Auszüge aus der Melzer-Chronik 1903

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Zierornament

12. Kapitel

Vereinsweſen.

 


 

Das Vereinsleben hat ſi hauptſäli in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entfaltet. Frühere Zeiten haben dasſelbe nur wenig gekannt. In den leten Jahrzehnten ſind die Vereine emporgewaſen wie Pilze im Walde, und zwar witige und minder witige. Es beſtehen gegenwärtig nit weniger als 64 Vereine in der Gemeinde, wele ſi auf alle möglien Gebiete erſtreen, patriotiſe, wiſſenſaftlie, religiöſe, humanitäre, ſanitäre, volkswirtſaftlie und beſonders Vergnügungsvereine. Es iſt wohl ſelbſtver­ſtändli, daß in dieſem Kapitel nur einige der witigſten Erwähnung finden.

Die älteſten Vereine ſind die Süengeſellſaften mit ihren Jahrhunderte alten Privilegien. Sie waren urſprüngli zum Sue der Bewohner und des Vaterlandes gegründet, worauf au no der alte Spru hinweiſt: Ueb' Aug' und Hand fürs Vaterland. Dieſe Bedeutung haben ſie dur die gänzli veränderten Zeitverhältniſſe nit mehr. Im 19. Jahrhundert hatten ſie mit den neu auflebenden Turn- und Geſangsvereinen ihr Beſtreben auf die Wiedervereinigung des geſamten deutſen Vaterlandes geritet. Haben ſie au dies große Ziel nit erreit, ſo gebührt ihnen do das Verdienſt, daß ſie während der Zerriſſenheit des deutſen Vaterlandes den Einheitsgedanken wa erhalten haben. So ſoll zunäſt von Süen-, Turn- und Geſangsvereinen, ſodann von patriotiſen, wiſſenſaftlien und wirtſaftlien Vereinen das hauptſäliſte beritet werden.

Süen. Neugerdorfer Süengeſellſaft.

Schießstand vor 1890
Lage des Schießstandes 1882
(vergrößern mit Mauszeiger)
▅▅ hölzerner Schießstand über Straße
▅▅ Stand der Scheiben am Hutungsberg

Sie beſteht ſon ſeit 1717 oder na einer andern Narit 1718. Die konfirmierten Süenartikel datieren vom 22. Mai 1728, ſo daß au dieſes Jahr von der Süengeſellſaft als Gründungsjahr angeſehen wird und das 100jährige Jubiläum im Jahre 1828 und das 150jährige 1878 gefeiert worden iſt. Die Süenälteſten Chriſtoph Grohmann, David Herzog, Miael Bürholdt hatten um die Konfirmation ihrer Artikel und um ein Benefizium für den Süenkönig gebeten, worauf ſie dur eine Reſolution des Fürſten Joſef Wenzeslaus von Lietenſtein die Verwilligung erhielten, es ſollten dem Süenkönige alle an das Rentamt zu zahlenden Zinſen und Onera geſenkt ſein. Der jedesmalige Süenkönig erhielt außerdem aus dem Rentamte zu Rumburg 6 Gulden, wele der Süenkaſſe zufloſſen. Die Vergünſtigungen haben bis 1808 beſtanden, in welem Jahre der Fürſt dies und alle ſonſtigen Benefizien aufhob, wodur mehrfa langwierige Streitigkeiten mit der Gemeinde hervorgerufen wurden. Die Süengeſellſaft hatte ſi 1764 eine neue Fahne beſafft, wele bis 1844 in Gebrau geblieben iſt. Die jeige Fahne iſt 1867 geweiht worden. Die erſten konfirmierten Artikel, wele der Fürſt von Lietenſtein beſtätigt hat, haben bis 1825 gegolten. Vom 22. Juli dieſes Jahres ab ſind neue Königli ſäſiſe in Kraft getreten. 1856 wurde eine Begräbniskaſſe eingeritet. Die Uniformen ſind im Laufe der Jahre öfters geändert worden. Sie haben ſi an die jeweilige Mode angeſloſſen. Röe, Fräe, runde Hüte, Napoleonshüte ſind angelegt worden. Seit 1849 beſteht die Uniformierung aus dunkelblauen Waffenröen und hellblauen Beinkleidern. An Stelle der Hüte ſind Helme getreten. Früher hatte man nur Gewehre, ſeit 1817 au Seitengewehre mit Koppel. Son Anfang des 19. Jahrhunderts war die Süengeſell­ſaft 100 Mann ſtark, gegenwärtig zählt ſie mit den paſſiven Mitgliedern 140. Sie iſt militäriſ organiſiert, hat 1 Hauptmann, 1 Oberleutnant, 5 Leutnants, Feldwebel, Unteroffiziere und Gemeine. Die Geſäfte werden von Süenälteſten mitverwaltet. Langjähriger Hauptmann war früher der Watſenkenbeſier Gottfried Junge, jet Baumeiſter Ernſt Linke.

Schießstand nach 1890
Lage des Schießstandes 1891
(vergrößern mit Mauszeiger)
▅▅ massiver Schießstand neben Straße
▅▅ Stand der Scheiben im Hutungsberg

Das Lokal, in welem die Süengeſellſaft ihre Feſte abhält, iſt die Watſenke. Das jährlie Sießfeſt ritet ſi na Jakobi, den 25. Juli. Fällt dieſer Tag auf Sonntag, ſo beginnt an dieſem Tage das Sießen, und dies iſt der früheſte Termin. Fällt Jakobi auf einen der darauffolgenden Tage, ſo beginnt es am näſten Sonntag, und der ſpäteſte Termin iſt der 1. Auguſt. Das Königsſießen ſelbſt, weles drei Tage währt, beginnt Montags mit Abholung des vorjährigen Süenkönigs und endet Mittwo mit dem Einzug des neuen Königs. Wer den beſten Suß auf der Seibe getan hat, iſt König, der zweitbeſte Süe iſt Marſall. Beide tragen während des Jahres beſondere Auszeinungen, von denen einige wertvolle von dem Fürſten von Lietenſtein verliehen worden ſind. Früher wurde von einem Sießſtande, weler über dem na Seifhennersdorf führenden Wege angebrat war, über den Weg ſelbſt na dem Hutungsberge geſoſſen. 1890 wurde am Hutungsberge ein neues Sießhaus gebaut, von wo aus ein Sießſtand in die Erde eingegraben und am Ende mit einer hohen Mauer und Zielerhäusen abgegrenzt wurde. Am Ende der öſtlien Sießwieſe ſtand früher die zu jedem Sießen aufgeritete Hauptwae, von weler tagsüber Süenpatrouillen ausgingen. Seit 1897 iſt ein maſſives Gebäude als Hauptwae aufgebaut worden, weles zuglei als Sammelpunkt für die Süen dient. In dem oberhalb des Sießplatzes gelegenen Feuerwehrdepot hält ein Zug der freiwilligen Ortsfeuerwehr während des Sießens Feuerwae. In der Watſenke iſt eine Gemeinde- und Polizei-Expeditions eingeritet.

