Auszüge aus der Melzer-Chronik 1903

📜️
Zierornament

2. Kapitel

Vorgeſichte von Neugersdorf.

 


 

Auf dem Grund und Boden, auf welchem unſer jeiges Neugersdorf aufgebaut iſt, ſtand ſon in früheren Jahrhunderten ein Dorf. Der Name desſelben wird verſieden geſrieben, Gersdorf, Giersdorf, Gierßdorf, Gerisdorf, Girstorff, Gernesdorf, Gherhardesdorpp uſw. Die einfaſte iſt von Gero, dem Slavenbändiger unter Kaiſer Otto I., während die Ableitung von Gerhard ebenſo beretigt iſt. Den Namen Gersdorf tragen viele Orte, ſo gab es auch neben dem unſrigen no zwei andere in der Oberlauſi, Gersdorf bei Kamenz und Gersdorf bei Görli. Es iſt deshalb aus dem Zuſammenhang zu erſehen, weles Gersdorf gemeint iſt, wenn es in älteren Urkunden erwähnt iſt. Die älteſte Urkunde iſt datiert vom 7. Mai 1241, ſiehe Köhler, Codex dipl. superioris 1,61. Die Oberlauſier Grenzurkunde heißt:

Item de burguardo Dolgavitz, ab eo loco, ubi confluunt Lubotna et Ostruzniza ad defluentem in Oztnyzam, Ryuum Peztaw et ortum ejus. Abinde in semitam Betozcaziza et in montem Jelanyeogera. Abinde in ortum Camenize et per decursum ejus usque ad distintctionem Zagost et Budesin. Abinde in ryuum, qui Sprewa dicitur et defluit per Gerardisdorf — Gerhartsdorf — Gerhardesdorf et decursum ejus usque ad antiquam stratam contra Jaworik.

Dieſer lete Sa, in welem über die Grenze geſagt iſt: Von da na dem Fluſſe, weler Spree genannte wird und dur Gersdorf abwärts fließt und na deſſen Weiterlaufe bis zur alten Straße gegen Jawornik (Jauerni). Dana kann nit unſer Gersdorf gemeint ſein, dur weles ja au die Spree nit hindurflißet, ſondern das Gersdorf bei Görli. Dorthin weiſt uns die alte Straße contra Jaworik, au Lubotna, Löbauer Waſſer, Ostruzniza, die Neiße bei Oſtri, ortus camenize, der Kemni­urſprung, dann aber kann auch unter Sprewa nit unſere Spree gemeint ſein, ſondern der Schöps.

Eine weitere Urkunde vom 1. Mai 1306, in weler die Markgrafen Otto und Woldemar von Brandenburg 20 Dörfer im Lande Budiſſin zur Stadt Löbau ſlagen, ſo daß ſämtlie Bewohner dieſer Dörfer alles Ret vor dem Gerite der Stadt nehmen und geben ſollen, beſagt: Constare volumus etc. apponimus civitati subscriptas, videlicet Gherardesdorpp, Eversbach, Khotmersdorpp, Heinrikesdorpp, Sconenbuch, Lube, Levenwald, ambas Sweynicz, ambas Conradesdorpp, ambas Theesyn, Uelsen, antiquam Lobaviam, Dibesdorpp, Neechan, Luchowe, Uwer et Gorghewicz. Hier ſteht Gherardesdorpp mit Ebersba, Kottmarsdorf, Seifhennersdorf u. dergl. zuſammen, ſo daß kein Zweifel iſt, daß hier unſer Gersdorf gemeint iſt.

Eine weitere Urkunde vom 15. Juni 1355 ſagt, daß dem Biſof von Meißen die ecclesia parochialis in Cunewalde mit allen Nuungen gehören ſolle bis auf das jus patronatum in Gersdorf, weles dem Kapitel in Bauen verbleiben ſoll. Hier iſt wohl au ein anderes Gersdorf gemeint, um ſo mehr, da unter den 8 Sien des Bauener Decanates, wele dem Biſof zu Meißen unterſtehen, Gersdorf nit mit aufgezählt wird, ſiehe Köhler Cod. dipl. 1, S. 383 ― 85: Unter dem Sie Lobaw ſind genannt: Ecclesia ibidem cim filialibus Lottmasdorf et Lawalde, Kittlitz, Hermannsdorf, Bertelsdorf, Strahwalde oder Strawenwalde, Ebersbach, Jergiswalde, Spremnerg, Oppach, Schönbach, Heinrichsdorff.

