Auszüge aus der Melzer-Chronik 1903

📜️
Zierornament

1. Kapitel

Geſite der Oberlauſi.

 


 

Wenn in dieſem Bue die Geſite unſers Ortes Neugersdorf geſrieben werden ſoll, ſo möge eine kurze gedrängte Darſtellung der Geſite der Oberlauſi vorangehen, der Provinz, weler unſer Neugersdorf zugehört.

Der Name Lauſi iſt von dem ſlaviſen Worte Luza, d. h. ein Sumpfland, abzuleiten. Dies gilt hauptſäli von dem moraſtiſen Boden der Niederlauſi, wo heute no Teie und Sümpfe ſi weithin ausdehnen. Dem gegenüber nannte man die höher gelegenen und gebirgigen Gegenden das Oberland, ſo daß man die beiden Lauſien unterſied, die Ober- und die Niederlauſi, wie dies no jet der Fall iſt. Die älteſten Bewohner, ſoweit die geſitlien Urkunden zurüreien, ſind Germanen geweſen, es war der mätige Stamm der Semnonen, weler in der Niederlauſi und dem nördlien Teile der Oberlauſi wohnte, während der ſüdöſtlie Teil wohl von Bonoämen, na welen Böhmen ſeinen Namen erhalten hat, bewohnt geweſen ſein dürfte. Dieſe wurden zur Zeit der Völkerwanderung am Ende des 4. Jahrhunderts von den Vandalen verdrängt und wandten ſi na Weſten, wie ja überhaupt der Wanderzug der Völker na Weſten geritet geweſen iſt. Die Vandalen, ein unſtäter, wilder deutſer Volksſtamm, wanderten bald wieder aus. Der Hauptſtrom zog über Italien na Nordafrika und gründete dort unter Genſeri oder Geiſeri ein Rei; von da aus fielen ſie in Italien ein, eroberten und zerſtörten Rom, das ſie in furtbarer Weiſe plünderten, ſo daß si von da aus der Name Vandalismus bis in unſere Zeit erhalten hat. Nur ein Teil des Volkes der Vandalen war zurügeblieben, ſo daß das Land ſehr ſwa bevölkert war.

Da kamen Ende des 5. und Anfang des 6. Jahrhunderts, ebenfalls auf ihrem Zuge von Oſten na Weſten ſlaviſe Völkerſaften, Sorbenwenden, und nahmen Beſi von den Länderſtreen, während ſi der Vandalenreſt mehr na dem gebirgigen Teile zurüzog. In der Oberlauſi breiteten ſi die Milzener aus, in der Niederlauſi die Luſiczer. Die Slaven (Slawa, der Ruhm) bilden eine große Völkerfamilie, zu denen die Ruſſen, Bulgaren, Slavonier, Kroaten, Böhmen, Mähren, Polen und Wenden gehören. Herder ſildert die Slaven mit folgenden Worten: Tro ihrer Taten waren die Slaven nie ein unternehmendes Kriegs- und Abenteurervolk wie die Deutſen, vielmehr rüten ſie dieſen ſtill na und beſeten ihre leer gelaſſenen Pläe und Länder. Allenthalben ließen ſie ſi nieder, um das Land als Koloniſten, als Hirten, als Aerbauer zu nüen. Sie liebten die Landwirtſaft, einen Vorrat von Herden und Getreide, au manerlei häuslie Künſte und eröffneten allenthalben mit den Erzeugniſſen ihres Landes und Fleißes einen nülien Handel. Aber dies Volk mußte nun einen faſt 300 jährigen Kampf um ſeine Wohnſie, Religion und Sitten führen, ſo daß ſi aus dem aerbautreibenden Volke allmähli eine kriegeriſe Nation bildete. Zunäſt waren es die Franken, mit denen ſie in Streit gerieten. Die Sorbenwenden, die von Meißen an in der Ober- und Niederlauſi wohnten, verbanden ſi mit Böhmen und Mähren und beſiegten die Franken im Jahre 631 bei Oelsni im Vogtlande. Ueber ein Jahrhundert hatten die ſlaviſen Völkerſaften vor den Franken Ruhe, bis unter Karl dem Großen der Krieg aufs neue begann, der zur Unterwerfung der Sorben führte, wele dem Kaiſer Tribut zahlen mußten. Dies Verhältnis beſtand unter den näſten Karolingern fort, beſonders war es der Grenzgraf Thacluf, weler um die Mitte des 9. Jahrhunderts die deutſe Herrſaft befeſtigte und erweiterte, während unter den leten Karolingern die Verbindung mit dem Deutſen Reie ſi immer mehr loerte, namentli ſeitdem die Hunnen in Deutſland eingebroen waren.