Mit dem Sießen iſt von Alters her ein Jahrmarkt verbunden, weler eine große Berühmtheit und Bedeutung gewonnen hat. Als dieſer Markt eingritet werden ſollte, war die Stadt Löbau dagegen, weil ſie Sädigung ihres Handels dadur fürtete. Die Behörde aber erteilte auf eine Eingabe des Riters und Zolleinnehmers ihre Genehmigung. Die Angabe in Fritſes Chronik, daß der Fürſt als Pate eines Kindes des damaligen Riters Hütti dieſem das Privilegium zur Abhaltung eines Marktes als Patengeſenk verliehen habe, beſtätigt ſi nit. Na Ausweis des Kirenbues ſind dem Riter Hütti 16 Kinder geboren. Er hat bei manem Kinde 9 Paten genommen, wie es in jener Zeit vielfältig geſah. Aber bei den mehr als 100 Paten findet ſi der Fürſt von Lietenſtein nit verzeinet. Das auf dem Amtsgerit zu Ebersba befindlie Bu der Fürſtli Lietenſteinſen Geriten über Käufe u. dergl. beſtätigt, daß der Riter Hütti neben dem Geritskretſam au die Watſenke oder die Senke zu den drei Linden beſeſſen hat. Dieſe verkaufte er am 13. Januar 1740, alſo wenige Jahre na Einritung des Marktes, an ſeinen Swiegerſohn Johann Georg Riter in Neuſalza für den damals hohen Preis von 700 Reistalern mit allen Geretſamen, Bier-, Branntwein- und Salzſank, au Slaten und Baen, au mit den Buden und Böen. Der Käufer hat au den Nuen, daß er bei dem jährlien Sießen das Stätte Geld vor denen Krahmern und allen denen, ſo etwas dahin zum feilen Verkauf bringen, vor ſi erheben ſoll. Dagegen aber au jeiger Verkäufer ſowohl als au alle zukünftigen Beſier und Riter des allhieſigen Erbkretſams verbunden ſein ſollen, nirgends anders wohin das gewöhnlie Sießen, als wie und wo es bis anhero geweſen, zu verlegen und zu erhalten. Das Sießen war demna au beim Kretſam abgehalten worden, dur dieſen Verkauf wurde es für immer mit der Watſenke verbunden. Dieſe hat ſon damals Watſenke geheißen und nit erſt, wie Fritſe beritet, ſeit dem ſiebenjährigen Kriege. Im Jahre 1841 hat au der Riter Hütti den Monpeliſen Garten an ſeine Toter für 600 Taler Mutterteil dazu verkauft. Was unter demſelben zu verſtehen und wo derſelbe gelegen geweſen, hat nit ermittelt werden können.

Der Markt war natürli nur wenig beſut. Er gewann aber immer mehr an Bedeutung, ſo daß aus der Nähe und Ferne Käufer und Verkäufer herzuſtrömten. Als die Süengeſellſaft am 27. und 28. Mai 1828 das 100 jährige Jubelfeſt feiern wollte, kam die Löbauer und Zittauer Handelsſaft dagegen ein, weil ſie die Abhaltung eines zweiten mit Markt verbundenen Sießfeſtes fürteten. Ein oberamtlies Reſkript vom 16. März 1828 erlaubte die Abhaltung des Jubelfeſtes, das von der Süengeſellſaft freiwillig auf den 28. Juli, die Zeit des ſonſtigen Sießens, gelegt wurde. Der Markt dehnte ſi au auf die böhmiſe Seite aus. Als aber 1834 die Zollkonvention abgeſloſſen wurde, beſränkte er ſi, ohne dem Beſue Eintrag zu tun, nur auf die ſäſiſe Seite. Später wurde wieder auf böhmiſem Gebiete feilgehalten, jedo durften Waren nit von der einen na der anderen Grenze gebrat werden, ohne Gefahr zu laufen, Zollſtrafe zu zahlen. Die größte Blütezeit des Marktes mag wohl in die Zeit vor Einführung der Gewerbefreiheit gefallen ſein, als aber die Verhältniſſe im Handel und Wandel ſi in den leten Jahrzehnten gänzli geändert hatten und in jedem Orte Geſäfte erritet ſind, in denen man jederzeit die beſte Ware kaufen kann, werden nur gewiſſe Einkäufe auf das Gersdorfer Sießen verſoben. Es ſind no dieſelben langen Budenreihen auf den Wieſen der Watſenke, auf den Topfwieſen, auf der Chauſſee, es wird au no viel Ware umgeſet, es ſtrömen no viele Tauſende von nah und fern herzu; das Gersdorfer Sießen übt no die alte Zugkraft aus, ſo daß nit blos hier, ſondern au in den Nabarorten Fabriken ſtehen, aber es hat mehr den Charakter eines Volksfeſtes mit buntem Leben und Treiben angenommen. Früher wurden von Militärkapellen Konzerte gegeben, dieſe ſind ſeit Jahren in Wegfall gekommen und Darbietungen minderwertiger Art ſind an deren Stelle getreten. Das Aufbauen der Buden beginnt ſon woenlang vorher, der Markt nimmt ſon, namentli in Holz-, Topf- und Porzellanwaren, Freitag vor dem Sießen ſeinen Anfang, und die Topf- und Porzellanwarenhändler verbleiben oft no bis Sonntag na dem Sießen. Seit 1749 iſt Ständegeld erhoben worden, von welem der Beſier der Watſenke ⅕ an die Süengeſellſaft und an die Ortsarmenkaſſe abzugeben hat. In günſtigen Jahren hat dieſe Abgabe bis 800 Mark betragen. Eine größere Anzahl Häuſer, wele in der nähe des Sießens gelegen ſind, haben während desſelben die Beretigung, Fremde zu beherbergen und den Sank auszuüben. Für die Bewohner Neugersdorfs gilt das Sießen als eins der hervorragendſten Feſte des Jahres und vielfältig wird na demſelben gerenet. Die Arbeit beginnt erſt wieder am Donnerstage. Möge das Gersdorfer Sießen, ſowie die Süengeſellſaft zu Neugersdorf beſtehen bis in ferne Zeiten !

Süengeſellſaft Jägerkorps.

Schießplatz des Jägerkorps
Schießplatz des Jägerkorps 1891

In Altgersdorf hatte ſi 1835 eine Süengeſellſaft begründet. Der Riter Söbel erbaute nördli vom Kretſam ein Sießhaus mit Sießſtand, und es wurde jedesmal zu Pfingſten das Sießen abgehalten. Es begann am zweiten Feiertage mit Abholung des vorigen Süenkönigs und wurde Mittwo mit Einführung des neuen Königs beſloſſen. Am darauffolgenden Sonntage fand die Königsmahlzeit ſtatt und am Montag die Marſallfeier. Die erſte Fahne beſaffte ſi die Süengeſellſaft im Jahre 1839; dieſe iſt bis 1873 in Gebrau geweſen. Die zweite iſt im Jahre 1900 dur eine ſöne Fahne erſet worden. Mit der Weihe dieſer Fahne war au das 50 jährige Jubiläum der Uniformierung verbunden. In der Zeit von 1835 ― 50 zogen die Mitglieder nur mit Ro und Hut auf, während ſie ſi von jenem Jahre an eine ſehr kleidſame Uniform, ähnli der vom Süenregimente, zulegte, zuerſt mit Hüten, ſpäter mit Czako und ſwarzen Haarbüſen, wele in den 90er Jahren mit weißen vertauſt wurden. Die Gewehre hatten keine Bajonette wie die der Neugersdorfer Geſellſaft, und die Seitengewehre waren kürzer. Die militäriſe Einteilung iſt dieſelbe wie dort. Als der Kretſam 1880 abgebrannt war, wurde das Sießen einige Male nit zu Pfingſten, ſondern zum Kirweihfeſte abgehalten, aber man kehrte bald wieder zur alten Einritung zurü, da die Jugendgeſellſaft ihr Vogelſießen zum Kirweihfeſte am Altgersdorfer Kretſam abhält. Mit dem jedesmaligen Sießen zu Pfingſten iſt au ein Markt im kleinen und Aufſtellung von Buden, Zelten und dergleien verbunden, ſo daß ein buntbewegtes Treiben auf den Sießwieſen herrſt.

Als die Vereinigung der beiden Gemeinden 1899 ſtattgefunden hatte und der Name Altgersdorf nit mehr vorhanden war, nahm die bisherige Süengeſellſaft den Namen Süengeſellſaft Jägerkorps zu Neugersdorf an. Da in den leten Jahrzehnten in der Fluglinie des Sießſtandes eine Anzahl Häuſer erbaut worden waren, ſo mußte dieſer tiefer gelegt werden, und es wurden au ſonſtige Sierheitsvorritungen angebrat. Die Zahl der Mitglieder betrug 1857 mit Einſluß der Muſikanten nur 85, ſie hat ſi aber im Laufe der Jahre weſentli gehoben, und gegenwärtig beträgt die Mitgliederzahl cirka 150. Um die Förderung der Geſellſaft hat ſi namentli der im Jahre 1902 verſtorbene langjährige Hauptmann Auguſt Thomas große Verdienſte erworben. Der jeige Hauptmann iſt Fabrikant Hermann Halang. Möge der Süengeſellſaft Jägerkorps eine weitere lange Blütezeit in Eintrat ihrer Glieder beſieden ſein !

