Burg und Kloster Oybin

Die Kirchenbauten.

2. Die Kirche.

Das Eingangsportal im Spitzbogen ist mit kleiner Schneppe und fein gegliedertem Sockel. Das Profil (Fig. 156) zeigt einen kantigen Birnstab. Um den Bogen legt sich ein Wasserschlag mit stark beschädigter Oberfläche, die früher wohl mit Krabben geschmückt war. Ueber der Spitze des Bogens liegt eine jetzt verputzte Nische für die ausgebrochene Kreuzblume. Das Tympanonfeld ist jetzt ausgebrochen. Da ein geschneppter Bogen im Böhmen wohl schwerlich vor 1400 angetroffen wird, so scheint dieses Portal später eingesetzt oder doch wenigstens der ehemalige Schluſsstein im 15. Jahrhundert gegen den jetzigen ausgewechselt worden zu sein.

Fig. 154 u. 155. Oybin, Kirche, Türen zu den Kapellen

Die erste und zweite Tür zwischen Schiff und Kapellen sind wie Fig. 154 und 155. Die Tür der kleinen Wendeltreppe ist rundbogig; die, welche vom Kirchturm zu einem kleinen logenartigen Raume führte, hat scheitrechten Sturz auf Eckkonsolen im Viertelkreis, genau wie die beiden Türen, die vom Schiff der Apollinariskirche in den Turm führen. Die Kante des Türrahmens ist bei beiden Türen abgefast. Jener logenartige Raum muſste beim Durchbruch des Umganges hinter der Kirche beseitigt werden.

Die Fenster der Kirche sind vier-. nur im Chorpolygon zweiteilig. Des Felsens wegen sitzen die Fenster auf der Südseite höher als auf der Nordseite (Taf. V.)

Tafel V. Oybin, Nordansicht der Klosterkirche.
Fig. 164. Oybin, südlicher Obergaden.

Der die Fenster führende Obergaden ist nicht durchgehend in gleicher Stärke ausgeführt. Auf der westlichen Hälfte der Kirche ist nämlich das Traufgesims mit einem Bogenfries (Fig. 171) verziert und die Mauer um den Vorsprung desselben geschwächt. In diesem Teil des Obergadens und im Chorpolygon sind die Fensterleibungen glatt abgeschrägt, in den übrigen Fällen ist die Abschrägung noch halbkreisförmig ausgekehlt.

Die noch vorhandenen Maſswerke zeigen die Figuren 157 bis 163. Soweit sie sich mit Sicherheit ergänzen lassen, ist dies durch gestrichelte Linien geschehen. Auffallend Schlecht paſst das Maſswerk Fig. 158 in den Leibungsbogen. Es ist ferner bemerkenswert durch Vorherrschen des in der Prager Schule so beliebten Rundbogens im Maſswerk. Noch schlechter paſste das Maſswerk Fig. 157. Es konnte nur durch Abspitzen des Leibungsbogens eingesetzt werden, da seine lichte Weite 17 cm zu groſs war. Das gegenüberliegende Fenster hat dasselbe Maſswerk. Auch der Querschnitt weicht bei diesem Maſswerk von dem der Figuren 158 bis 160 ab. Die Glieder sind feiner, der Hauptstab ist abgerundet. Immerhin muſs das Maſswerk für die Kirche gearbeitet sein, da die mit der Mauer aufgeführten Fenstergewände den sich im Maſswerk wiederholenden Querschnitt haben. Dasselbe ist bei den übrigen drei Fenstern mit glatter Abschrägung der Fall.

Da diese von der übrigen verschiedene Bildung des Maſswerks mit der abweichenden Form der Fensterleibung, der Schwächung der Mauer und der Ausführung des Bogenfrieses unter dem Sims zusammenfällt, muſs wohl auf einen Wechsel in der Bauleitung geschlossen werden. Daſs zwischen der Ausführung der östlichen und dieser westlichen Hälfte der Kirche längere Zeit verflossen sei, ist aber unwahrscheinlich, da das Mauerwerk beider Teile gleichmäſsig ohne Absatz zusammengeht und auch stilistisch der eine Teil nicht jünger als der andere erscheint.