Ganz anders geſtalteten ſi die Verhältniſſe unter den kraftvollen Saſenkaiſern, die nit blos die Hunnen ſlugen, ſondern au die ſlaviſen Völkerſaften vollſtändig unterwarfen. Heinri I. gründete die Burg Meißen und legte die Markgrafſaft Meißen an, zu weler fortan au die Milczener der Oberlauſi gehörten. Nadem er Prag zweimal erobert, Wenzeslaus als König eingeſet hatte, wendete er ſi gegen die Oberlauſi, die er eroberte und den damals beſtehenden Fleen Budiſſin zu einer Grenzfeſtung erhob. Der Name wird von dem altdeutſen Worte Bud oder Bod, Burg, Grenzfeſte abgeleitet und von dem Gau der Völkerſaft der Umgegend Niſin, alſo Burg des Gaues Niſin. Unter Heinri I. wurden Ringmauern erbaut, die unter Otto I. dem Großen vollendet wurden. Außerdem ließ derſelbe no am reten ſteilen Ufer der Spree eine Burg bauen, die jeige Ortenburg. Unter Otto I. tritt beſonders ein Mann von großer Tatkraft hervor, Gero, der Slavenbändiger, der in jahrzehntelangen Kämpfen die ſlaviſen Völkerſaften unterwarf. Seit Karl dem Großen hatte es au nit an Bemühungen gefehlt, die heidniſen Slaven zum Chriſtentum zu bekehren. Unter den Saſenkaiſern geſah dies mit beſonderem Erfolge. Es wurde von Otto I. neben verſiedenen Bistümern wie Brandenburg, Merſeburg, Zei, Poſen, au das Bistum Meißen im Jahre 948 gegründet. Von da aus ſollten Sendboten in das Land zur Bekehrung der Milczener ausgehen. Unter dieſen hat ſi beſonders Egido ausgezeinet, weler der Apoſtel der Lauſi genannt werden könnte. Allmähli nur verließen die Sorbenwenden die Anbetung ihrer Götter und wandten ſi dem Chriſtentume zu, aber au unter Beibehaltung maner heidniſer Sitten.

Als nun unter Otto III. der Böhmenherzog Boleslaus in das Markgrafentum Meißen eingefallen war und die Burg erobert hatte, fielen ihm die Milczener in der Oberlauſi freudig zu und wandten ſi wieder zum heidniſen Göendienſte zurü. Aber der neue Markgraf Eard trieb die Böhmen wieder zurü und unterwarf die aufſtändiſen Slaven vollſtändig. Als Otto III. um das Jahr 1000 na Gneſen zum Grabe des heiligen Adelbert pilgerte, ging ſein Zug au dur Meißen und die Oberlauſi hindur. Na ſeinem im Jahre 1002 erfolgten Tode fiel unter Heinri II. der Polenherzog Boleslav Chrabri in die Lauſi und das Markgrafentum Meißen ein, eroberte Bauen zweimal, verheiratete ſi mit einer Toter des Markgrafen Eard von Meißen, ſo daß die Lauſi eine Zeit lang unter polniſe Herrſaft kam, bis 1032 unter Conrad die Oberlauſi an den Markgrafen Eard II. von Meißen kam, der vom Kaiſer Heinri III. der getreueſte unter den Getreuen genannt wurde und viel für die friedlie Entwilung der Kultur im Lande der Milczener getan hat. Unter Heinri IV. wurde Ebert von Meißen des Markgrafentums und der Lauſien für verluſtig erklärt und Herzog Wratislaus von Böhmen mit demſelben belehnt. Die Oberlauſi war wohl Eigentum der deutſen Krone, aber Lehen des Königs von Böhmen geworden, bis ſie unter Kaiſer Karl IV. ganz zu Böhmen kam. Mit manerlei Unterbreungen hat die Oberlauſi 600 Jahre lang zu Böhmen gehört, bis ſie wieder an Meißen reſp. Saſen zurügekommen und deutſes Land geworden iſt.

