A. Neugersdorf.
Dur den 30jährigen Krieg war die Oberlauſi, wele Jahrhunderte hindur mit der Niederlauſi und Slesien zum Königreie Böhmen gehört hatte, unter Kurfürſtli Säſie Herrſaft, alſo unter einen evangeliſen Landesherrn gelangt. Böhmen aber war unter der Oberhoheit des Kaiſers, damals Ferdinand III., alſo unter einem katholiſen Herrſer, verblieben. Na dem Grundſae: cujus regio ejusreligio, d. h. Wem das Land gehöre, deſſen Religion gelte au für die Untertanen, konnte nun die evangeliſ geweſene Oberlauſi au evangeliſ verbleiben, während Böhmen, deſſen Bewohner über ein Jahrhundert lang der evangeliſen Lehre zugehört hatten, wieder katholiſ werden ſollte. Es hat daher der Oberlauſi au in religiöſer Beziehung zu großem Segen gereit, daß ſie an Saſen gekommen iſt, ſonſt wäre au in ihr das aufgegangene Lit des Evangeliums wieder mit Gewalt ausgelöſt worden, und die Oberlauſi wäre ein katholiſes Land wie Böhmen, in welem do um des Evangeliums willen der 30 jährige Krieg zum Ausbru gekommen, und das zu neun Zehnteln ſeiner Bewohnerſaft evangeliſ geweſen war. Ueber Böhmen bra nun das Verhängnis herein. Wohl ſträubten ſi die Bewohner des Landes, daß in ihren Kiren wieder katholiſer Gottesdienſt eingeritet wurde, … aber die Widerſtrebenden wurden mit Gewalt dazu gezwungen. … Es fügte ſi eine große Zahl äußerli dem Zwange, während ſie im Geheimen zuſammen kamen und Hausgottesdienſte abhielten. Eine andere Zahl aber, wele treu bei ihrem evangeliſen Glauben beharren wollten, verließen ihre Heimat und wanderten in evangeliſe Lande aus.
Son während des 30jährigen Krieges haben ſi Auswanderer aus Böhmen na ſäſiſen Städten gewendet und neue Niederlaſſungen gegründet. So war die nach dem Kurfürſten Johann Georg benannte Stadt Johanngeorgenſtadt in jener Zeit entſtanden. Größer aber wurde der Strom derer, die um ihres Glaubens willen Heimat, Hab und Gut verließen, als die ſwere Zeit der Bedrüung dur die Gegenreformation eintrat. Orte, wie Neuſalza und Walddorf ſind damals gegründet worden, und au unſer Ort verdankt den glaubenstreuen Auswanderern ſeine Entſtehung. Wie die meiſten derſelben ſi in der Nähe ihres geliebten Heimatlandes Böhmen niederließen, ſo hatten au die erſten hieſigen Anſiedler die an das Böhmerland angrenzende Waldung ſi zu einer Wohnung auserſehen. Der wild empor gewaſene Wald entbehrte jeglier Kultur. Nur fanden ſi auf den ſumpfigen Stellen Wieſen vor, wele reilies Heu trugen. Von Rumburg aus führte ein Weg na Ebersba, weler wahrſeinli dur die frühere Vorderee, jet Albertſtraße, hindur gegangen iſt. An dieſem Wege haben ſi die erſten Anſiedler niedergelaſſen, und zwar in der Nähe des Büttnerborns, weler ein alter Ziehbrunnen geweſen ſein ſoll. Ob derſelbe no von dem erſten zerſtörten Gersdorf herſtammt, möte zweifelhaft ſein, da ſi dasſelbe nit ſo weit erſtret, ſondern eher auf dem Boden des ſpäteren Altgersdorf geſtanden hat … Fritſe nimmt zwar an, daß au auf der Flur des ſpäteren Neugersdorf das erſte Gersdorf geſtanden habe, weil in den Gründungsurkunden von Neugersdorf von alten Ziehbrunnen und alten ausgebohlten Waſſerlöern die Rede ſei, wele wieder hergeſtellt werden ſollten. In derſelben Gründungsurkunde heißt es aber auch: Desgleien auf der andern Seite des Brunnens, da vorhin (früher) dem Berit na das Dorf geſtanden haben ſoll. So iſt wohl anzunehmen, daß das alte Gersdorf nit bis zum Büttnerborn gereit hat, und dieſer wäre dana ein Brunnen für Vorüberziehende geweſen, die dort ihren Durſt geſtillt und ihr Vieh getränkt hätten. Den Büttnerborn nennt eine Urkunde einen Brunnen, daraus die Spree entſpringt, au ſeien verſiedene Nebenquellen vorhanden, ſo daß wir anzunehmen haben, daß das Waſſer von da aus abgelaufen und mit dem aus dem waldigen Boden kommenden vereint der Spree zugefloſſen ſei. Na Fritſe ſoll der Büttnerborn ſeinen Namen von einem Manne, namens Kubert, weler ein Büttner oder Bötter geweſen ſei, erhalten haben.