Aus dieſen im Jahre 1346 ſtammenden Beſtimmungen ſeint ſogar hervorzugehen, daß unſer Gersdorf damals no keine Kire gehabt hat. Na einer Narit aus der Herzogsronik ſoll eine ſole im Jahre 1344 gebaut worden ſein, eine andere Kunde beſagt, daß bei einem Baue in der Nähe der jeigen Berndtſen Fabrik, wo die erſte Kire geſtanden haben ſoll, eine Wetterfahne mit der Jahreszahl 1414 aufgefunden worden ſei. … Sie ſoll das Jahr des Kirenbaues bezeinet haben. Wäre dies der Fall, dann hätte die Kire nit lange geſtanden, denn ſon im Jahre 1429 iſt der Ort und die Kire von den Huſſiten zerſtört worden. Darüber ſind verbürgte Nariten vorhanden. Der erſte Pfarrer Möller hat in das erſte Kirenbu im Jahre 1668 folgendes eingetragen: Nadem dur göttlie Verleihung die allhier von den Huſſiten vor mehr als 200 Jahren nehmli Anno Chriſti 1429 eingeäſerte Kire zu Alt-Gierßdorf aus dem Grunde wieder neu aufgebaut worden iſt uſw. Ferner heißt es in einem Berite des Hoff-Riters Caspar von Reenberg vom 4. Dezember 1657: Auf der anderen Seite, da vorhin dem Berit na das Dorf geſtanden haben ſoll, wie man no etlie rudera (ſonderli wo die Kire geweſen, die auf des Rathes von der Stadt Zittaw Grund und Boden geſtanden) ſiehet. Sodann lautet eine Narit aus dem Söppenbue von 1747: Demna im Jahre 1418 dieſes Dorf Alt-Gerßdorff bei der damaligen großen und ſweren Kriegsunruhe gänzli eingeäſert, abgebrannt und ruiniert und zerſtört worden, daß kein einziger Menſ mehr allda wohnen und bleiben können, ſo iſt der liebe Orth herna auf die zwei hundert und neun und dreißig Jahre lang ganz Oede und Wüſte geweſen und eine Wohnung der wilden Thiere geworden, maaßen alles mit Holz und Gebüſe bewaſen geweſen, daß au kaum einige Rudera oder Merkzeien, wo vorhin die lieben Kiren geſtanden hat, zu finden geweſen.

Na dieſen Beriten ſind die Jahre 1429 und 1418 als Jahre der Zerſtörung Gersdorfs bezeinet. Das erſtere wird das ritige ſein, da im Jahre 1418 die Huſſiten ihre verheerenden Einfälle in die umliegenden Länder no nit unternommen hatten. Unter den manerlei Werken über die Huſſitenkriege au na den neueſten genaueſten Forſungen iſt nun keins vorhanden, das die Zerſtörung unſres Gersdorf dur die Huſſiten beritete. So ſagt au Peſe in ſeiner Geſite der Stadt Zittau 2. S. 511 nur: Es kamen Huſſiten von Gitſin bis an das Zittauer Gebirge, namentli bis Alt-Gersdorf, wo ſie au 1429 die Kire verwüſtet haben ſollen. Daß im Jahre 1429 die Huſſiten Löbau und mehrere Dörfer geplündert haben und am 16. November bei Kraau von der Zittauer Bürgerſaft geſlagen worden ſind, wird uns beritet. Vielleit iſt dabei die Zerſtörung Gersdorfs erfolgt. Was weiter erzhält wird, gehört dem Berei der Sage an … [mehr …]

So beritet die Herzogsronik, daß an einem Sonntage, als die Bewohner Gersdorfs zum Frühgottesdienſte verſammelt geweſen ſeinen, plöli Trommelſlag und Waffengetöſe dur das Dorf laut geworden ſei. Alle hätten erſret gerufen: Die Huſſiten ! Der Huſſitenführer, na der einen Narit der ſwarze Cico, na einer anderen Procop der Kleine, habe die Kire, in wele ſi bei 400 Menſen geflütet hätten, anzünden laſſen. Da ſie zuerſt nit habe brennen wollen, ſeien über 200 Pekränze auf das mit Sindeln gedete Da geworfen worden, und als die Bewohner das brennende Gotteshaus hätten verlaſſen wollen, ſeien ſie mit Gewalt hineingetrieben worden und darinnen elendli verbrannt.