Do wie bisher der Beſi der Oberlauſi öfterem Weſel unterworfen war, ſo au in den weiteren Jahrhunderten. Son im Jahre 1084 trat Herzog Wratislaus an ſeinen Swiegerſohn Wiepret von Groiſ ab, einen der tatkräftigſten Männer in jener fehdereien Zeit. Dieſer vereinigte au die Niederlauſi durch Kauf mit der Oberlauſi, wollte au das Markgrafentum Meißen mit Hilfe eines böhmiſen Heeres unter ſeine Gewalt bringen, das aber Conrad von Wettin, der Stammvater unſers ſäſiſen Herrſerhauſes, ſeit 1088 inne hatte und mit Hilfe des Herzogs Lothar von Saſen zu behaupten wußte. Wiepret trat na einem bewegten Leben die Herrſaft an ſeinen Sohn Heinri ab und zog ſi in das von ihm begründete Kloſter Pegau zurü, wo er au verſtarb. In der Stadtkire zu Pegau, rets vom Haupteingange, befindet ſi ſein Mauſoleum. Als Heinri von Groitſ im Jahre 1136 kinderlos geſtorben war, kam dur Teſtament die Oberlauſi an Herzog Wladislaus II. von Böhmen, der ſeine Anſprüe gegen Markgraf Conrad den Großen von Wettin, weler in den Beſi derNiederlauſi und der Gegend bis Dresden gelangt war, zu verteidigen hatte und erſt im Jahre 1160 vollſtändig in den Beſi der Oberlauſi kam. In der folgenden Zeit iſt die im Jahre 1213 erfolgte Grenzberitigung zwiſen dem Markgrafentum Meißen und der Oberlauſi von beſonderer Witigkeit, über wele 4 Urkunden im Staatsariv zu Dresden vorhanden ſind. Hier wurde unterſieden zwiſen dem Gaue Zagoſt, der das nördlie Böhmen, die ſüdlie, gebirgige Lauſi, die Gegend von Rumburg bis zur Elbe, die jeige ſäſiſe Sweiz, umfaßte, und zwiſen dem Gaue Budiſſin, der den übrigen Teil der Oberlauſi einſloß.

Nit lange darauf gelangte die Oberlauſi, mit Ausnahme des Zittauiſen Kreiſes, der ſi bis Großhennersdorf, Ruppersdorf, Eibau na Seifhennersdorf erſtrete, in den Beſi des Markgrafen von Brandenburg. Otto III. hatte ſi mit einer Toter des Böhmenkönigs Ottokar Wenzeslaus des Einäugigen verheiratet. Da dieſer den üblien Brautſa von 10 000 Mark Silber nit bezahlen konnte, überließ Ottokar ihm zuerſt den Görlier und ſpäter den Budiſſiner Kreis zuerſt als Pfand, und als dann die Zeit der Einlöſung abgelaufen war, verblieb die Oberlauſi in brandenburgiſem Beſie bis zum Jahre 1319, dem Tode des leten Askaniſen Markgrafen Woldemar. Da wurde im Jahre 1320 Johann von Böhmen aus dem Hauſe Luxemburg mit der Mark Budiſſin vom Kaiſer Ludwig dem Baier belehnt, während Heinri von Jauer Beſi von dem Görlier Kreiſe ergriffen hatte; Heinri ſtarb 1346. Na deſſen Tode gelangte au dieſer Kreis unter die Herrſaft König Johanns von Böhmen, ſo daß dieſer die geſamte Oberlauſi unter ſeiner Gewalt vereinigte. Wenige Tage vor deſſen au im Jahre 1346 erfolgtem Tode wurde von den 6 Städten Budiſſin, Görli, Zittau, Löbau, Kamenz und Lauban das für das Markgrafentum Oberlauſi witige Bündnis am 21. Auguſt 1346 abgeſloſſen.