(Na einer gelegentli des 200jährigen Ortsjubiläums im Jahre 1857 geprägten Medaille.)
Dieſer habe an der Stelle, wo etwa die Roſenſenke jet ſteht, in den Jahren 1650 ― 55 eine kleine Senke und Krämerwirtſaft beſeſſen und an die Vorüberziehenden Lebensmittel und Getränke verkauft. Die Quelle für dieſe Narit iſt nit genannt, ſo daß ſie wohl wie manes andere in das Berei der Sage gehört … So viel ſteht aber feſt, daß die erſten Anſiedlungen in der Nähe des ſogenannten Büttnerborn
erfolgt ſind. … Die erſten Anſiedler ſtammten aus Rumburg, Ehrenberg, Oberhennersdorf, Georgenthal, Tollenſtein, Ober- und Niedergrund, Sönborn, Warnsdorf, alſo aus Grenzorten, und es war ſon im Jahre 1657 … eine große Anzahl von Auswanderern vorhanden, nämli 164 Mann, ungerenet Frauen und Kinder. … Die älteſten Namen, wele urkundli feſtſtehen, und den Käufen und Renungen aus jener Zeit entnommen ſind, ſind folgende: Berndt au Berndhardt, Franze, Tiee, Haußig, Herzog, Rudolph, Halang oder Halank, Hoffmann, Saſe, Seri, Hennig, Clemens, Künel (Kühnel), Rieſe, Römer, Wunderli, Seiler, Kleinmaß, Winkler, Palmann, Hölzel, Matthes, Wünſe, Fiedler, Poliſ, Zentſ, Tſenſ, Sindler, Häntſ, Häns, Häniſ, Stübner, Smiedt, Smidt, Bittri, Bitterli, Neumann, Sole, Bahni, Tempel, Hille, Wenzel, Rumpf, Dreßler, Oppelt, Dießner, Rabe, Got, Heſſe, Herwig, Röthig, Bräuer, Niel, Lauermann, Suſter, Grohmann.
Einige dieſer Namen ſind jet in unſerer Gemeinde nit mehr vorhanden, während ſi andere weit verzweigt haben. … Eine vollſtändige Ueberſit über die Namen der älteſten Bewohner ergeben die Kirenbüer, wele leider erſt mit dem Jahre 1700 beginnen. In denſelben ſind außerdem no folgende Namen zu finden, wele au zu den erſten Bewohnern mit gehören können, nur daß ſie ſi nit in den älteſten Urkunden vorfinden: Bundesmann, Söbel, Hoferiter, Müller, Menzel, Mai, Eihorn, Otto, Priebs, Porſe, Rieel, Clemenz, Hoffmann, Zumpe, Grüner, Bär, Bergmann, Seibt, Thumſ, Winkler, Reielt, Krauſe, Herbri, Hänel, Seifert, Aert, Hänſel, Klippel, Fröhli, Römer, Raphelt.