Turnvereine.

Das Turnen iſt im Anfang des 19. Jahrhunderts dur Ludwig Jahn begründet worden. Es war die Zeit der Gewaltherrſaft Napoleons, gegen wele ſi alle deutſen Herzen riteten. Jahn wollte dur Pflege von Leibesübungen und deutſer Geſinnung ein kräftiges, geſinnungstütiges Geſlet heranbilden. Was er unter vieler Verkennung und Verfolgiung angeſtrebt hat, das beſit unſere Zeit und weiß dem Turnvater Dank dafür. Na den ſtürmiſen Ereigniſſen des Jahres 1848 wurde eine große Anzahl von Turnvereinen ins Leben gerufen. So fällt au die Entſtehung des hieſigen Turnvereins in dieſe Zeit. Der 28. Auguſt 1849, der 100. Geburtstag des Diterfürſten Goethe, iſt au ſein Geburtstag. Der Kaufmann Johann Wilhelm Röthig iſt der Turnvater des hieſigen Vereins. Er ließ in ſeinem Garten vor dem Hauſe einen Turnpla herriten und Turngeräte aufſtellen. 1850 beſaffte ſi der neue Verein, weler aus 59 Mitgliedern beſtand, eine Fahne, wele am 9. Juni geweiht wurde. Da man aber von der Turnſae revolutionäre Bewegungen befürtete, ſo wurde der Turnverein aufgelöſt, die Fahne konfisziert und die Turngeräte abgeſägt. Das Fahnentu war ſon vorher abgetrennt worden, ein Teil des Saftes, weler au zerſägt worden war, iſt verbrannt worden, ein anderer wie au die Fahnenſpie iſt no vorhanden.

Eine beſſere Zeit bra in den 60er Jahren für die Turnſae an. 1861 wurde der Turnverein neu begründet und der Begründer des erſten, Johann Wilhelm Röthig, ſtand au wieder an der Spie des neuen. Die alte, wiederhergeſtellte Fahne wurde 1862 neu geweiht und ein neues Turngerüſt ſeiner Beſtimmung übergeben. Zu gleier Zeit entſtand der neue Turnverein „Amicitia“ mit Feuerwehr. Beide vereinigten ſi 1864 unter dem Namen Turn- und Rettungsverein Alt- und Neugersdorf. Bis 1873 blieb die Feuerwehr mit dem Turnverein verbunden. 1874 feierte der Turnverein ſein 25 jähriges Jubiläum. Er beſtand damals nur aus 78 Mitgliedern. In der Folgezeit wus er aber raſ heran. Son Ende 1881 zählte er bei 200 Mitglieder und am Ende des Jahrhunderts betrug die Mitgliederzahl, mit Ausnahme der Zöglinge, bei 400. Im Jahre 1882 wurde eine neue Fahne beſafft und am 10. Auguſt geweiht. 1886 beging man die 35 jährige Feier der Wiederbegründung, 1899 aber, am 28. Auguſt, die 50 jährige Jubelfeier des Beſtehens, bei weler no zwei Jubilare, Guſtav Herbri und Wilhelm Beutner, am Leben waren. Der Turnverein hat im Sommer im Garten des Erbgerits von 1861 ― 1887 geturnt, im Winter an verſiedenen Orten, bis ihm 1887 die der Firma C. G. Hoffmann gehörende Reithalle unentgeltli zur Verfügung geſtellt wurde. Am 8. Juli 1899 bezog der Verein die Turnhalle der oberen Sule, wele ihm vom Sulvorſtande für den mäßigen Mietpreis von jährli 100 Mark excl. Lit zur Benuung überlaſſen wurde. 1901 hat der Verein einen Baupla für eine eigene Turnhalle erworben. Seit 1884 war ein Turnhallenbaufonds angelegt, weler dur Sammlung, turneriſe und ſonſtige Aufführungen bis Ende 1899 auf ca. 10 000 Mark angewaſen war. Nunmehr, da ein Baupla vorhanden iſt, iſt das Ziel, Gelder zum Bau einer Turnhalle anzuſammeln. Der Turnverein hat fleißig geturnt und ſi bei den verſiedenen Gaufeſten und Sauturnen dur ſeine Leiſtungen ausgezeinet. Verſiedene Mitglieder haben bei Wetturnen öfters Preiſe davongetragen. Bei den manerlei patriotiſen Feſten hat der Turnverein dur Darſtellung lebender Bilder mitgewirkt, wie er ſi die Pflege vaterländiſer Geſinnung unter ſeinen Mitgliedern und den Zöglingen zur Aufgabe geſtellt hat. Das Zöglingsturnen iſt ſeit 1883 eingeführt, und das Turnen der weiblien Jugend ſeit 1900. Der Verein und das Turnen iſt von tütigen Händen geleitet worden. Als langjährige Turnwarte ſeien beſonders genannt Riard Herzog, Adolf Herzog, Ewald Clemenz, als Vorſteher Reinhold Güttler und Hermann Israel. Möge der Turnverein fernerhin das Turnen eifrig pflegen und gute deutſe Art wahren, getreu dem Wahlſpru der Turnerei: Friſ, fromm, fröhli, frei !

Am 26. Auguſt 1887 iſt ein zweiter Turnverein, namens „Humor“ begründet worden. Anfängli als Vergnügungsverein ins Leben gerufen, widmete er ſi bald der ernſten Turnſae und ſloß ſi 1891 der deutſen Turnerſaft an. Es wurde bis Februar 1893 im Gaſthof zur Grenze geturnt, von da ab bis Mai 1894 in Stadt Zittau, ſodann in der Fabrik von F. R. Reimann und von 1899 wieder in Stadt Zittau. Das Turnen wird von Erwaſenen und Zöglingen und ſeit 1899 au von einer Damenriege betrieben. 1893 beſaffte ſi der Verein eine Fahne, wele am 9. September geweiht wurde. Am 7. Juli 1901 fand das 18. Gauturnfeſt der ſäſiſen Oberlauſi hier ſtatt. Der Verein hat ſtark beſute, theatraliſe Aufführungen veranſtaltet und den Ueberſuß zur Beſaffung der Fahre, der verſiedenen Turngeräte und zur Begründung eines Fonds zum Turnhallenbau verwendet. Von urſprüngli 20 Mitgliedern iſt der Verein 1891 auf 135 und 1901 auf 212 gewaſen. Er waſe und gedeihe au fernerhin !

Geſangvereine.

Im Anfang der 60er Jahre ſloß ſi eine Anzahl junger, ſangesluſtiger Männer aus den Webereien von Friedri Herzog und Benjamin Wollmann zuſammen, um den vierſtimmigen Männergeſang zu pflegen. Beſonders waren der Oberfärber Claus und Oberſerer Leberet Herrmann bemüht, junge Leute, wele für den Geſang geeignet waren, zum Beitritt zu veranlaſſen. Im Jahre 1862 wurde mit den Geſangsübungen begonnen und der „Sängerbund“ begründet. Unter der vorzüglien Leitung des Lehrers Kretſmar entwielte ſi der Verein zur Freude der Mitglieder derart, daß er beſloß, ſi dem Sängerbund der Oberlauſi anzuſließen. Die Aufnahme erfolgte 1864, und dadur wurde der Verein Mitglied des großen deutſen Sängerbundes. Am 15. September 1867 fand die Weihe der erſten Fahne ſtatt. Sie war von den Tötern des Dirigenten Kretſmar geſtit und koſtete ca. 50 Taler. Am 12. Juni 1887 wurde das 25 jährige Jubiläum des Beſtehens feſtli begangen. Zum 40 jährigen Jubiläum wurde eine zweite Fahne für ca. 500 Mark beſafft und unter großer Feierlikeit am 25. Mai 1902 geweiht. Der Verein hat an den verſiedenen patriotiſen Feſtlikeiten Anteil genommen und dur Liedervorträge mitgewirkt. Außerdem beteiligt er ſi an den Oberlauſier Sängerfeſten und beſut au alle deutſen Sängerfeſte. Jedes Jahr veranſtaltet er eine oder zwei öffentlie Geſangsaufführungen in der Gemeinde. Als Dirigenten des Vereins ſind tätig geweſen die Herren Oberlehrer Kretſmar, Deart, Popelka, Kantor Mörbe, Karl Starke, Lehrer Berndt, Muſikdirektor Herzog. Langjährige Vorſteher ſind Auguſt Winkler und Ernſt Chriſtoph geweſen. Wie der Sängerbund, weler gegenwärtig 224 Mitglieder zählt, ſi die Pflege des deutſen Liedes hat angelegen ſein laſſen, ſo möge dieſe au weiter eine Pflegſtätte unter ihm finden !