Die Gründung Budiſſins unter Heinri I. und der Anlegung der Burg unter Otto I. iſt ſon Erwähnung geſehen. Budiſſin trat immer als die bedeutendſte Stadt hervor. Görli war zuerſt ein Dorf Goreli an der Niza. Neben dem Dorfe wurde auf einem ſteilem, felſigen Ufer der Neiße im Jahre 1126 eine Burg von den Böhmen gebaut. Hier war eine Brüe über die Neiße geſlagen, und es ging eine Straße von Polen na Böhmen und Meißen hindur, ſo daß ſi das Dorf hob und zur Stadt wurde, die ſi immer weiter ausbreitete und immer größere Bedeutung erlangte. Zittau ſoll ſon im 9. Jahrhundert die erſten Häuſer am Burgberge gehabt haben, im Jahre 1253 iſt es zur Stadt erhoben worden. Löbau wie Lauban, ſlaviſe Niederlaſſungen, wird zum erſten male 1259 als Stadt genannt, während Lauban ſon 1180 dazu erhoben ſein ſoll. Von Kamenz wird beritet, daß dort ſon im 7. Jahrhundert Anſiedler geweſen ſeien, ſodaß es alſo zu den älteſten Niederlaſſungen gehörte. Die Sesſtädte hatten ſi zuſammengeſloſſen, da das Raubritterweſen überhand genommen hatte und die Gegend und den Handel unſier mate. König Karl I., als deutſer Kaiſer Karl IV., hatte ſi die Niederwerfung des Raubrittertums und die Wiederherſtellung des Landfriedens zur beſonderen Aufgabe gemat. Darin haben ihm die Zittauer beſonders beigeſtanden, die bei der Erſtürmung des Oybin, des Tollenſteins, des Roll bei Niemes tapfer mitgeſtritten haben, ſo daß Zittau wegen der Tapferkeit ſeiner Bürger einen ſwarzen Adler im goldenen Felde erhielt. Unter der Regierung Karl IV., deſſen Regierung für Böhmen ſegensrei geworden iſt, der die Prager Univerſität begründet und die Karlsbrüe gebaut hat, wurde im Jahre 1355 die witige Beſtimmung getroffen, daß die Marken Budiſſin und Görli aufhörten, eine Provinz des Deutſen Reies zu ſein, und mit den ſleſiſen Herzogtümern ein Lehen des Königreis Böhmen wurden. Unter Wenzel, der Johann Nepomuk von der Karlsbrüe in die Moldau ſtürzen ließ, waren manerlei Unruhen au im Innern der Städte. Am Ende ſeiner Regierung braen die Huſſitenkriege aus, 1419. Als dur den Märtyrertod Huſſens 1415, und ſeines Freundes Hieronymus 1416 zu Conſtans erbittert die zahlreien Anhänger ſeiner auf die Srift ſi gründenden Lehre die Anerkennung des wortbrüigen Kaiſers Maximilian I. als König von Böhmen verweigerten, bra der Aufſtand zunäſt in Prag los, der ſi bald über das ganze Land verbreitete. Es folgen eine Reihe ſwerer Kriegsjahre voll Grauſamkeit und Verheerungen. Da ſi die Oberlauſi zum Kaiſer hielt, fielen die huſſitiſen Heere zu wiederholten Malen in der Lauſi ein und riteten große Zerſtörungen und Verwüſtungen an. Zittau, als die näſtgelegene Stadt, wurde wiederholt arg bedrängt, Löbau wurde zweimal eingenommen und zerſtört, Bauen hart belagert, das härteſte Geſi betraf Lauban, das zweimal erobert und gebrandſat wurde. Das ſreliſte Jahr war 1429, wo Löbau faſt ganz eingeäſert, Bauen belagert, Kamenz erobert und verwüſtet wurde, wo Wittienau, das Kloſter Marienſtern und Biſofswerda geplündert, Zittau, Oybin und Görli bedrängt wurden. Eine Anzahl Ortſaften wurden niedergebrannt, die zum Teil nit wieder aufgebaut worden ſind.

