chriſtoph Simmien, den man als Leie in Warnsdorf herauszog. Das Waſſer führte ſein Haus gegen eine Viertelmeile weit fort. Er ſelbſt hatte ſi anfangs auf einen Haufen Holz gerettet, ſein Weib und Kind aber auf Bäume. Anton Roſers Haus wurde ebenfalls mit weggeſwemmt. Es war in der Aue keine Wohnung, die nit beſädigt geweſen wäre. Einige Häuſer ſtanden bis an das Da im Waſſer. Es war die größte Fluth, von der man bei uns weiß.

1692 war zweimal großes Waſſer, 1760, 1761, 1762, 1785, 1799, 1865, 1888 ſtarke Eisgänge. — Den 25. Juli 1776 fiel auf der Waldſeite großes Waſſer, das viel Saden anritete und namentli viel Holz den Leuten mitnahm. — Den 12. und 13. Juni 1804 regnete es unaufhörli, ſodaß den 14. und 15. Juni hier wie in faſt ganz Deutſland furtbare Waſſersnoth entſtand. Es ſtand in der großen Mühle dreiviertel Ellen ho in der Stube, riß im Dorfe Stege ein und nahm Hallen mit, im Oberdorf ſogar einen kleinen Suppen, worinnen eine Mangel ſtand. Die Hauptmaſſe des Waſſers kam den Seifen herein. Die Höhe deſſelben iſt an der großen Mühle angegeben. — Dieſe Fluth wurde aber am 31. Juli 1860 no um 6 Zoll überſtiegen. Der höſte Waſſerſtand war um Mitternat. Zwei hölzerne Stege und eine kleine über den Kaltba führende Brüe wurden weggeriſſen, desgleien die auf der Hinterſeite eines einſtöigen Hauſes befindlie 8 Ellen hohe Mauer, auf weler daſſelbe ruhte, ſodaß Hausgeräth, Arbeitszeug, der Ofen u. ſ. w. in die Wogen ſtürzten.

Den 2. Pfingſtfeiertag, 2. Juni 1868, waren heftige Gewitter von furtbarem Sturm und verheerendem Hagelſlag begleitet. Am näſten Tage entſtand in der 6. Namittagsſtunde abermals ein fürterlies Gewitter. Auf den Sönborner Feldern fiel ein Wolkenbru, ſodaß der kleine Waldba zu einem reißenden Strome wurde. Das Hempel’ſe Haus (Nr. 239) wurde mitten durgeriſſen. Mit vieler Mühe gelang es dem früheren Gardereiter Zimmermann Praſſe, von etlien an einer Leine gehalten, in dieſes Haus zu kommen und drei Menſen naeinander auf dem Rüen aus den Fluthen zu retten. Die Frau des Inwohners Johann Gottlieb Wenzel aber wurde vom Strome fortgeriſſen und weiter unten als Leie herausgezogen. Der näſte Nabar, Bauer Johann Gottlob Rothe (Nr. 241) wollte no einen Subkarren im Hofe in Sierheit bringen, wurde aber ebenfalls fortgenommen und ſeine Leie bei der Mittelmühle aufgefunden. Eine dritte Leie, Florian Ullri, ein Bleiarbeiter von der Dietri’ſen Bleie in Rumburg, wurde au in der Nähe des Sulgartens angeſwemmt. Dem Zimmermann Praſſe wurde von Sr. Majeſtät die Rettungsmedaille, mit der Erlaubniß, dieſelbe zu tragen, verliehen.

Eine große Waſſerfluth entſtand weiter am 17. und 18. Mai 1887.*) Die Höhe des Seifener Waſſers betrug na Meſſung am Kretſam 2,80 Metter; na Vereinigung mit der Mandau hatte ſi das Niveau um 3,80 Meter gehoben. Die Ortstheile, Wehr, Seifen, Läuterau und Halbendorf ſtanden zum größten Theile unter Waſſer. Die Bewohner der gefährdetſten Häuſer verließen ihre Wohnungen und ſuten in höher gelegenen Orten ein Unterkommen. Die meiſten Stege fielen der Fluth zum Opfer; die Straßen waren ſo zerriſſen, daß der Verkehr erſt am 19. Mai, nadem vom Morgen des 18. Mai an hundert Soldaten emſig gearbeitet hatten, eröffnet werden konnte. Die eiſernen Suſtangen am Ufer waren ſämmtli verbogen und zum Theil zerbroen, au Wände von Gebäuden waren theilweiſe zerſtört. — Die Mandau erreite im Mitteldorfe in der 9. Abendſtunde des 17. Mai ihren Höhepunkt. Der hohe Waſſerſtand erhielt ſi bis gegen 1 Uhr Morgens; von da an ging aber nur langſam, das Waſſer wieder zurü. Der höſte Waſſerſtand erhob ſi bis über einen Meter über die Dorfwege. Ein vorher leeres Baſſin enthielt na dem Aufhören des Regens eine Waſſerſit von 90 Millimeter Höhe. Später wurden an 43 Beſädigte 2852 Mark 40 Pf. vertheilt, au dur ein Wettfahren des Radfahrervereins wurden 100 Mark aufgebrat. Die Geſammtſäden im Orte waren auf 13,000 Mark geſät.