… schließen

… Soviel iſt aber ſier, daß vor unſerm jeigen Neugersdorf ein Dorf Gersdorf beſtanden hat, das von den Huſſiten zerſtört worden iſt. Der Grund und Boden iſt ſodann wüſte liegen geblieben, ſo daß diter Wald im Laufe der Jahrzehnte, ja Jahrhunderte darauf emporgewaſen iſt.

Wie über das erſte Gersdorf, ſo finden ſi au tro eifrigen Suens und Forſens keine ſieren geſitlien Nariten über die  Lampelburg  vor. Dieſe ſoll in der Gegend geſtanden haben, wo ſi jet die Gebrüder Hoffmannſe Fabrik befindet. Sie kann ſelbſt­verſtändli keine Höhen-, ſondern eine Waſſerburg geweſen ſein, unzugängli dur das um ſie her befindlie Waſſer, das ſi jet no dort in den umliegenden Teien vorfindet. Die Burg ſoll eine Raubritterburg geweſen ſein, die natürli wegen der Untaten der Bewohner in der ganzen Umgegend gefürtet und gehaßt worden ſei. Ihren Namen ſoll ſie von dem Erbauer und erſten Burghauptmann Bodo von Lampel erhalten haben, der 1148 bei einem Angriffe der Zittauer auf die Burg gefallen ſei. Na der Zerſtörung dur die Sesſtädte ſoll ſie ein Herr von Sleini wieder aufgebaut haben, zur Zeit der Huſſitenkriege und der Zerſtörung des Dorfes ſoll Nicol von Warnsdorf Beſier der Burg und des Dorfes geweſen ſein.

Hier ſei au der ſogenannten Renkerſen Fehde gedat. Heinri Renker, weler das Gut Tzſoa am Quais beſaß, hatte dem Ritter Berka von der Duba auf Hohnſtein wegen einer Suldforderung einen Fehdebrief zugeſendet und zog plündernd in das hohnſteiniſe und böhmiſe Gebiet. Bei dieſem Raubzuge 'huben ſie am Dienſtag vor Pfingſten 1419 das Dorf Jerigiswalde off und ſtrumten zu dem Hofe zum Böſengerisdorff, ou peten ſie czween powirhöfe zu Rupersdorff und treben das genommene Vihe hin ken Soaw'. Unter dem böſen Gerisdorff hat man unſer Gersdorf mit der Lampelburg verſtanden, es kann au, wenn au unter Jerigiswalde nit Georgswalde, ſondern Sirgiswalde gemeint ſei, nit gut ein anderes Gersdorf verſtanden ſein, als das unſrige, das mit dem Namen des Böſen wegen der Untaten der gefürteten Raubritter belegt worden iſt. Au die Erwähnung des Dorfes Ruppersdorf drängt zu dieſer Annahme. So wäre dieſe Renkerſe Fehde gewiſſermaßen ein geſitlier Anhalt für die Exiſtenz des Hofes oder der Burg zu Gersdorf. Eine weitere Narit erhalten wir aus Carpzovs Ehrentempel, Kap. 7, S. 214/15. Dort heißt es: Von der Wieſe aber, darauf die Spree entſpringt, iſt zu wiſſen, daß ſie eine wüſte Dorfſtätte des vormals daſelbſt geſtandenen und im Huſſitenkriege verwüſteten Dorfes Gersdorf geweſen, in welem ein Sloß geſtanden, deſſen Rudera Herr Chriſtoph von Sleini ab­breen und zum Mühlenbau zu Hennersdorf in Seifen hat verwenden laſſen. Man kann aber dieſe Narit nit als eine geſitlie Quelle bezeinen, denn Carpzov hat im Anfang des 18. Jahrhunderts gelebt, Chriſtoph v. Sleini hat Seifhennersdorf und Gersdorf bis 1580 im Beſi gehabt, während die Lampelburg 1429 zerſtört ſein muß. … Die Trümmer ſind lange Zeit unbenut liegen geblieben, bis ſie zum Bau einer Mühle in Seifhennersdorf vom damaligen Grundherrn verwendet worden ſind.