Dur Uneinigkeit unter den Huſſiten ſelbſt gewann ſließli der Kaiſer Siegismund den Sieg über dieſelben, die im Jahre 1434 bei Böhmiſbrod gänzli geſlagen und zerſprengt wurden. Der Reſt hielt ſi als böhmiſe, mähriſe Brüder, von denen na bald drei Jahrhunderten die Gründung der herrnhutiſen Brüdergemeinde ausgegangen iſt. Na dem Tode Siegismunds im Jahre 1437 wurde ſein Enkelſohn Ladislaus König von Böhmen, der no ein Kind war, und für welen Georg Podiebrad die Regierung führte. Als Georg Ladislaus ſon 1457 geſtorben war, wurde der bisherige Statthalter Podiebrad zum Könige von Böhmen gewählt. Ihm gegenüber wurde ein Gegenkönig in der Perſon des Matthias Corvinus von Ungarn aufgeſtellt, dem die Oberlauſier als König huldigen mußten, ſo daß die Oberlauſi au eine Zeit lang unter der Krone Ungarns ſtand, bis ſie na dem Tode des Matthias 1490 wieder an Böhmen zurüfiel. Ihm folgte Wladislaus und na deſſen Tode im Jahre 1516 ſein 10jähriger Sohn Ludwig, unter welem die erſten Einflüſſe der Reformation ſi in der Oberlauſi geltend machten, und na deſſen im Jahre 1526 erfolgtem frühzeitigen Tode wurde der Gemahl ſeiner Sweſter, der Erzherzog Ferdinand von Oeſterrei, der Bruder des Kaiſers Karl V., zum König von Böhmen gewählt, der au ſpäter deutſer Kaiſer wurde. Was die Oberlauſi von ihm zu erwarten hatte, das ging ſon aus ſeiner Aeußerung hervor, als er bei der Huldigung um Beſtätigung der bisherigen Privilegien gebeten wurde, daß er erſt ſehen wolle, was in denſelben ſtehe. Wie ſein Bruder Karl V. war au er beſtrebt, die im Volke ſi raſ verbreitende Lehre Luthers in ihrer Entwilung zu hemmen, ja zu unterdrüen.

Die Oberlauſi nahm ſon frühe die neue Predigt der Geretigkeit aus dem Glauben an. In den Jahren 1520 ― 30 waren die Sesſtädte der evangeliſen Lehre zugefallen und hatten evangeliſe Prediger angeſtellt. Die Landgemeinden ſloſſen ſi an. Im Jahre 1581 wurde der Biſof von Meißen, unter deſſen geiſtlier Oberhoheit die Oberlauſi geſtanden hatte, bis auf den Zittauer Kreis, der na Prag gehörte, ſelbſt Proteſtant. Au die hohen Sulen, die in jenen Zeiten ſon in Blüte ſtanden, traten mit in die evangeliſe Bewegung ein.

Der König Ferdinand ſowohl wie au der Kaiſer konnten aber nit gegen die evangeliſe Bewegung auftreten, wie ſie moten, weil ſie dur auswärtige Kriege, namentli dur die Türkennot, an der Ausführung ihrer Pläne gehindert wurden. Son im Jahre 1531 hatten die Evangeliſen den ſmalkaldiſen Bund geſloſſen, und im Jahre 1546 und 47 kam es zum ſmalkaldiſen Kriege. Dieſer lief ungünſtig für die Evangeliſen ab, da der Kurfürſt von Saſen Johann Friedri der Großmütige, in der Slat bei Mühlberg geſlagen und gefangen genommen wurde, während ſi der Landgraf Philipp von Heſſen unterwarf und ebenfalls gefangen gehalten wurde. Der Herzog Mori von Saſen hatte dem Kaiſer beigeſtanden, trodem er Proteſtant war, wandte ſi dann aber gegen den Kaiſer, den er zum Paſſauer Vertrage 1552 zwang, auf welen dann 1555 der Augsburger Religionsfriede folgte, weler den Evangeliſen freie Religionsübung brate. Während dieſer Zeit aber traf die oberlauſier Sesſtädte ein furtbar harter, ſwerer Slag durch den König Ferdinand in dem ſogenannten Pönfalle, d. h. Straffalle. Beim Beginn des ſmalkaldiſen Krieges hatte der König Ferdinand der Oberlauſi verboten, dem Kurfürſten Johann Friedri beizuſtehen, dagegen die Anwerbung von Truppen befohlen, die das Kloſter Dobrilug in der Niederlauſi wieder aus der Gewalt des Kurfürſten befreien ſollten. Die Ritterſaft der Oberlauſi ſollte auf zwei Monate 1000 Reiter und der Städtebund 500 Mann ſtellen. Erſtere braen im Januar 1547 auf, der Städtebund hatte ſeine Leute der Sierheit im eigenen Lande wegen bis zum 25. Februar zurübehalten. Der König hatte gefordert, ihm die Truppen au na der Slat von Mühlberg auf fernere 2 Monate zu belaſſen. Ehe das Sreiben aber an die Sesſtädte gelangt war, waren die Truppen ſon auseinander gegangen. Der Zorn des Königs war groß. Die Sesſtädte erhielten Aufforderung, Abgeordnete na Prag vor den König zu ſenden. Zwölf Anklagepunkte waren gegen ſie aufgeſtellt. Es war ihnen der Rat erteilt worden, ſi dem Könige auf Gnade oder Ungnade zu unterwerfen. Dies geſah au, indem ſie glaubten, dur ihr vollſtändiges Unterwerfen den Zorn des Königs beſänftigt zu haben. Aber ſie hatten ſi getäuſt. Der König forderte die Abtretung aller Privilegien, die Auslieferung ſämtlier Geſüe und Munition, die Abtretung aller Güter und Bezahlung einer Strafe von 100 000 Gulden und Entritung einer Bierſteuer. Alle Vorſtellungen und Bitten halfen nits, und mit rüſitsloſer Strenge wurden alle Strafbeſtimmungen zum Sreen und Zorn der Bürger zur Durführung gebrat.