Aus den früheren Oſterſängern iſt 1879 der Geſangverein „Eintrat“ entſtanden. Er hat ſi 1891 eine wertvolle Fahne beſafft. Dirigenten ſind Lehrer Wehder, Muſikus Reielt, Muſikdirektor König, le, Lehrer Seidel und Lehrer Heſſe aus Filippsdorf geweſen, gegenwärtig Muſikus Wünſe. Vorſteher waren Sonntag, Randig, L. Kremz, Tiſler Vogt, Hermann Güttler, Born und Korbmaer Teubert. Der Verein gehört ſeit 1894 dem Oberlauſier Sängerbunde an.

Ein anderer Geſangverein „Liedertafel“ hält unter der Direktion des Herrn Lehrer Seiferth ſeine Geſangsübungen in der Lampelburg ab.

Kriegerverein.

Wiewohl die meiſten Kriegervereine des Landes na der Wiedervereinigung des großen deutſen Vaterlandes entſtanden ſind, um die patriotiſe Geſinnung zu pflegen und die Erinnerungen an die große durlebte Zeit lebendig zu erhalten, ſo liegt die Gründung des Kriegervereins unſerer Gemeinde weit über dieſe Zeit zurü. Das Jahr der Gründung iſt 1826, ſo daß unſer Kriegerverein der älteſte im Königrei Saſen iſt. Die Gründungsurkunde iſt vorhanden und wird im Vereinsariv unter Glas und Rahmen aufbewahrt. Die Gründer waren Veteranen aus den Freiheitskriegen, die ſi kameradſaftli zuſammengehalten hatten und ſi vereinten, um ſi einander beizuſtehen im Leben und im Sterben. Beim Hinſeiden eines Kameraden ſollte derſelbe zu Grabe getragen und die Begräbnisgebühren bezahlt werden. Kameradſaftlie Geſinnung wars, die zur Gründung des Vereins geführt hat, und dieſe iſt au in ihm gepflegt worden und zur Betätigung gelangt dur Unterſtüung in Krankheits- und Sterbefällen. In den Friedensjahren bis zur Mitte des Jahrhunderts hat ſi der Verein ruhig fortentwielt. Die meiſten Bewohner des Ortes, wele Soldaten geworden, traten na ihrer Dienſtzeit, ja ſon öfters während derſelben dem Vereine bei. Ganz anders aber geſtalteten ſi die Verhältniſſe in den zwei folgenden kriegeriſen Jahrzehnten dur die Einführung der allgemeinen Wehrpflit und du die Wiederaufritung des deut­ſen Kaiſerreies. Der Verein wus nit blos an Gliedern, es kamen au neue höhere Ziele und neuer Geiſt hinein. Der bisherige Verein hatte den Namen Militärverein zu Alt- und Neugersdorf geführt. Na Beendigung des Krieges von 1870/71 bildete ſi ein neuer Verein, hauptſäli aus Feldzugsteilnehmern beſtehend, der Kriegerverein. Na mehrfaen Verhandlungen ſloſſen ſi beide Vereine im Jahre 1873 zu einem zuſammen. In dieſem Jahre wurde die erſte Fahne des vereinigten Kriegervereins geweiht, wele eine große Anzahl gedienter Soldten unter ſi ſammelte, ſo daß die Zahl der Vereinsmitglieder bald 400 betrug, auf weler Höhe ſie ſi dur Hinſeiden und Ausſeiden alter Mitglieder und dur Eintritt neuer bisher erhalten hat. Als Vereinskleidung wurden graue Joppen und Militärmüen beſtimmt. Der Süenzug, weler bei Reveillen und bei Beerdigungen von Kameraden aufzieht und bei Feldzugsteilnehmern drei Ehrenſalven am Grabe abgibt, hat Fangſnüre als Süenabzeien und iſt mit Mauſergewehren ausgerüſtet. Da der Kriegerverein die Liebe zu Kaiſer und Rei, zu König und Vaterland hegen und pflegen will, hat er viele große patriotiſe Feſte veranſtaltet, die Sedanfeſte in den verſiedenſten Jahren, beſonders das 25 jährige Jubelfeſt am 1. und 2. September 1895, das Jubelfeſt am 18. Januar 1896, die Centennarfeier am 22. März 1897, ganz abgeſehen von den Feſten beim Geburtstage Sr. Majeſtät des Königs Albert. Am 17. Juni 1887 beging der Kriegerverein ſein 60 jähriges Stiftungsfeſt, an welem ein hiſtoriſer Umzug ſtattfand. Ein Bild aus jenen Tagen ſtellt den Jubelverein dar. Freili war das Feſt ein Jahr zu ſpät gefeiert worden, was ſi erſt dur Auffinden der Gründungsurkunde naträgli herausſtellte. Im Jahre 1901 wurde dann das 75 jährige Jubelfeſt begangen und mit ihm die Weihe der neuen vom Ehrenvorſtand, dem leider erkrankten Fabrikbeſier Reinhold Hoffmann, geſenkten Fahne unter großartiger Teilnahme hieſiger Vereine und auswärtiger Kameraden. Bei dieſer Gelegenheit wurde dem Vereinsvorſtande, Fabrikbeſier Hermann Hoffmann, weler ſeit 1872 dies Amt mit großem Geſi und viel Opferfreudigkeit bekleidet hatte, in Anerkennung ſeiner mannigfaen Verdienſte das Ritterkreuz des Albretsordens 1. Klaſſe von Sr. Majeſtät verliehen und dur Herrn Amtshauptmann v. Carlowi aus Löbau ausgehändigt. Als Förderer des Kriegervereins verdient beſonders hervorgehoben zu werden der ſon genannte Fabrikbeſier Reinhold Hoffmann, weler das Kriegerdenkmal geſenkt, die Mauſergewehre beſafft, die Koſten für den hiſtoriſen Feſtzug im Jahre 1887 getragen, die Fahne geſenkt, ſodann neben vielen andern Geſenken eine Stiftung von 3000 Mark erritet hat, aus deren Zinſen alte bedürftige Kameraden jährli Unterſtüung erhalten. Als Beweis, wie kameradſaftli und ſegensrei der Kriegerverein gewirkt hat, mögen folgende Zahlen dienen. An Unterſtüungen in Krankheitsfällen ſind bis 1901 entritet worden 12 114 Mk. 50 Pf., an Begräbnisgeldern 12 454 Mk. Die Unterſtüungen werden für die ganze Krankheitsdauer gewährt, ein Mitglied hat ſie 9 Jahre lang erhalten. Aus der Reinhold Hoffmann-Stiftung ſind bisher ca. 2400 Mk. zur Verteilung gelangt. Möge

Deutſer Sulverein.