Die Anſiedlung hätte nit erfolgen können, wenn nit der Beſier des Gersdorfer Waldes, Graf Euſebius von Pötting, dazu geneigt geweſen wäre. Er ließ zunäſt in der früheren Vorderee Holz abſlagen, das teils zum Bauen neuer Häuſer verwendet, teils als Brennholz verklaftert wurde. So ſtanden ſon im Jahre 1657 at neue Häuſer vollſtändig fertig da, während 18 andere Häuſer aufgebaut, aber no nit ausgebaut und mit Bedaung verſehen waren. Die erſten 8 Häuſer waren ſon verkauft, die andern mit no unangekauften
Perſonen beſet. Die Häuſer hatte der Graf ſelbſt dur den Zimmermann Haußig bauen laſſen. Jede Bauſtelle war auf 180 Ellen Länge und 60 Ellen Breite abgeſtet, ſodaß ſie 10 800 Quadratellen groß war. Haus und Pla koſteten 52 Taler, wele zur Erleiterung das Ankaufs in 12 Jahren bezahlt werden ſollten.
Zu jedem Termin ſollten 4 Taler 8 Groſen entritet werden, dann ſollten 3 Freijahre folgen, ſodann aber ſollten die Beſier zu folgenden Leiſtungen verpflitet ſein:
12 Groſen Rauſteuer,
4 Groſen 8 Pfennige Erbzins,
4 Groſen 8 Pfennige Stuhl- und Handwerkerzins,
6 Tage Hofedienſte tun,
3 Klaftern Holz maen,
1 Stü klein Garn ſpinnen, dafür die Obrigkeit 2 Groſen Spinnerlohn giebt,
4 Groſen 8 Pfennige von jeder Kuh, die im Walde gehütet wird,
2 Groſen 8 Pfennige für den Graſezettel.
Wo das Holz auf einer Bauſtelle nit abgeſlagen war, wurde es mit verkauft in der Erwartung, daß aus demſelben das Haus gebaut und der Grund und Boden zu Aerland umgewandelt werde. Unter den im Jahr 1657 aufgebauten Häuſern befand ſi au ein Kretſam oder Gerit, wie es in der Urkunde heißt, daß oberhalb des Kretſambs der Brunnen ſei. Die Konzeſſion für den Kretſam zum freien Bier-, Wein- und Salzverkauf iſt am 13. März 1658 ausgeſtellt worden. Da der Graf von Pötting au das andere Stü, da vorhin das Dorf geſtanden und jet zur Safhütung gebraut wird,
abholzen ließ, damit Häuſer dorthin gebaut werden ſollten, ſo wurde auf einer zweiten Stelle mit der Anlegung des Ortes begonnen. Dies iſt in der früheren Hinteree geſehen. Die erſten Häuſer mögen wohl in der Mitte derſelben geſtanden haben.
Da die Auswanderer ihres Glaubens wegen ſi einen neue Heimat begründeten, ſo hatten ſie ſi bei ihren Grundherrn verſiert, daß ſie bei ihrem evangeliſen Glauben verharren konnten. Vom Hauptmann Otto zu Rumburg war ihnen die Zuſage gegeben worden, daß die Einwohner dieſes Dorfes Gerßdorff in die evangeliſe Kire zu Leutersdorf eingepfarrt ſeien und zu keiner andern Religion oder in andere Kiren, außer wem es ſelbſt beliebt, zu gehen genötigt werden ſollen. Es lag den Anſiedlern nahe, das Dorf mit dem Namen das neue Gersdorf
Neugersdorf zu benennen. Eine Urkunde ſagt: Der Gersdorfer Wald, ſo jezo wegen etlier neuerbauter Häuſer New Gersdorf genannt wird.