Der Verluſt der Sesſtädte war ein furtbarer, und man muß ſi wundern, daß tro der ſweren Strafen und der Verheerungen der Peſt in dieſer Zeit und der Abgaben infolge der Türkenkriege die Sesſtädte bald darauf beſtrebt waren, ihren verlorenen Beſi dur Ankauf von Gütern und Wirtſaften wieder zu ergänzen. So war es bei Bauen und Görli; Zittau kaufte Waltersdorf, Lüendorf, Hirſfelde, Rohnau, Dittelsdorf, während Löbau Ebersdorf, Oelſa und den Kottmarwald ankaufte. Gegen Ende des Jahrhunderts erwarb Zittau Ebersba mit Friedersdorf und den wüſten Wald, Giersdorf genannt.

Gegen Ende ſeiner Regierung zeigte ſi Ferdinand I. den Städten geneigter und ſute dur Verleihung von Geretſamen einigermaßen gut zu maen, was er ihnen dur den Pönfall für Saden zugefügt hatte. Ihm war es darauf angekommen, die Mat der evangeliſ gewordenen Städte zu breen. Als Ferdinand I. im Jahre 1564 geſtorben war, wurde ſein erſter Sohn Maximilian Kaiſer und au König von Böhmen, ein Mann, der den Evangeliſen wohlgeſinnt war, ja der ſelbſt Neigung gehabt hatte, evangeliſ zu werden, aus Staatsklugheit aber dieſen Sritt nit getan hatte. Unter ihm konnte ſi die Sae des Evangeliums nun ungehindert weiter verbreiten. Sein Nafolger Rudolf II. war es dann, der den gregorianiſen Kalender einführte und den Böhmen den Maje­ſtätsbrief gab, der ihnen freie Religionsübung zuſierte und den Proteſtanten wie den Katholiken verlieh. Die Oberlauſier Stände erhielten bei ihrer Bitte um gleie Rete die Antwort: Da ſie ſelbſt erkannten, wie ihnen bisher keine Bedrüung angetan worden, ſie au verſiert ſein ſollten, daß es in Abſit der Religion in demſelben Zuſtande bleiben ſolle, wie es beim Anfange ſeiner Regierung geweſen.