Na Begründung des Deutſen Reies traten für die deutſen Stammesgenoſſen in andern Ländern ſwere Zeiten ein. Als Glieder eines andern Staates geriet deutſes Weſen, deutſe Sprae, Sule, Literatur und dergl. in Gefahr, von der Nationalität des betreffenden Landes zurügedrängt, ja vernitet zu werden. Es entbrannte ein Kampf zwiſen deutſem Weſen auf der einen Seite und ſlaviſem, welſem, magyariſem u. dergl. Landen, Böhmen, Mähren, Steiermark, Siebenbürgen, Tirol, Ungarn, in den ruſſiſen Oſtſeeprovinzen, in den polniſen Provinzen Deutſlands ſelbſt haben einen harten Kampf für die Erhaltung des Deutſ­tums zu führen. Um ihnen in dieſem Kampfe beizuſtehen, hat ſi der deutſe Sulverein gebildet. Er hat den Zwe, die Deutſen außerhalb des Reies dem Deutſtum zu erhalten und ſie na Kräften in ihren Beſtrebungen, Deutſe zu bleiben oder wieder zu werden, zu unterſtüen. Allen politſen, religiöſen und ſonſtigen Parteibeſtrebungen bleibt der Verein fern. Er unterſtüt deutſe Sulen, wele in Gefahr ſtehen einzugehen, erritet neue, wo es nötig iſt, unterſtüt deutſe Lehrer, verſendet deutſe Büer und verbreitet ſonſtige Sriften. Der allgemeine deutſe Sulverein gliedert ſi wieder in beſondere Hauptvereine und dieſe beſtehen aus einzelnen Ortsgruppen. Eine ſole iſt au in Neugersdorf im Jahre 1888 begründet worden. Die Mitglieder zahlen einen beliebigen jährlien Beitrag. Die Hauptverſammlung, in weler in der Regel ein Vortrag über einen Teil des großen Arbeitsgebietes gehalten wird, be­ſtimmt über die Verwendung des einen Drittels der Jahreseinnahmen. Die beiden andern Drittel gehen an den Haupt- reſp. Zentralverein zur Verwendung. Die Einnahme des Jahres 1902 belief ſi auf ca. 500 Mark. Die Zahl der Mitglieder, zu welen au 30 Damen gehören, beträgt 160. Seit Begründung der Ortsgruppe iſt Herr Kommerzienrat Julius Hoffmann Vorſteher derſelben. Da unſern deutſen Stammesbrüdern im Auslande Beiſtand in ihrem heißen Kampfe für das Deutſtum not tut, ſo iſt den Beſtrebungen des allgemeinen deutſen Sulvereins und au unſerer Ortsgruppe kräftige Unterſtüung von ſeiten unſerer patriotiſ geſinnten Bevölkerung zu wünſen.

Bürgerverein.

Um eine regere Beteiligung der Ortsbewohner an dem Gemeindeleben herbeizuführen, iſt ein Zuſammenſluß der Bürgerſaft in einem Vereine angeſtrebt worden. Die Anregung dazu ging von dem früheren Bankdirektor Oeſer aus, weler der erſte Vorſiende geweſen iſt. Na deſſen Weggang leitete Kaufmann J. W. Röthig den Verein. Ihm kommt das Verdienſt zu, die Frage der Vereinigung beider Gemeinden neu angeregt zu haben, wele au im Jahre 1899 erfolgte. Beſonders iſt der Verein bei Gemeinde- und Kirenvorſtandswahlen in Tätigkeit getreten und hat die in öffentlien Verſammlungen aufgeſtellten Kandidaten in Vorſlag gebrat. Hierin erfüllt der Verein eine für das Gemeindeleben witige Aufgabe. Er ſut au Einfluß auf die Geſtaltung der Gemeindeverhältniſſe dur Eingaben an die zuſtändigen Körperſaften zu gewinnen. Na J. W. Röthigs Tode hat Baumeiſter Roth einige Jahre an der Spie des Vereins geſtanden, ſein gegenwärtiger Vorſiender iſt Fabrikbeſier Hermann Franz. Die Zahl ſeiner Mitglieder beträgt 180. Jedes Mitglied hat einen Jahresbeitrag von 50 Pfg. zu entriten. In früheren Jahren hat der Bürgerverein wie au der deutſe Sulverein patriotiſe Feierlikeiten veranſtaltet oder unterſtüt, z. B. Bismarfeier, 25 jährige Gedenkfeier der Erritung des deutſen Kaiſerreies, Geburtstagsfeiern von Kaiſer und König u. dgl. Unter beſonnener Leitung kann der Bürgerverin für das Gemeindeleben hohe Bedeutung gewinnen, die ihm gewünſt ſei.

Fetverein und Kinderheim.

Im Anfang der 80er Jahre war von Magdeburg aus ein ſogenannter Reisfetverein mit dem Zwee ins Leben gerufen worden, Waiſenhäuſer zu gründen. Die in unſerer Gemeinde erfolgten Bemühungen hatten keine erwünſten Anklang gefunden, deshalb hatten am Neujahrstage 1884 ſieben Gersdorfer Herren in Georgswalde vereint den Beſluß gefaßt, einen Ortsfetverein zu gründen mit der Aufgabe, eine Bewahrungsanſtalt für kleine Kinder zu erriten. Eine dabei vorgenommene Sammlung von 11 Mark bildete den Grundſto. Am 5. Januar 1884 wurde von 19 anweſenden Herren der Ortsfetverein begründet und Herr J. W. Röthig zum Vorſienden gewählt. Eine wiederholte Sammlung erhöhte den Betrag von 11 Mark auf 50 Mark. Der junge Verein war ſehr rührig, warb neue Mitglieder, hielt fleißig Siungen ab, entwarf Vereinsſtatuten, traf Veranſtaltungen zur Beſaffung von Barmitteln, ſo daß am 18. September 1884 ſon 1028 Mark Vermögen vorhanden war. Er hielt ferner ein Fetfeſt ab, weles einen Ueberſuß von 1336 Mark 97 Pfg. brate. Au im Jahre 1885 warb der Verein in ähnlier Weiſe fort, ſo daß das Vereinsvermögen am Ende des Jahres 3200 Mark betrug. Ein Geſenk von 50 Mark und eine beſondere Gabe von 3000 Mark waren weiter geſpendet worden, ſo daß über 6300 Mark verfügt werden konnte. Nun trat eine für den Verein etwas kritiſe Zeit ein, da man des Gebens, ohne ein be­ſtimmtes Reſultat vor Augen zu haben, müde geworden war. Man trug ſi mit dem Plane, in einem ermieteten Hauſe eine Kinderbewahranſtalt einzuriten oder ein paſſend gelegenes Haus anzukaufen, da zu einem Neubau die Mittel fehlten. Da trat die Firma C. G. Hoffmann helfend ein, wele den Baupla für das Kinderheim für 4500 Mark erwarb und ſenkte. Das war am 1. Dezember 1886. Es wurde ein Baukomitee gebildet; Herr Fabrikbeſier Reinhold Hoffmann übernahm die Ausführung des Baues. Im Jahre 1887 wurde das Kinderheim erbaut, und nadem die innere Einritung vollendet war, erfolgte die Einweihung desſelben am 6. November 1887. Es war zweiſtöig gebaut worden. Im unteren Sto befindet ſi die Küe, Slafſtube für Kinder, Spielſaal, Eßzimmer, im oberen war über der Küe Wohnung für die Lehrerin, ſonſt dieſelben Zimmer. Auf dem Boden ſind 3 Kammern und ein freundlies Manſardenzimmer. Bau und Einritung kamen auf 32 000 Mark zu ſtehen, zu welen das Vereinsvermögen verwendet wurde, während die Firma C. G. Hoffmann 26 000 Mark als unverzinsbares Darlehen gewährte, wele hypothekariſ eingetragen worden ſind und au gegenwärtig no, na dem Ausſeiden des erkrankten Herrn Reinhold Hoffmann aus der Firma, derſelben zuſtehen, ſo daß genannte Firma dur zinsloſe Gewährung des Kapitales von 26 000 Mark während dieſer langen Reihe von Jahren ſi um das Kinderheim ganz beſondere Verdienſte erworben hat. Der Fetverein mußte, um als Beſier in das Grund- und Hypothekenbu eingetragen werden zu können, die Rete einer juriſtiſen Perſon erwerben.