Wenn die geſitlien Quellen ſweigen, ſo tritt die Sage um ſo lebendiger hervor, wele na der Herzogsronik hier Aufnahme finden möge. Die ganze Gegend gehörte den Rittern auf Tollenſtein, wele Berka von der Duba hießen. Dieſe erbauten ein Sloß, weles mit einem See umzogen war. Auf der Burg lebte ein Hauptmann, weler alle Monate ſeinem Gebieter auf Tollenſtein Renung ablegen mußte. Er hieß Bodo von Lampel. Keinen Wanderer ließ er unbeſtohlen vorüberziehen. Wenn ein Zug Kaufleute von Löbau kam, ſo ſtete man auf der Lampelburg eine rote Fahne heraus. Im Jahre 1148 verlor Bodo von Lampel bei einem Angriff der Zittauer ſein Leben. Ihm folgte der viel grauſamere Ruppret von Ziegenſtein. Der lete Burghauptmann hieß Kaspar von Ziegenſtein, ein ſol grauſamer und verwegener Mann, daß er die Kaufleute der Sesſtädte bis an die Mauern verfolgte. Aller Handel und Wandel lag darnieder. Die Sesſtädte beſloſſen daher, die Lampelburg zu zerſtören. 400 Leute belagerten ſie drei Woen lang, bis ſie ſi ergeben mußte. Alles mußte über die Klinge ſpringen und das Sloß wurde der Erde glei gemat. Lange Zeit blieb es wüſte liegen, bis es die Tollenſteiner wieder aufbauten. Einer der Sloßherren wohnte ſelbſt hier und gab ſeinen Dienſtleuten Bauſtellen, ſo daß bald ein Dorf entſtand, das den Namen Giersdorf na einem Hoffräulein Adelgunde von Giersdorf erhielt. Im Jahre 1244 wurde die erſte Kire gebaut, wele 200 Sritt gegen Morgen vom Sloſſe ſtand. Das Dörfen blieb mit diem Buſ umgeben, und kein Bewohner wagte ſi tief hinein, weil viele Bären, Eber, Wölfe und wilde Kaen darin ihr Weſen trieben, im Winter oft in das Dorf kamen und großen Saden anriteten. Im Jahre 1433, an einem Sonntage im Auguſt, als die Leute beim Gottesdienſte in der Kire verſammelt waren, entſtand ein großes Geſrei: die Huſſiten ! Ein Anführer derſelben war ins Dorf gedrungen, der ſwarze Cico. Er hatte die Lampelburg zur Übergabe aufgefordert, und da man ſi geweigert, ſo entſtand ein ſrelier Kampf. Die Huſſiten blieben Sieger. Alles wurde niedergemat, das ganze Dorf niedergebrannt und die Lampelburg ſo zerſtört, daß ſie nit mehr aufgebaut werden konnte. Der ſwarze Cico ſpra einen Flu aus, weler ſo lange auf der Stätte ruhen ſollte, bis ein Gläubiger von Huß ſie wieder aufbauen werde. So die Herzogsronik.

Soweit die älteſten Nariten aus dem Königlien Staatsariv zu Dresden zurüreien, waren die Herren von Warnsdorf Beſier von Gersdorf. Zur Zeit der Huſſitenkriege wird Nicol von Warnsdorf zu Gersdorf geſeſſen genannt. Dieſer beſaß au Hainewalde und Waltersdorf. Leteres verkaufte er im Jahre 1419 an die Stadt Zittau. … Na der Zerſtörung Gersdorfs wohnte er in Hainewalde. In der Folgezeit werden die Beſier von Hainewalde au mit Gersdorf belehnt. Der Beſi beider Orte ging Ende des 15. Jahrhunderts an Hans von Mauſwi über. Als dieſer 1516 geſtorben war, gelangte Hainewalde und Gersdorf infolge von Vereinbarung der fünf Brüder von Mauſwi in den Beſi von Hans und Martin. Dieſe aber verkauften ſon im Jahre 1527 beide Dörfer an Tile Knebel, einem aus dem Erzbistum Magdeburg ſtammenden Edelmann, weler im Jahre 1545 kinderlos ſtarb. Das Lehen fiel nun wieder an die Lehenshand, den König von Böhmen, Ferdinand I., zurü, weler es 1546 an Ullri von Noſti auf Ruppersdorf verkaufte. Im Jahre 1578 wird Chriſtoph von Sleini mit Niederhennersdorf in Seiffen ſamt dem Stüe Holz, der Gersdorf und was ſonſt wüſt Gersdorf genannt wird, belehnt.