Die größte Hungersnoth, von der man genaue Narit hat, iſt hier 1617 geweſen. Am Sluſſe des Jahres 1616 ſreibt P. Creſmar: Dieſes iſt das große dürre Jahr geweſen, da alle Gewäſe verdorret und verdorben, das Geſpinnſte ganz nits geweſen. 1617 ſildert derſelbe nun die Hungersnoth wie folgt: Dieſes Jahr 1617 iſt von Pfingſten an bis zu Jakobi (25. Juli), und dem zuvor, da ſi’s bald in der Faſten angefangen, ſole Theuerung geweſen, daß man für einen Seffel Korn 4 Thaler, und balb 5, und dur großen Drang endli über ein Vierteljahr zu 6 und 7 Soen einen Seffel gekauft hat. Und iſt ſol’ Jammer und Noth unter den Leuten allhier in dieſer Gemein und andern umliegenden Dörfern geweſen, daß ſie ihnen die Neſſeln, Hedri und andere Kräuter, ſo den Säuen gebührt, gekot, vor großem Hunger gefreſſen und viel darüber todt geblieben, ja die Kinder, weles erbärmli iſt zu vernehmen, haben no Gras, Sauerhanf, Melden und Kohl im Munde gehabt und ſind Morgens todt gefunden worden. Daneben hat man Kleienbrod gebaen und ein Viertel Kleien um 16 Groſen oder auf’s Wohlfeilſte um 12 Groſen gekauft. Ebenſo hat man zu und um Rumburg Stroh klein geſnitten, daſſelbe gemahlen und Brod daraus gebaen. Und dieſes alles und andere Jammer mehr iſt auf das große dürre Jahr, von welem in meinen Predigten Berit zu finden, erfolgt, neben unzählig viel Diebſtahl, daß au faſt weder Tag no Nat wegen der großen Hungersnoth geweſen, daß nit etwa Sälke in Häuſern und Gärten waren eingeſtiegen, und kein Wirth etwas hat behalten können, wie i denn in der gleien erfahren und mir dieſelben geplündert worden. Iſt do in dieſer Gemein no leidli geweſen, denn ihrer wohl aus andern Dörfern als Ehrenberg, Oberhennersdorf, Rumburg im Städtel und Georgswalde manen Tag über die 50 Perſonen das Almoſen begehrt und nur um einen einzigen Broen zulet angehalten, und als endli das Brod dem Bauersmann au entriſſen, haben ſie nur um ein Biſſel Käſe, um den Hunger zu ſättigen, gebeten. Ja von meinem Weibe hat damals Ma Praſſe, der mit ſeinem ganzen Hauſe in 3 oder 4 Tagen nit um 2 Kreuzer Bord gehabt (da wohl eine geringe Perſon und ein Kind von 2 Jahren um 1 Kreuzer Brod auf einmal hat aufeſſen können), manen Tag 2 oder 3 Käſe gekauft, in die Mil anſtatt des Brodes eingebrot und ſi alſo na Gottes Willen erhalten.

Dem Hunger wirkli zum Opfer fielen 1617 in Seifhennersdorf 15 Perſonen; wenn man aber bedenkt, daß 1615 9, 1616 44, 1618 34, 1619 33, 1617 aber 104 Perſonen geſtorben ſind, ſo mehrt ſi die Zahl der Opfer jedenfalls no bedeutend.

Zum Erbarmen iſt’s, wenn man im Kirenbue lieſt, wie Kinder an der Mutter verhungert ſind, oder wie eine Mutter beim Tode des dritten Kindes es ausſagt, daß die Kinder vor Hunger nit haben gehen können, oder wie eine Mutter ihr Kind at Tage unbegraben liegen läßt, weil ſie der Hunger auf den Bettel treibt, und wie das Kind während ihrer Abweſenheit nur von vier Perſonen zu Grabe begleitet wird. Ein Häusler jagte ſein Weib, mit dem er freili in Unfrieden lebte, zum Hauſe hinaus. Als ſie böſe Füße bekam und zurükehrte, ſaß ſie, von Hunger, Mattigkeit und Smerzen geplagt, Abends auf der Ofenbank und wurde anderen Morgens mit dem Angeſit auf der Erde, todt gefunden. Eine Magd aus Sluenau kam den 14. September in den Pfarrhof, wurde mit warmer Suppe erquit und mit einem Stü Brod und 2 Pfennig entlaſſen, ſwankte von einem Hauſe zum andern, bis ſie endli im Oberdorfe liegen blieb, wo ſie in einem Hauſe am 6. Tage ſtarb. Im Juli, da die Noth am größten war, bra Nats 11 Uhr in einem Hauſe Feuer aus. Dabei verbrannte ein Kind von 23 Woen mit, deſſen Mutter vorher gemeint hatte, wenn ſie nur das Kleinſte los wäre, dann könnte ſie beſſer na Lebensmitteln ausgehen. Die andern Kinder leuten ihr auf den Boden, wo ſie das Kind hinlegt. Nun mögen von den damals üblien Leutſpänen Funken auf daſſelbe gefallen ſein, ſodaß alsbald Feuer ausbra, weles das kleine Weſen mit verzehrte.