Die aus der Herrſaft Rumburg Entwienen blieben au na ihrer Ueberſiedlung na Neugersdorf Untertanen ihres Rumburger Grundherrn. Eine Anzahl war na anderen Orten gezogen und dadur der Herrſaft Rumburg verloren gegangen. Dem Grafen lag nun daran, daß dieſe wieder unter ſeine Herrſaft zurükehrten. Er wendete ſi darum an den Landvogt zu Bauen mit dem Erſuen, die Entwienen dur Landreiter einholen und zurübringen zu laſſen. Die Bewohner von Neugersdorf moten davon gehört haben und Gefahr für ſi und ihre Familienglieder vermuten. Sie riteten darum an den Landvogt in Bauen die Bitte um Abſrift der bisherigen Verhandlung und Grenzbeſitigungen zu ihrer eigenen und ihrer Nakommen Sierheit. In dieſem Sreiben vom 8. Januar 1658 legten ſie dagegen Verwahrung ein, daß ſie Emigranten, d. h. Auswanderer wären, ſie nennen ſi … vorſälierweiſe vertriebene arme Leute
. Sie gaben die mannhafte, glaubenstreue Erklärung ab, daß ſie ſi, no ihre Kinder und Geſinde in keine Leibeigenſaft oder ins böhmiſe Gebiet gehörende Orte zwingen laſſen würden, ſollten ſie glei in äußerſte Armut gehen, ſoweit als ihre Füße ſie tragen könnten.
Im Jahre 1660 wiederholte ſi das Erſuen des Hauptmanns Otto, der eine Liſte von 22 Perſonen aufgeſtellt hatte, wele wieder auf Rumburger Gebiet zurügebracht werden ſollten. Bei der Landvogtei zu Bauen waren aufgrund eines Berites der Rumburger Herrſaft Zweifel entſtanden, ob ſo viel Menſen, als von Böhmen ausgewandert ſeien, au auf dem Gebiete des Gersdorfer Waldes entſpreende Nahrung und Beſäftigung finden könnten. Es fand eine Beſitigung der Oertlikeit ſtatt, das Urteil aber lautete ziemli ungünſtig. Trodem wurde am 16. Oktober 1658 von dem Amtshauptmann zu Bauen die Bewilligung ausgeſproen, daß die Beſiedelung erfolgen könne. Die Bewohner ſollten ſi als treue Untertanen gegen ihren Grundherrn erweiſen.
Was nun die Perſönlikeit des Grafen Pötting betrifft, ſo iſt ja ſelbſtverſtändli, daß es ohne ſeine Förderung und Mitwirkung nit zur Gründung des Ortes gekommen wäre, und daß darum Neugersdorf ihm ein dankbares Angedenken ſuldig iſt. Das aber möte do ausgeſloſſen ſein, daß ſeine Bereitwilligkeit zum Aufbauen des Ortes aus der Rüſit hervorgegangen ſei, den Evangeliſen zu helfen, ihres Glaubens in einem andern Lande ungeſtört weiter leben zu können. Er ſute vielmehr die evangeliſen Bewohner ſeiner Rumburger Herrſaft, wele um ihres Glaubens willen ihre Heimat verlaſſen wollten, auf ſeinem kurſäſiſen Gutsbezirke, der ihm ſoeben als Lehen zugeſproen worden war, feſtzuhalten. Auf dieſe Weiſe erhielt er ſi ſeine Leute, … gab ihnen Häuſer, Grund und Boden und nute dadur den neuen Beſi, weler ihm zugefallen war, vorteilhaft au für weitere Zeiten aus. In jener Zeit der Gewaltmaßnahmen und Bedrüung der Evangeliſen wäre unter einem andern Grundherrn wohl ſwerli ſoles Verfahren angewendet worden, wie es der Graf Pötting gegen die erſten Anſiedler von Neugersdorf ausübte, da er den neuen Anſiedlern vollſtändige Freiheit zur Ausübung ihres evangeliſen Glaubens gelaſſen hat.