Unter dem Nafolger Rudolfs II., dem Kaiſer und König Matthias, bra der 30 jährige Krieg aus. Veranlaſſung zu demſelben gab die Verleung des Majeſtätsbriefes. Die Proteſtanten hatten ſi mehrfa zu beklagen, daß von ſeiten der höheren Geiſtlikeit ihre verbrieften Rete nit anerkannt würden. Man hatte den Bau einer evangeliſen Kire verhindert, und die Kiren zu Kloſtergrab und Braunau niedergeriſſen. Da zog, weil die gematen Vorſtellungen zu keinem Ziele führten, am 23. Mai 1618 eine Deputation der Evangeliſen na dem kaiſerlien Sloſſe Hradſin zu Prag, um mit dem königlien Statthalter ſelbſt zu verhandeln. Es kam zu einem heftigen Auftritte und bei demſelben wurden die königlien Räte Martiniz, Slavata und der Geheimſreiber Fabricius zum Fenſter hinausgeſtürzt, ohne dabei jedo das Leben zu verlieren. Das war der Anfang des 30 jährigen Krieges, der Unheil bringend ſi von Böhmen aus über Deutſland verbreitete. Der Kaiſer Matthias hatte ein Heer von 10 000 Mann na Böhmen geſendet, das aber geſlagen wurde, und als nun der Kaiſer im Jahre 1619 ſtarb und ſein Neffe Ferdinand, der von den Jeſuiten erzogen worden war und die Evangeliſen hart bedrüt hatte, König werden ſollte, da verweigerten die Böhmen ſeine Anerkennung und wählten ſi einen eigenen König in der Perſon des Kurfürſten Friedri V. von der Pfalz. Die Oberlauſi trat auf Seite der Böhmen und huldigte Friedri. Dieſer wurde von Tilly am 8. November 1620 am weißen Berge bei Prag geſlagen und floh, von der kaiſerlien At betroffen, na Holland. Bayern erhielt die Pfalz.

Der Kurfürſt Johann Georg I. von Saſen hatte auf Befehl des Kaiſers die Oberlauſi eingenommen, Bauen am 5. Oktober 1620 erobert und au die Niederlauſi gewonnen. Er bekam die Ober- und Niederlauſi als Pfand und nahm im Jahre 1621 zu Kamenz, weil Bauen faſt gänzli zerſtört war, die Huldigung der Stände entgegen und erklärte, die Evangeliſen ſüen zu wollen. Im Jahre 1623 wurde ihm, da der Kaiſer die Kriegsentſädigung von 6 Millionen Gulden nit bezahlen konnte, die Ober- und Niederlauſi als Pfand für längere Zeit zugeſproen. Nadem der Kurfürſt ſi ſpäter dem Swedenkönige Guſtav Adolf angeſloſſen, rüte er na den Siegen bei Breitenfeld und Lüen in Böhmen ein, eroberte Prag, mußte aber den Truppen Wallenſteins weien, weler Böhmen und die Oberlauſi wieder eroberte. Im Jahre 1634 vertrieb der Kurfürſt die Wallenſteinſen Truppen wieder, eroberte Bauen, das aber dabei dur Feuersbrunſt gänzli zerſtört wurde. Na der unglülien Slat bei Nördlingen ſloß der Kurfürſt im Jahre 1635 mit dem Kaiſer den Frieden zu Prag, in welem der Kurfürſt die Ober- und Niederlauſi erb- und eigentümli erhielt.

Damit hatte die Oberlauſi aufgehört, unter der Herrſaft der böhmiſen Könige zu ſtehen und war in einen bedeutenden Abſnitt ihrer Geſite eingetreten. Am 24. April 1636 fand die förmlie Uebergabe der Ober- und Niederlauſi in ſäſiſen Beſi zu Görli ſtatt, da Bauen no in Aſe lag. Die Huldigung fand am 8. Oktober 1637 ebenfalls zu Görli ſtatt. Infolge des Friedens­ſluſſes mit dem Kaiſer hatte nun Saſen viel von den Sweden zu leiden, au die Oberlauſi. Die Sesſtädte mußten 76 000 Taler Kontribution zahlen, erhielten ſwediſe Beſeung, au wurde Bauen na ſeinem Wiederaufbau nebſt der Ortenburg wieder niedergebrannt. Als ſi der Kurfürſt wieder mit dem Kaiſer verbunden hatte, wurde Görli belagert, beſoſſen und von den ſäſiſen Truppen eingenommen, au erlitt Zittau wiederholt von beiden Heeren große Beſädigungen. Na einem Waffenſtillſtande zwiſen Saſen und Sweden kam es dann endli zum Friedensſluſſe zu Münſter und Osnabrü, der dem Blutvergießen und der Kriegsunruhe ein Ende bereitete.

Da in die Zeit kurz na Beendigung des 30 jährigen Krieges die Gründung von Neugersdorf fällt, wollen wir die Geſite der Oberlauſi hiermit vorläufig beſließen, um eine kurze Vorgeſite von Neugersdorf zu geben.


Quelle: Chronik von Neugersdorf, bearbeitet von Carl Melzer, Pfarrer. 1903