Abweichend ist auch Profil und Charakter des Maſswerks der lanzettförmig schlanken Fenster im Chorpolygon (Fig. 161–163.)

Fig. 165. Oybin, Rippenprofil der Gewölbe.

Das Rippenprofil der Gewölbe im Schiff ist wie Fig. 165. Im Chor tritt an Stelle der beiden Kehlen ein kleiner Rundstab und Birnprofil. Im Oybiner Museum befindet sich ein Teil eines Schluſssteins aus dem Schiff, der 1829 beim Räumen des Kircheninnern gefunden wurde: Auf ursprünglich ca. 45 cm groſsem Schild der doppelt geschwänzte böhmische Löwe in flachem Relief, ganz wie die verschiedentlich am Prager Dom vorkommenden heradlischen Löwen. Auch bei Ausgrabungen zwischen Kirchenruine und Friedhof wurde der Rest eines Schluſssteins gefunden (Fig. 166), dessen Profil (Fig. 167) dem der Rippen im Chor ähnlich ist.

Fig. 166. Oybin, Rest eines Schlußsteins.

Ueber runden Wanddiensten laufen die Rippen im Schiff in das Profil Fig. 169 zusammen, dem im Chor Fig. 170 entspricht. Die runden Dienste sind verschieden lang, enden aber alle hoch über dem Fuſsboden. Auf der Südseite des Chores sind sie zu abgerundeten Konsolen verkrüppelt.

Fig. 167. Oybin, Profil zu Fig. 166.

Das Profil des Triumphbogens (Fig. 168) zeigt die lebhafte und kontrastreiche Gliederung der Schule des Prager Doms. Nördlich läuft das Profil auf der stark verwitterten Abschrägung des Kämpfersimses aus. Hierunter setzt das in Fig. 168 unten eingezeichnete eigenartige weiche Profil mit anschlieſsendem Eckdienst an, das endlich in den glatt abgekanteten Schaft übergeht. Der Eckdienst hört in Kämpferhöhe unvermittelt auf, und darüber nimmt ein jetzt stark verwitterter polygonaler Sockel das Rippenprofil auf. Dem Verbande nach kann nicht angenommen werden, daſs dieser Sockel später eingefügt wurde. Die bis zur Unkenntlichkeit verwitterten Teile sind in Fig. 168 durch Strichelung angedeutet.

Eine ähnliche Abweichung von der normalen Bildung zeigt auch der anders gestaltete südliche Bogenaufstand (Fig. 153). Das Bogenprofil steht auf einer 18 cm hohen, gegen das Profil abgedachten Platte, und diese unvermittelt auf dem hier im Grunndriſs rechtwinkligen Käpfersims.

Der nach Osten zu etwas ansteigende Kirchenfuſsboden hatte einen Belag von quadratischen Steinplatten, der zum Teil noch erhalten ist.

Der Chor (Taf. VI) ist um zwei Stufen über das Schiff erhöht. Drei weitere Stufen führen zum Hauptaltar, dessen Unterbau noch vorhanden ist. Im Schiff liegen vier Nebenaltäre, zwei in den östlichen Ecken, zwei an den Langseiten, von den letzteren sind nur noch Spuren zu erkennen.

Auf der Südseite des Chores befinden sich in den Felsen gearbeitet eine groſse stichbogige Nische für Sedilien und zwei kleine Vertiefungen. Eine kleine, zierlich ausgearbeitete Nische liegt ebenfalls an der Südseite des Schiffes, wohl vom Ende des 15. Jahrh.