1625 war abermals Theuerung. Der Weizen galt 6 Thaler und das Korn 5 Thaler 12 Gr. Na der Ernte kaufte man es um 2 Thaler. — Aehnli war es 1630, während 1656 der Weizen 20 Gr., das Korn 16—17 Gr., die Gerſte 14—16 Gr., der Hafer 6—8 Gr. koſtete. 1694 kam der Seffel Korn wieder 6 Thaler und 1719 5 Thaler 12 Gr. Au war leteres Jahr großer Futtermangel, ſodaß man das Vieh mit Laub fütterte und veiles ſlaten mußte. 1761 war wegen des ſleten Geldes der Preis aller Waaren ſehr ho, ſodaß für den Seffel Weizen 10 Thaler, Korn 8 Thaler 12 Gr., Hafer 8 Thaler, ein Pfund Butter 11 Gr., Rindfleiſ 3 Gr., Sweinefleiſ 4—5 Gr., Karpfen 4 Gr., eine Henne oder Gans 16 Gr., ein Paar Stiefeln 6 Thaler, Suhe 2 Thaler 4 Gr. bezahlt wurden. 1762 galt der Seffel Korn ſogar 15 Thaler. Für 2 Thaler 14 Gr. ſlet Geld bekam man 1 Thaler Kaiſergeld, für 7 Thaler 6 Groſen 1 Ducaten. — Von 1771 bis Anfang 1773 war wieder ſehr theure Zeit, namentli in Böhmen herrſte großes Elend.

Im Anfange des jeiges Jahrhunderts trat großer Holzmangel ein. Die böhmiſe Regierung verbot die Ausfuhr von Holz. Es wurde nämli damals das Holz von Gemeindevertretern gekauft, nadem jedes Gemeindeglied ſeinen vorausſitlien Bedarf angegeben hatte. Das gekaufte Holz, weles aber keineswegs etwa einen Vorzugspreis hatte, der Vorzug beſtand darin, daß man überhaupt Holz bekam, wurde meiſt auf der ſogenannten „Holzſtraße“ hereingefahren, bis dies na Eintritt Saſens in den Zollverband nit mehr geſtattet wurde. 1801 kam nun eine gute Klafter Buenholz 10 Gulden Banknoten, 1802 ſon 12, 1803 und 1804 aber 14—17 Gulden. Man holte viel Holz vom Steinberge bei Hermsdorf, wovon aber die 1⅛ Elle lange Klafter au 7 Thaler gut Geld koſtete. Au bei Oppa und in der Görlier Haide wurde Holz geholt. Dort koſtete die kieferne ⁷⁄₄ lange Klafter 10 Thaler, die erlene aber 14 Thaler.

Im Jahre 1846 war zwar das Getreide mittelmäßig gerathen, aber die Kartoffeln verdarben faſt gänzli. Ihr Kraut wurde ſon im Juni ſwarz. Es trat die größte Theuerung dieſes Jahrhunderts ein. Der Seffel Korn ſtieg bis Ende des Jahres auf 6 Thaler, koſtete den 19. Mai 1847 ſon 9 Thaler, den 1. Juli aber 10 Thaler 5 Ngr., ſodaß an leterem Tage ein Viergroſenbrod nur 2 Pfund 8 Loth wog. Der Seffel Kartoffeln kam ſon im Herbſt auf 2 Thaler, im Mai auf 2 Thaler 12 Ngr. zu ſtehen, es waren aber kaum ſole zu haben. Die Mee Weizenmehl ſtieg von 9 Ngr. im Herbſte auf 16 Ngr. im Frühjahr. Dazu kam, daß die Weberei ganz ſlet ging. Den Armen wurde zu einem billigen Preis Getreide aus den Königl. Magazinen geliefert, au erhielt der Ort 50 Thaler von den Oberlauſier Provinziallandſtänden bewilligt, von der Kämmereikaſſe zu Zittau aber 100 Thaler zum Ankauf von Kartoffeln geliehen. Außerdem entfaltete ſi eine reie Privatwohlthätigkeit, unter anderm dur die Süengeſellſaft. Die Noth ließ na, als ruſſiſes Getreide herbeigeſafft wurde. Der Seffel Korn koſtete am 5. Auguſt wieder 4 Thaler 8 Ngr. und fiel bald bis unter 4 Thaler. Im Oktober 1848 wog ein Viergroſenbrod wieder 8¼ Pfund.


  • Normalschrift
  • Frakturschrift
  • *) Vergleie Dr. Birkner: Berit über die Waſſerkataſtrophe in der Lauſi während der Nat vom 17. zum 18. Juli 1887.