Es war ein Verwaltungsausſuß für das Kinderheim gebildet worden, außerdem wurden 6 Damen gewählt, wele die Aufſit über das Kinderheim und die Küe zu führen hatten. Die erſte Kinderlehrerin, wele mit der zahlrei angemeldeten Kinderſar den Betrieb eröffnete, war Fräulein Kittenberg aus Dresden. Da aber die Zahl der Kinder immer größer wurde, erfolgte ſon am 1. Januar 1888 die Anſtellung der zweiten Kinderlehrerin in der Perſon von Fräulein Emilie Söbel aus Eibau, wele au jet no in unermüdlier, überaus treuer und gewiſſenhafter Weiſe ihre ſwierige Tätigkeit ausritet. Es wurden au die oberen Räume in Benuung genommen, und ein Dienſtmäden, weles der Küe vorſtehen konnte, angeſtellt. Dur eine in jener Zeit entſtandene Kinderkrankheit und dur das Nalaſſen des Reizes der Neuheit entvölkerte ſi das Kinderheim gar bald wieder, ſo daß nur die unteren Räume benut werden, auf wele au ſeitdem das Kinderheim tro des oft ſtarken Beſues von 80 ― 90 Kindern beſränkt geblieben iſt. Frl. Kittenberg, wele ſi kränkli fühlte, verließ ihre Stellung im Auguſt 1888 und Frl. Söbel verſieht ſeitdem allein ihren Dienſt als Kinderlehrerin. Zuerſt mußte jedes Kind für Beaufſitigung, Frühſtü, Mittageſſen und Veſper wöentli 60 Pfennige entriten, während ſpäter dur Wegfall von Frühstü und Veſper, das die Kinder ſelbſt mitbringen, der Sa auf 40 Pfennig erniedrigt wurde. Die Kinder kommen im Sommer von 6 Uhr früh bis 6 Uhr namittags, im Winter von 7 ― 7 Uhr zum Kinderheim. Ihre Beſäftigung iſt hauptſäli Spielen, im Sommer draußen im ſönen Garten von früh bis ſpät, ſo daß ſie nur zur Mittagszeit zum Slafen in das Haus kommen, und au bei günſtiger Witterung im Freien eſſen, im Winter drinnen im Saale. Außerdem erzählt ihnen die Kinderlehrerin einfae bibliſe und andere Geſiten, ſingt mit ihnen, beſonders iſt die Zeit vor Weihnaten eine ret lebendige, in der auf die Chriſtbeſerung vorbereitet wird. Seit Beſtehen des Kinderheims iſt jedes Jahr eine ſole abgehalten worden. Seit mehr als 10 Jahren hatte Frau Anna Hoffmann die Chriſtbeſerung ausgeritet und ſi als treue, opferwillige Freundin der Kinder erwieſen. Au als ſie lange und ſwer erkrankt war, ſorgte ſie für die Beſerung. Als ſie am 9. Februar 1901 geſtorben iſt, ſtiftete ihre einzige Toter, Frau Landrat Martha Freifrau von Lüdinghauſen-Wolf zu Gumbinnen, zum Andenken an ihre Mutter 10 000 Mark 3 % ſäſiſe Rente, damit aus den Zinſen jedes Jahr eine Weihnatsbeſerung abgehalten werden ſolle. Ein ret günſtiges Jahr war das Jahr 1903. Herr C. L. Neumann, ein Freund des Kinderheims, erhöhte ein früheres Legat am 16. Mai auf 1000 Mark und Herr Kommerzienrat Julius Hoffmann fügte zu den manerlei dem Kinderheim erwieſenen Wohltaten die Stiftung von 25 000 Mark hinzu. Das Kinderheim iſt immer ſehr gut beſut worden. Die Durſnittszahl beträgt 60 ― 70.

Der Fetverein hat bedeutende Zuſüſſe für dasſelbe zu leiſten gehabt, da die wöentlien Beiträge der Kinder nur etwa die Hälfte der Betriebskoſten deen. Dieſe Zuſüſſe von jährli etwa 1500 Mark ſind aufgebrat worden dur Mitgliederbeiträge, Veranſtaltungen von Feſten, Spenden der Großinduſtriellen, Ertrag aus Vermietung des oberen Stoes an die Privatſule, Ueberweiſung von Sühnegelder dur das Friedensriteramt, von Ueberſüſſen der Neujahrsgratulationen, von verſiedenen Vereinen und in den leten Jahren dur Verwilligung von 500 Mark aus den Sparkaſſenüberſüſſen. Es haben ſi immer Herzen und Hände gefunden, wele das für unſere Induſtriegemeinde notwendige und ſegensreie Inſtitut fördern, und es beſteht die begründete Hoffnung, daß es au in Zukunft dem Kinderheim und der darin beaufſitigten Kinderſar an Gönnern und Helfern nit fehlen wird. Dem Fetverein kann es aber als ein großes Verdienſt angerenet werden, ein der Fürſorge für die kleineren Kinder der Gemeinde dienendes Inſtitut ins Leben gerufen und bisher mit günſtigen Erfolgen geleitet zu haben.

Als Vorſteher des Kinderheims hatten bisher fungiert die Herren J. W. Röthig und na deſſen Tode Julius Berndt. Das Kaſſenweſen hat zuerſt Herr Hermann Hoffmann und dann Herr Hermann Klippel verwaltet. Dem weiteren ſegensreien Wirken des Vereins ſeien die beſten Wünſe dargebrat !

Naturwiſſenſaftlier Verein.

Dieſer Verein hat ſi, wie ſein Name ſagt, die Aufgabe geſtellt, die Kenntnis der Naturwiſſenſaften, die in den leten Jahrzehnten einen beſonders hohen Aufſwung genommen und für alle möglien Gebiete des Lebens Bedeutung gewonnen haben, zu verbreiten. Er iſt im April 1866 begründet worden, und ſeine Statuten haben im Februar 1867 geritlie Beſtätigung empfangen. Der Begründer war der damalige hieſige Lehrer, jet Oberlehrer Lorenz in Seifhennersdorf. Ihm ſloſſen ſi eine Anzahl Männer an, wele ſi gern mit naturwiſſenſaftlien, aſtronomiſen, geographiſen Gegenſtänden beſäftigten und beſtrebt waren, ihr geiſtiges Wiſſen zu bereiern. Am Ende des erſten Vereinsjahres zählte der Verein 32 Mitglieder, er wus im Laufe der näſten Jahre beträtli, ſo daß er im Jahre 1880 die Zahl 104 erreite. Lange Zeit iſt ſein Beſtand um 100 geweſen, bis er in den leten Jahren die anſehnlie Zahl von 150 Mitgliedern aus allen Ständen und Berufsklaſſen erſtieg. In füheren Jahren wurden zweimal im Monat faſt regelmäßig an einem Donnerstage das ganze Jahr hindur Verſammlungen mit Vorträgen abgehalten, an wele ſi ergiebige Ausſpraen anſloſſen, in den leten Jahren fanden wenige Verſammlungen im Sommerhalbjahre und nur alle 14 Tage und au öfters an andern Abenden als Donnerstags ſtatt. Früher hielten die Vereinsmitglieder zumeiſt ſelbſt die Vorträge, und es iſt in anerkennenswerter Weiſe Tütiges auf den verſiedenſten Zweigen des umfangreien Gebietes der Naturwiſſenſaften geleiſtet worden. Au wurden Redner von auswäts gewonnen und hervorragende Männer wie Finn, Amberg hielten Vorträge mit wiſſenſaftlien Experimenten verbunden. In den leten Jahren haben ſi verhältnismäßig wenig Mitglieder bereit gefunden, Vorträge zu halten, dagegen ſind mehr auswärtige Kräfte zu ſolen herzugezogen worden. Der Verein beſit ziemli wertvolle Sammlungen naturwiſſenſaftlier Gegen­ſtände, namentli eine reihaltige Mineralienſammlung, außerdem ſind verſiedene Apparate zu Experimenten beſafft worden, ferner ein wertvolles Fernrohr und ein Skioptikon. Dies alles iſt verſiedentli zu Vorträgen benut und au zur Mitbenuung den Volksſulen überlaſſen worden. Eine Bibliothek mit manerlei wiſſenſaftli wertvollen Werken iſt im Beſie des Vereins. Gegenwärtig befinden ſi Sammlungen und Bibliothek, nadem ſie in den früheren Vereinslokalen untergebrat waren, in den Räumen der oberen Sule. Der Verein, weler im Brauhauſe gegründet worden iſt, hat au dort ſeine Verſammlungen und regelmäßig jährlien gemütlien Familienabende bis zum Jahre 1887 abgehalten. Von da an iſt er aus ſeinem erſten unvergeßlien Heim na dem Erbgerit zu Neugersdorf übergeſiedelt, wo er au jet no tagt. Der erſte Vorſiende war Oberlehrer Lorenz, dann Lehrer Deart. Beſonders erblühte der Verein unter der umſitigen, zielbewußten Leitung des Suldirektors Roth in Neugersdorf, der im Jahre 1883 geſtorben iſt, auf deſſen Grab der Verein einen Denkſtein als Zeien der Dankbarkeit geſet hat und das Grab pflegen läßt. Vorſteher des Vereins wurden die Herren Kaufmann Adolf Meurer, Suldirektor Dernoſe, Budruereibeſier Roßberg, gegenwärtig iſt es Lehrer Elßner. Unter der rührigen Leitung dieſer Männer und der übrigen Vorſtandmitglieder hat der Verein neben ſeinem eigentlien wiſſenſaftlien Arbeitsgebiete ſi au no andere gemeinnüige Aufgaben geſtellt und erfüllt. Hervorzuheben iſt, daß na einer Triinenkrankheit in hieſiger Gemeinde die Triinenſau hierſelbſt auf Betrieb des Vereines dur Ortsſtatut eingeführt wurde, und daß eine Petition um Einführung derſelben im Lande und Reie in Umlauf geſet iſt. Das Geſe iſt, wenn au nit auf ſole Petition, ſpäter erlaſſen worden. Sodann iſt die Faſſung der Spreequelle, wele über 1300 Mark gekoſtet hat, das Werk des Naturwiſſenſaftlien Vereins, au hat er ſi um Förderung des Obſtbaues verdient gemacht, bis im Jahre 1901 ein beſonderer Obſtbauverein entſtanden iſt. Ferner hat er Anregung zur Fürſorge für kleine Kinder gegeben, für wele dann der Fetverein das Kinderheim gegründet hat. Die Abfaſſung dieſer Chronik iſt gleifalls auf Anregung des Naturwiſſenſaftlien Vereins erfolgt. So iſt denn zu wünſen, daß er ſeine wiſſenſaftlie und gemeinnüige Tätigkeit unter ret zahlreier Beteiligung ſeiner Mitglieder no ret lange ausüben möge !