So waren die Herren von Sleini, wele einen dreizehn und ein halb Quadratmeilen umfaſſenden Grundbeſi hatten, das Sleinier Länden, weles vom Tollenſtein bis na Sluenau reite, au Grundherren von Gersdorf geworden. Dieſe verarmten aber und verkauften oder verpfändeten ihre großen Beſiungen. Die beiden Güter Oberfriedersdorf und Ebersba, zu welen das wüſte Gersdorf gehörte, waren an Eliſe geb. Gräfin von Sli, die Gemahlin des Friedri von Sleini auf Warnsdorf, gelangt. Dieſer verkaufte nun dur ihren Vormund Ehrenfried von Mingwi mit Zuſtimmung ihres Ehegatten die Dörfer Oberfriedersdorf, Ebersba ſamt dem Walde, Gersdorf genannt, im Jahre 1597 für 15 000 Thaler an die Stadt Zittau. Der Kaufbrief darüber lautet folgendermaßen:

Kaufbrief über Eber$bach und Frieder$dorf, den 28. Februar
Anno 1597. pro 15000 Thaler.

Ich, Friedrich Herr von Schleinitz auf Warn$dorf pp. vor mich und den Wohlgeborenen Herren, Herren Ehrenfried von Mingwitz, Freiherr zu Mingwitzburg pp. Röm. Kaißlerl. Majestät Appelation$rath im Königreich Böhmen pp., anstatt und in Vormundschaft meine$ geliebten Gemahl p. vor Un$, Unseren Erben, Erbnehmern und Mit-Belehnten.

Bekennen und thun kund hiermit öffentliche, wie daß Wir mit wohlbedachtem Muthe und Rath Unsere beiden Dörfer Eber$bach und Frieder$dorf sammt dem Walde, den Gir$dorf genannt, im Markgrafthum Oberlausitz gelegen in allen alten Rainen, Grenzen und Lochten mit desselben Ein- und Zugehörungen, mit der Mannschaft und Unterthanen, Kirch-Lehn, mit den Erb- und Ober-Gerichten, Zinnßdiensten, Wiesen, Teichen und Teichstätten, Pächen, Wilden, Fischereyen, Wassern und Wasserläuften, Mühlen und Mühlstätten, Kretscham, Weiden, Huttungen, Sträuchern und Püschen zusammt dem Beylasse, vermöge eine$ besondern hierüber aufgerichteten Verzeichniß und allen andern Nutzungen Ein- und Zugehörungen, Rechten$ und Herrlichkeiten nicht$ hiervon au$geschlossen, allermaßen wie ich und mein Gemahl dieselben innen gehabt, genossen und gebraucht, genüße und gebrauchen hatte möge.

Den Ehrenfesten, Ehrbahren und Weisen N. Bürgermeister und Rathmannen der Stadt Zittau und gantzen Gemeinde daselbst in einen erblichen, beständigen, unwiderruflichen und zu ewigen Zeiten wehrenden Kauff, Lehn$weise hingelassen und verkaufft umb eine genannte Summe Gelde$ al$ Fünfzehn Tausend Thaler.

Darauf Sie un$ alsobald baar au$gezahlt und verreicht Eilftausend Einhundert zwei und Neuntzig Thaler 22 ngl. 11½ Pf., deren Wir Sie auch hiermit quitt, frei ledig und lo$ sage.

Der hinterstellte Rest aber soll Un$ sobald Wir Ihnen die Dörffer in Lehn verschaffen, und der Ritter Dienste, auch anderer Schuldt-Posten so auf dem Guthe hafften, und der landbräuchlichen Gewehr halben Richtigkeit machen, gegeben und verrichtet werden.

Hierrauf Wir Ihnen nach beschenen Kauff und der Röm. Kaißl. Majt. Unser$ allergnädigsten Herren$ besondere Ratification und de$ Königlichen Amt$ Belehnung obbemeldete Dörfer Eber$bach und Frieder$dorf samt dem Walde und die Unterthanen, angewiß, in gegenwärtige Eide$-Pflicht al$ ihr Eigenthum abgetreten und in Ihre und Ihrer Nachkommen Poseßruhiglichen gesetzt und gegeben.

Ueberreichen und treten Ihnen auch hiermit wissentlich und in Krafft deß Briefe$ obbemeldete Dörfer samt dem Walde ab, dieselben al$ Ihr wohlerkauffte$ Guth mit allen Ihren Rechten und Gerichten Inn- und Zugehörungen zu genüße und zu gebrauchen und damit Ihre$ Gefallen$, wie mit Ihren wohlerkaufften Guthe zu gebahren.

Von Un$ und männiglichen ungehinderte Urkunde, und steter, vester unverbrüchlicher Haltung haben Wir Unsere angebohrere Petschafte hiervor gedrucket und un$ mit eigenen Händen unterschrieben.

Act. den 28. February Anno Christi Funfzehn hundert und Sieben und Neuntzig.

(L. S.)Friedrich Herr von Schleinitz.
Mpp.