Zwei blaue Weihekreuze, auf den Putz gemalt, sind an der Südseite des Schiffes, eins an derselben Seite im Chor neben dem Rriumphbogen. Ueber den Kreuzen im Schiff sind Spuren aufgemalter Sprüche; über dem einen Kreuz ist nur noch ein ℱ erkennbar, über dem anderen Angel … thuj … Ih . s, im Charakter schwankend zwischen Fraktur und lateinischer Kursivschrift, wohl dem Ende des 15. oder Anfang des 16. Jahrhunderts entsprechend.

Unter dem Triumphbogen ist auf jeder Seite ein Balkenlager für den Balken eines ehemaligen Triumphkreuzes. Letzteres stürzte erst 1741 herab. (Lange, Chronik vom Oybin, Manuskript S. 48.)

Das Gewölbe der westlichen Empore war in Backstein ausgeführt, nur die Stirnseite von Haustein. Trommelstücke des achteckigen Pfeilers stehen noch im Schiff. Die Formziegel in den Gewölbeanfängern haben dasselbe Rippenprofil wie die vom Gewölbe vor der Kirche. Das Emporengewölbe gehört also wie dieses erst dem Ende des 15. Jahrhunderts an. Ueber dem Gewölbe liegen zahlreiche Balkenlager. Vielleicht befand sich zuerst nur eine Holzdecke hier. Daſs von vornherei eine Empore angelegt war, ist wahrscheinlich, da auch die Apollinariskirche in Prag eine solche hat und sie überhaupt bei einschiffigen böhmischen Kirchen die Regel bildet.

In der Nordwand über der Empore befindet sich eine Nische. Von der kleinen Wendeltreppe aus führte ein Tür auf die Empore. Auch diese Tür scheint erst später ausgebrochen.

Aeuſserlich umzieht die Kirche ein Sockel mit gotischem Karniesprofil. Mehrfach gegliedert ist der Sockel auf der Südseite.

Fig. 172. Oybin, Kirche, Sakristei.

Die Form der Strebepfeiler war wie in den Figuren 145–153. Die Eckstreben weichen zum Teil stark von der Winkelhalbierenden ab. Auf der Südseite sind die Pfeiler der geringeren Höhe wegen schwächer. Der Kopf der Pfeiler ist teils glatt, teils mit einfachem Blendmaſswerk geschmückt (Fig. 171). Das Traufgesims zeigt gleichfalls Fig. 171. Der Bogenfries befindet sich darunter wie erwähnt, nur auf der westlichen Hälfte der Kirche. Die Bögen sind nahezu rund; zwischen zwei Bögen sieht man eine Lilie, ganz in der Art solcher Bogenfriese in der Wenzelskapelle des Prager Domes.

An der Auſsenseite der kleinen Wendeltreppe liegt eine Nische für ein Heiligenbild. Der obere Teil dieses vorspringenden Treppentürmchens ist zerstört und die Oeffnung in Bruchsteinmauerwerk zugesetzt.

Der eigentliche Kirchturm ist unten rechteckig und geht oben ins Achteck mit anschlieſsendem Strebepfeiler über.

Ueber dem untersten Fenster auf der Westseite des Turmes liegen zwei Kragsteine. Auf der angrenzenden Seite sind oben eine Tür und darunter zwei Auflager für die Kragsteine eines Austrittes. Am Fuſse des Turmes auf dem Felsen liegt ein kleiner Mauerrest. Auf der Südseite des Turmes beobachtet man eine Verzahnung des Mauerwerks. Auch der über die Simsabdeckung der Kirche hinausragende Teil des Turmes zeigt Verzahnungen in Richtung der anstoſsenden Kirchenmauern. Wahrscheinlich schloſs sich auf der Westseite ein Giebel an den Turm an.

[nach Angaben der „Beschreibenden Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen.“
29. H.: Amtshauptmannschaft Zittau. 1906.]

Einen sehr schönen Eindruck kann man sich durch die Panoramaaufnahmen verschaffen bei: www.panoramaburgen.de

Oybin, Profile des Westtores der Kirche.