Ein demſelben verwandter Verein iſt der

Wiſſenſaftlie Leſeverein.

Er iſt am 8. Juli 1873 von 8 Mitgliedern begründet worden, zählte aber ſon na 10 Jahren 62, na 20 Jahren 110, na 30 Jahren 178 Mitglieder. Der Verein legte ſeit ſeinem Beſtehen eine Bibliothek an, um ſeinen Mitgliedern wiſſenſaftlie Lektüre darbieten zu können. Dieſe iſt von 200 Bänden na 10 jährigem Beſtehen auf 700 angewaſen, außerdem hat der Verein eine wertvolle Bibliothek von Auguſt Böhmer zum Geſenk erhalten. Der Verein beſit no eine naturwiſſenſaftlie Sammlung, Fernrohr, Mikroſkop u. dgl. Die Vereinsabende wurden zuerſt im Erbgerit, dann im Bäermeiſter Böerſen Hauſe abgehalten, ſeit 1875 im Gaſthaus zur Roſe. Die Vereinsabende finden in der Regel Mittwos ſtatt. Es ſind früher freireligiöſe Vorträge von dem Prediger Elßner veranſtaltet worden, ſpäter Vorträge rein naturwiſſenſaftlien Inhalts, öfters in Gemeinſaft mit dem Naturwiſſenſaftlien Vereine. Seit einer Reihe von Jahren ſtehen an der Spie des Vereins die Herren Hermann Berndt und Hermann Hille.

Gabelsbergerſer Stenographen-Verein.

In den 50er Jahren entſtanden in verſiedenen Orten der Oberlauſi Vereine, um die Kurzſrift na dem Gabelsbergerſen Syſtem zu treiben, ſo in Neuſalza im Jahre 1855, in Sirgiswalde 1858, in Bauen 1859. Am 12. Juni 1859 entſtand ein ſtenographiſer Verein au in unſerm Orte, zuglei für die Umgebung. Er wurde dur den Sriftſeer Chriſtian Friedri Plade ins Leben gerufen. Der Vorſtand des erſten Vereins beſtand aus den Herren Kaufmann Ernſt Wilhelm Köhler, Orgelbauer Carl Reiß, Organiſt Gärtner und Oswald Bahr. Der Verein zählte 30 Mitglieder, 14 von Alt- und Neugersdorf, 8 aus Ebersba, je 2 aus Eibau, Hewalde, Ober- und Niederoderwi,. Es entſtanden von hier aus Vereine in den ſäſiſen und böhmiſen Nabarorten, ja bis na Böhm. Kamni, von wo allwöentli Kaufmann Johann Riter hierher kam, um am Unterrite in den Vereinsabenden teilzunehmen. Gar bald zählte der Verein mit den außerordentlien und Kurſusmitglieder 77 Perſonen.

In den 60er Jahren trat wie überall ſo au hier ein Niedergang in der Stenographie ein, ſo daß der Verein ſeine Tätigkeit ein­ſtellte. Eine neue Periode begann aber ſeit dem Jahre 1875. Es ſloſſen ſi die Herren Alwin Hirſoff, Ernſt Chriſtoph, Wilhelm Rudolph, Hermann Reielt, Adolf Güttler, Karl Starke, Hermann Berndt, Reinhold Kneſke zu neuem Streben zuſammen. Dur eifrige Bemühungen erſtarkte der Verein; es traten au junge Leute demſelben bei, da man immer mehr den Nuen der Stenographie für das praktiſe und öffentlie Leben erkannte. Die Leitung des Vereins lag von 1875 ― 77 in den Händen des Herrn Alwin Hirſoff, von 1878 ― 88 leitete ihn Herr Ernſt Chriſtoph. Dieſer erhielt im Jahre 1891 vom Königlien Stenographiſen Inſtitute zu Dresden in Anerkennung ſeiner Verdienſte die Häpe-Denkmünze. Seit 1889 ſteht der rührige, eifrige Herr Guſtav Bahr an der Spie des Vereins, weder Zeit no Mühe ſeuend, die Vereinsſae zu fördern und zu heben. Dieſer iſt au ſeit 1895 Vorſteher des Verbandes Gabelsbergerſer Stenographen-Vereine der Oberlauſi, weler 1881 begründet worden iſt und dem gegenwärtig 20 Vereine angehören. Die Aemter als ſtellvertretender Vorſiender, Kaſſierer, Sriftführer, Bibliothekar, Kurſusleiter haben eine größere Anzahl Mitglieder verwaltet, wele ſi in dieſen Stellungen um den Verein verdient gemat haben. Die Zahl der Mitglieder hat in den einzelnen Jahren geſwankt, die höſte Zahl hat der Verein im Jahre 1901 mit 110 Mitgliedern erreit. Im Jahre 1893 wurde au ein Kurſus für Damen eröffnet, weler ſi nur zwei Jahre lang als lebensfähig erwies.

Der Verein veranſtaltet jedes Jahr für die Neueintretenden einen Elementarkurſus. In einem Fortbildungskurſus wird den Mitgliedern Gelegenheit geboten, ſi im Syſtem weiter auszubilden. Für geübtere Stenographen ſind no zwei Kurſe eingeritet, ſo daß fleißig im Vereine gearbeitet wird und au günſtige Reſultate erzielt worden ſind. Dies hat ſi erfreulierweiſe bei den verſiedenen Wettſreiben gezeigt. Im Jahre 1900 feierte der Verein ſein 25 jähriges Stiftungsfeſt, außerdem wurden in den Jahren 1884, 1889 und 1902 die Wanderverſammlungen des Oberlauſier Verbandes hier abgehalten. Zu Pfingſten 1894 fand die Generalverſammlung des ſiſen Geſamtvereins ſtatt, bei weler die Delegierten freundli in unſerer Gemeinde aufgenommen worden ſind. Die Erinnerung an jene Feſttage iſt den Teilnehmern unvergeſſen geblieben.

Da die Stenographie im Laufe der Jahre immer größere Bedeutung gewonnen hat, ſo iſt zu wünſen, daß au unſer Ortsverein ſeine erſprießlie Tätigkeit weiter fortſee, und namentli die Jugend auf die Erlernung der Stenographie, wozu ihr der Verein Gelegenheit bietet, immer mehr Fleiß und eifer verwende.

Muſikvereine.