(L. S.)Ehrenfried von Mingwitz.
Mpp.

Im Königlien Hauptſtaatsariv findet ſi folgender Extrakt:

Item Herr Friedrich, Herr von Schleinitz und seine Gemahlin haben die Gutter Oberßbach und Frieder$dorf sambt dem Walde, der Ger$dorf genannt, wie derselbe in diesem Markgrafenthumb Oberlaußniz gelegen, an Kirchenlehen, Erb- und Obergerichten, Kretzschmarn doch mit denen in der Cayserlichen Conformation befindlichen Reservaten und solche$ alß ein Lehen mit aller Lehenßgerechtigkeit sein und bleiben, auch alle gewöhnlichen Mitleidungen mit den Landstande zu jederzeit tragen sollen, jedoch an Lehen. Volgen Dienste und alt den Rath zu Zittau verkauft und in Lehen reichen lassen.

Actum Budißin, den 18. März 1599.   Abrahamb.

Der Wald aber, der Gersdorf genannt, welen Zittau gekauft hatte, war nit mehr der geſamte Grund und Boden, weler zu dem erſten Gersdorf gehört hatte, ſondern nur der zu dem ſpäteren Altgersdorf gehörende Teil, das ſogenannte Forweg (Vorwerk), der andere Teil, auf welem dann ſpäter Neugersdorf aufgebaut worden iſt, war kurz vorher an einen anderen Grundherren gekommen. Wahrſeinli haben die Sleinie in ihrer Geldnot dieſen Teil verkauft gehabt. Es iſt alſo ein folgenſweres Ereignis geworden, das für drei Jahrhunderte die größte Bedeutung erlangt hat, als im Jahre 1588 ein Stü Wald, der Gerßdorf genannt, an Mehlen von Ströli, Vize-Kanzler in Böhmen und damals Inhaber der Herrſaft Rumburg abſonderliverliehen wurde. Dieſe Tat­ſae iſt der Grund geworden, daß zwei Ortſaften auf dem früheren Gersdorf entſtanden ſind.

Ueber dieſen Teil des Gersdorfer Waldes iſt viel Streit geführt worden. Der an Georg Mehlen von Ströli verliehene Wald wurde im Jahre 1597 wegen einer ausgeklagten Schuld Herrn Siegfried vom Promni adjudiciert, zugeſprochen, von dieſem aber dem Prager Bürger Lorenz Starken im Jahre 1603 abgetreten. Eine Toter des Georg Mehlen von Ströli war nun an einen Martin von Maxen verheiratet, dem auf den Gersdorfer Wald Ehegelder zugeſiert worden waren. Vom Rate der Verordneten von Land und Städten zu Prag wurde nun im Jahre 1604 zu Ret erkannt und im Jahre 1605 von kaiſerl. königl. Majeſtät beſtätigt, daß Starke die vertagten Steuern zu entriten und die Suldforderungen des Maxenſen Eheweibes zu befriedigen habe. Starke ſeint aber ein ſlauer, geriebener Mann geweſen zu ſein, weler die Belehnung nit naſute, die Steuern und Suldforderungen nit entritete, die Herrſaft Rumburg aber nebſt dem Gersdorfer Walde an Radislaus den älteren von Chini für 3104 So Meißniſ nebſt Regulierung der zu zahlenden Ehegelder verkaufte. Na dem Tode Radislaus den Aelteren ging der Beſi des Gersdorfer Waldes an deſſen Erben Wilhelm von Kinsky und Tettau über. Da nun der Fiskal ſon von Lorenz Starken her Anſprüe erhob, ſo hatte au Radislaus die Belehnung mit dem Gersdorfer Walde nit nageſut. Als nun Wilhelm von Kinsky Beſier geworden war, hatte ſi die Salage dur den Ausbru des 30jährigen Krieges geändert. Der Kurfürſt Johann Georg von Saſen hatte dem Kaiſer beigeſtanden, die Lauſi erobert und dieſelbe als Pfand für verlegte Kriegskoſten zugeſproen erhalten. So wendete ſi denn Wilhelm von Kinsky an den Kurfürſten Johann Georg um Belehnung mit dem Gersdorfer Walde, zuerſt im Jahre 1622 und dann 1624. Es wurde aber von der Belehnung Abſtand genommen, weil die Verhältniſſe mit dem Fiskal no nit geordnet ſeien, beide male aber wurde vom Kurfürſten dem Freiherrn von Kinsky wegen nageſuter Belehnung Recognition erteilt. In Abſrift möge hier das älteſte auf den Gersdorfer Wald ſi beziehende amtlie Sriftſtü beigefügt ſein:

Ich, Adolf von Ger$dorf auf Guttborn, Ruhland, und Radewitz, de$ Markgrafthum$ Oberlausitz Lande$-Hauptmann und Ober-Ampt$verwalter c., hiermit urkunde und bekenne, daß der Wohlgebohrene Herr, Herr Wilhelm Freiherr von Khin$ky und Tettau auf Töplitz, Neuschloß Camniz, Röm. Kaiserl. Maj. Kämmerer und Oberster Jägermeister im Königreich Böheimb umb Belehnung de$ von seinem Vetter, dem Weiland auch Wohlgebohrenen Herrn, Herrn Radi$lawen, den elteren, Freiherrn von Khin$sky und Tettau, auf Neuschloß Töplitz, Röm. Kaiserl. Maj. Rath, al$ Käufern der Herrschaft Rumburg, auf ihn gefallenen Ger$dorfer Walde$ und dazu gehörigen Wiesen, Lehden, Hutungen und Gräsereyen, so im diesem Markgrafenthumb immediate gelegen, und zu bemeldeter Herrschaft Rumburg gehörig Ansuchung gethan, und aber wegen der Kais. Maj., unsere$ allergnädigsten Herren und von Lorenz Starken angeregten Wald und pertinentien verschwiegener Lehen halber mit einlaufender Interesse dieser Zeit Bedenken eingefallen, dannenheer die Belehnung anjetzo und zu diesem Mahle in effectu und würklichen nicht erfolgen können, daß soll dieser Verzug wohlermelten Herrn von Kin$ky zu keinem praejudicio, schaden und nachtheil gereichen, sondern auf höchstermelter Sr. Kais. Maj. oder der Böhmischen Kammerordnung angeregte würkliche Belehnung, Oberamt$bräuchlicher Gewohnheit, und diese$ Marggrafenthumb$ privilegien nach, gebürlich erfolgen, Innmaßen ich dann zu desto besserer de$ Herrn von Khin$ky assecuration, ihnen diese Recognition nach zu rechter anversaumbter Zeit beschehener Muthung unter meinen obgedachten Lande$-Hauptmann$ und Ober Ampt$verwalter$ gewöhnlichen Ampt$ Siegel und eigener Handunterschrift mit zu theilen nicht unterlassen wollen, Signatum auf dem Königl. Schloß zu Budissin den 27. Septembri$ Anno 1622.

Im Jahre 1634 wurde Wilhelm von Kinsky ermordet und Katharine von Stubenberg bittet für ihre minderjährigen Mündel, die Söhne Wilhelm von Kinskys, um einſtweilige Benuung des Gersdorfder Waldes. Unter dem 20. Januar 1635 wurde für die Gräfin von Kinsky geb. Terzſkin von der Lippe von dem Oberamtsverordneten Merad von Pliskowi ein Mutzettel ausgeſtellt, na welem die Rete auf den Gersdorfer Wald anerkannt wurden. Aber ſon das Jahr vorher, 1634, hatte Kaiſer Ferdinand II. die Kinskyſen Erben wegen ſwerer Felonie (Treubru) ihres Vaters der Succeſſion (Nafolge) für verluſtig erklärt. Wilhelm von Kinsky war nämlich als Verräter mit Wallenſtein in Eger ermordet worden. Der Kaiſer verlieh nun die Herrſaft Rumburg und den Gersdorfer Wald an den Oberſt von Löbel, Freiherrn zu Grünberg, Herrn auf Dörsdorf und Rumburg. So treten denn nun zwei Parteien mit ihren Anſprüen auf den Gersdorfer Wald hervor, die Kinder des Wilhelm von Kinsky und na dem Tode des Oberſt von Löbel, deſſen Kinder, vertreten dur Hans Möller in Wien. Es war ſon im Jahre 1636 dem Oberſt Chriſtoph von Löbel wegen nageſuter Belehnung eine Rekognition ausgefertigt, 1638 hatte Katharina von Stubenberg in Vormundſaft der unmündigen Brüder Kinsky gegen dieſe Belehnung Widerſpru erhoben, worauf ihr für ihre Mündel auf kurfürſtlien Befehl ein Indultſein (Erlaubnisſein) ausgeſtellt wurde. Von da an zieht ſi der Streit in die Länge, ohne daß eine Entſeidung getroffen wird. Die Löbelſen Erben wendeten ſi an den Kaiſer Ferdinand III. um Fürſprae. Dieſer verwendet ſi au unter dem 31. Juli 1651 von Wien aus in einem Sreiben an den Kurfürſten für die Löbelſen Kinder. Es wird ein Termin angeſet, zu welem keine von beiden Parteien erſeint. Ein neuer Termin am 19. Dezember 1651 iſt ebenfalls erfolglos. Die Löbelſen Erben wenden ſi, um in den Beſi des Gersdorfer Waldes zu gelangen, an das Oberamtsgerit zu Bauen, an den Kurfürſten, und nomals an den Kaiſer. Dieſer ſreibt im September 1656 wieder an den Kurfürſten und empfiehlt Beſleunigung des Verfahrens. Die kurfürſtlie Entſeidung wird no in demſelben Jahre gefällt, wele alſo lautet:

„Da noch vor der erblichen Tradition der beiden Markgrafentümer Ober- und Niederlausitz solcher Wald nebenst der Herrschaft Rumburg von der damaligen Römisch Kaiserlichen Majestät, al$ selber Zeit noch Eigentum$herrn, denen Löblischen Erben erb- und eigentümlichen eingeräumt worden, so sind wir nunmehro bei solcher Bewandniß gnädist zufrieden, daß mehrbesagte Löbelsche Erben mit dem benannten Stück Walde$ beliehen werden. Dafern die Grafen von Kinitz Sie de$ wegen Anspruch$ zu erlassen nicht gemeinet, Sie jeder Zeit vor Unserem Oberamt stehen und antworten sollen.

Dre$den, den 30. Dezember 1656.

Johann Georg, Kurfürst.

Hauptstaat$archiv Loc. 98 Nr. 214.

[Am 30. Dez. 1656 entschied der Kurfürst.]

Damit war der lange Streit entſieden. Der kurfürſtlie Spru hielt daran feſt, daß der Kaiſer 1634 über den Gersdorfer Wald verfügt, während der Kurfürſt erſt im Jahre 1635 die Herrſaft über die Lauſi erb- und eigentümli angetreten habe, deshalb ſei den Löbelſen Erben und nit den Kinskyſen der Beſi des Gersdorfer Waldes zuzuſpreen. Die Herrſaft Rumburg, wele unter des Kaiſers Oberhoheit ſtand, war ſon ſeit der Konfiskation der Kinskyſen Güter dem Oberſt von Löbel und ſpäter deſſen Erben verliehen, nur ſwebte der Streit um den auf Oberlauſier Grunde belegenen Gersdorfer Wald. Gerade zur reten Zeit war jener kurfürſtlie Urteilsſpru erfolgt, denn nunmehr hatte der Gersdorfer Wald, an welen ſi die Geſite der Gründung Neugersdorfs knüpft, einen retlien Herrn erhalten. Der Kurfürſt hatte am 10. März 1657 befohlen, ein Retsverfahren in dieſer Angelegenheit anzuſtellen, und ſon am 21. März 1657 erfolgte die Erb-Verreiung (Uebergabe) an die Löbelſen Erben. Es hatte nun Franz Euſebius Graf von Pötting, Kaiſerlier Oberſt und Hofmarſall, eine Löbelſe Toter geheiratet. Die Erben waren dahin überein gekommen, demſelben die Herrſaft Rumburg und den Gersdorfer Wald erb- und eigentümli zu überlaſſen, und ſo erlangte no im Jahre 1657 genannter Graf von Pötting die Erb-Verreiung des Gersdorfer Waldes.

So lagen alſo damals die grundherrlien Verhältniſſe, als es dur die religiöſen Streitigkeiten jener Zeit zur Gründung der beiden Orte Alt- und Neugersdorf kam. Der Wald Giersdorf war dur Kauf im Jahre 1597 in den Beſi der Stadt Zittau gelangt mit Ausnahme des im Jahre 1588 abgetrennten, an Georg Mehlen von Ströli beſonders verliehenen Teiles, weler … im Jahre 1657 dem Grafen Franz Euſebius von Pötting zuerkannt wurde. Auf dem erſteren Grund und Boden, das Ebersbaer Vorwerk genannt, iſt Altgersdorf aufgebaut worden, auf dem leteren Neugersdorf. Die Stadt Zittau iſt daher Grundherrin über Altgersdorf, die Rumburger Herrſaft über Neugersdorf geworden.


Quelle: Chronik von Neugersdorf, bearbeitet von Carl Melzer, Pfarrer. 1903