Die Inſtrumentalmuſik in unſerer Gemeinde eingeführt zu haben, iſt das Verdienſt des Organiſten Sneider. Vorher hatten Muſikanten aus Böhmen bei Hozeiten und ſonſtigen Gelegenheiten geſpielt. Bis 1791 hatte Sneider 12 Muſiker herangebildet, 3 aus Alt- und 9 aus Neugersdorf, wele die verſiedenſten Inſtrumente zu ſpielen imſtande waren. Um nun für dieſe neben den kirlien Aufführungen, wele nit beſonders bezahlt wurden, lohnende Beſäftigung herbeizuführen, wendete ſi Sneider und mit ihm die Muſiker an den Stadtrat zu Zittau mit dem Anſuen, den böhmiſen Muſikanten zu verbieten, fernerhin bei Hozeiten und feſtlien Gelegenheiten zu muſizieren, damit künftighin nur von dem Kirenmuſikkorps in der Gemeinde Muſik aufgeführt werde. Der Stadtrat zu Zittau und auf deſſen Anſuen au die Rumburger Herrſaft willfahrten dieſer Bitte, und ſo hatten ſeit 1792 die hieſigen Muſiker das Privilegium zur alleinigen Abhaltung der Muſik im Orte. Der Organiſt Sneider bildete das Korps aus und erteilte andern geeigneten jungen Leuten Unterrit, ſo daß 1815 das Korps aus 18 Mann beſtand. Im genannten Jahre wurde das Verbot, daß ausländiſe und auswärtige Muſiker ſi der Abhaltung der Muſik im Orte zu enthalten hätten, erneuert, da böhmiſe Muſikanten ſi wiederholt einzudrängen verſut hatten.

Seit einiger Zeit aber hatte ein Tiſlergeſelle, weler beim Tiſler Müller in Arbeit ſtand und muſikaliſ war, namens Franz aus Haida, junge Leute auf verſiedenen Inſtrumenten unterritet und führte mit ihnen bei Hozeiten und ſonſtigen Feſten Muſik auf. Franz hatte ſi mit ſeinen Leuten Süenuniformen beſafft, blies zum Jakobiſießen und au bei Süenbeerdigungen, aber nur auf Neugersdorfer Gebiet. Es war aus den Franzeſen Leuten die Süenkapelle entſtanden. Da dieſe au bei verſiedenen kirlien Feierlikeiten auf Wunſ von Neugersdorfer Gemeindegliedern ſi beteiligen wollten, kam es zwiſen ihnen und dem Organiſten Sneider, weler die Kirenmuſiker vertrat, zu Streitigkeiten und Verdrießlikeiten, die von den Behörden geſlitet werden mußten. Im Jahre 1819 vereinigten ſi beide Korps, und fortan bildeten die Kirenmuſiker au das Süenmuſikkorps. Später haben ſie au die Abhaltung der Muſik bei der Altgersdorfer Süengeſellſaft und dann beim Kriegerverein übernommen und ſi in die Uniformen derſelben gekleidet. Die Organiſten Sneider und Fritſe haben ſi der muſikaliſen Heranbildung junger geeigneter Leute angenommen. Als erſter Leiter des Korps iſt Chriſtian Friedri Paul genannt, na ihm Chriſtoph Reielt, ſodann Klempner Chriſtian Friedri Paul. Jahrzehnte lang hat Karl Gottlieb Matthes die Direktion ausgeübt, bis er hobetagt 1903 dahingeſieden iſt. Sein Sohn Julius hat ſeitdem die Leitung des Korps übernommen. Es zählt 20 Mann, und ſeine Leiſtungen finden verdiente Anerkennung. Seit 1846 hatte ſi ein neues Muſikkorps gebildet, weles das Gebauerſe genannt wurde, weil ein großer Teil ſeiner Mitglieder dieſen Namen trug. Es war zuerſt die Kapelle der Altgersdorfer Süengeſellſaft. Es hat ſi na Jahrzehnte langer Selbſtändigkeit ſpäter mit dem vorgenannten Koprs unter Matthes vereinigt gehabt, bis ſeine Mitglieder dem Muſikvereine beigetreten ſind.

Der Muſikverein iſt dur die Bemühungen des Kantor Mörbe im Jahre 1886 ins Leben gerufen worden. Es war in der Gemeinde mehrfa der Wunſ laut geworden, daß die Streimuſik mehr gepflegt werden möte. Muſikdirektor Groh in Rumburg fand ſi bereit, eine Anzahl geeigneter Leute einzuüben. Als Groh na Polen verſet wurde, kam 1888 Muſikdirektor König aus Freiwaldau in Oeſterr.-Sleſien hierher, weler ſi eifrigſt der Weiterſulung der vorhandenen Kräfte und der Heranbildung neuer hingb. Verſiedene hieſige Muſikfreunde unterſtüten den Verein dur namhafte Beiträge zum Gehalte des Direktors und dur Anſaffung von Inſtrumenten und Noten. Leider verſtarb König ſon im Auguſt 1896. An ſeine Stelle trat Hermann Herzog, zuglei Leiter des Sängerbundes, weler ſeitdem in rühriger, verſtändnisvoller Weiſe den Muſikverein geleitet hat. Unter der Direktion tütiger Männer und bei regem Streben ſeiner Mitglieder hat der aus 25 Mann beſtehende Muſikverein Vorzüglies geleiſtet und erfreut ſi eines guten Rufes hier und in der Umgegend.

Außerdem hat ſi eine Anzahl von Mitgliedern der Feuerwehr mit Inſtrumentalmuſik beſäftigt.

Obbauverein.

Dieſer iſt einer der jüngſten Vereine, der aber eine große Rührigkeit und Tätigkeit in ſeinem kurzen Beſtehen entfaltet und ſi viele Freunde erworben hat. Er iſt 1901 begründet wordn und hat zum Zwee, den Obſtbau in unſrer Gemeinde zu pflegen und zu fördern. Unter der Leitung ſeines Vorſienden Julius Hermann Fiedler hat er öfters Verſammlungen mit Vorträgen bewährter Kräfte wie Pekrun, Sander und dgl. abgehalten und Ausſtellungen von Beerenobſt im Sommer und anderem Obſt im Herbſt abgehalten, wele reili beſit worden ſind und die Anerkennung hieſiger und auswärtiger Beſuer gefunden haben. Es war eine Freude, zu ſehen, wieviel ſönes und gutes Obſt in unſrer Gemeinde gebaut wird, und jedenfalls wird der Verein auf Vermehrung und Veredlung der Obſtkultur vorteilhaft einwirken. Die Zahl der Mitglieder des jungen Vereines betrug im Jahre 1902 ſon 130 und wird ſi in der Folgezeit vorausſitli erhöhen.

Eine Zählung der Obſtbäume und Beerenſträuer der 130 Mitglieder ergab 2869 Obſtbäume, nämli 1276 Aepfel, 735 Birnen, 283 Kirſen, 525 Pflaumen und 50 verſiedene; 8841 Beerenſträuer, darunter 1835 Staelbeeren, 1365 Johannisbeeren und 4500 Erdbeeren. Spätere Zählungen werden bei vermehrter Kultur und größerer Mitgliederzahl ein no höheres Reſultat ergeben.

No ſei des Landwirtſaftlien Vereins gedat, weler bei eingetretenen Verluſten von Vieh gegenſeitige Unterſtüung gewährt und au der Geflügelzütervereine, wele auf Vermehrung und Veredlung von Geflügelzut im Orte Einfluß ausgeübt haben. Es war zunäſt nur ein Verein, weler ſeine erſte Ausſtellung am 12. und 13. Januar 1874 abgehalten hat. Später ſind zwei Vereine entſtanden, wele jedes Jahr gut beſite und beſute Geflügelausſtellungen, verbunden mit Prämiierung und Verloſung veranſtaltet haben.

Wenn von weitere Beriterſtattung über andere Vereine abgeſehen wird, welen Namen ſie au tragen, und wele Zwee ſie au verfolgen, ſo möge ſi dadur niemand zurügeſet fühlen, da die Zahl eine zu große iſt und nur die älteſten und größten Vereine, wele ein allgemeineres Intereſſe haben, nähere Erwähnung finden konnten.


Quelle: Chronik von Neugersdorf, bearbeitet von Carl Melzer, Pfarrer. 1903