II. Entſtehung, Name und Erweiterung des Ortes bis zur heutigen Zeit.
Was zunäſt die erſte Entſtehung Neu-Gersdorfs anlangt, ſo iſt … nöthig, zu unterſuen, ob die Annahme, daß da, wo jet dieſes Dorf … ſteht, no nie ein Anbau geweſen, au wirkli begründet, oder bloße Vermuthung ſei ? Wir behaupten entſieden, es haben au da, wo jet NG. ſteht, ſon Häuſer geſtanden, wenigſtens in der Vorderee … Es ſagt nämli:
1) unſre authentiſe Gründungsurkunde: wenn hier ein Ort erbauet werden ſoll, ſo müſſen die altenzerfallenen Ziehbrunnen wieder geräumet und die alten ausgebohlten Waſſerlöer wieder hergeſtellt werden. …
2) fand man auf der Berghutung bald na Anlegung des Dorfes ritige Aerbeete und darinnen mehrere alte Stüe von eiſernen Aergeräthen …
3) bewies man au ſon von Bauen aus, als ſi Neu-Gersdorf na dem Beiſpiele Alt-Gersdorfs 1839 ſteuerfrei zu erklären verſute, daß da, wo dieſer Ort jet ſteht, au früher ſon ein ſoler geſtanden habe, der na Rumburg Grundabgaben und Robotdienſte und an den Staat Steuern entritet und geleiſtet hatte, weshalb alſo au NG. bei der Vertheilung der Steuerentſädigungen 1844 keine Vergütungen erhielt.
4) hatte Alt- und Neu-Gersdorf bekanntli ja ſonſt Ein und dieſelbe Herrſaft, und der Grundherr hatte da, wo das Haus des verſtorbenen ſogenannten Barentmaers Wünſe in NG. ſteht, einen Meierhof, zu welem von der Lampelburg in AG. aus einen Saaftreibe gegangen iſt, was au dur eine Sage beſtätigt wird. Man erzählt nämli no heute, daß, als die Huſſiten das bei dem Meierhofe befindlie Wohnhaus zerſtört hätten, eine hoſwangere Frau, um dem Feuertode zu entgehen, mit einem Kinde auf ihrem Arme vom Boden aus zum Heuloe hinuntergeſprungen, aber von den wilden Kriegern unten mit Spießen aufgefangen und zu Tode gemartert worden ſei.
5) hat ſi bis zum Anfange dieſes Jahrhunderts in Eybau eine Narit erhalten, die da ſagt, es habe Gersdorf um den ganzen Berg herum geſtanden; es ſei ein Ringeldorf mit Wieſe und Wald in der Mitten geweſen und habe 300 Häuſer gehabt, die ſi von der einen Seite zur andern herumgezogen hätten.
Obſon nun auf das Letere weniger Gewit zu legen ſein dürfte, ſo kann uns do gewiß das Erſtere beſtimmen, zu glauben, das alte Gersdorf habe die Ringlinie der beiden jeigen Dörfer gebildet. Man könnte freili fragen: Iſt es denn aber au mögli, daß man an der Stelle, die ſon bewohnt geweſen, einen ſo wüſten, dien Wald finden konnte, wie es 1657 hier der Fall war ? Allein dieſem Einwurf kann man wohl hinreiend begegnen, … daß in einer Gegend, wo ſo viele friſe Quellen ſi befinden, in einer Zeit von bald 240 Jahren wohl ein ſehr hoher, dier Buſ heranwaſen kann, weler gewiß ſoglei von dem Grundbeſier, an den der ganz Grund und Boden wieder zurüfiel, gehegt wurde.
[Es folgen Abschriften der sich auf die Gründung von Neu-Gersdorf beziehenden Urkunden.]
Aus dieſen Sriften, ſo unverſtändli und unklar au beim erſten Durbli ihre Sprae und ihr Styl erſeinen mag, erſehen wir do, daß die erſte derſelben vom 8. Januar 1658 eine Eingabe und ein Geſu der neuen, aus unſern böhmiſen Nabarorten emigrierten Anbauer, oder ritiger Ankäufer, deren 8 bereits ſon Wohnſi genommen hatten, an den Landvoigt enthält, worin ſie 1) um eine Copie von dem Protokolle bitten, das bei Beſitigung und Umgehung des Waldes und der Flur Neu-Gersdorfs aufgenommen worden und dann um die Erlaubniß anſuen, ſi hier niederlaſſen zu dürfen. Dieſe Srift iſt unterm 15. Januar 1658 abgeſendet worden; es iſt nur ſehr zu bedauern, daß ſelbſt auf der Originalurkunde die Unterſriften der Supplicanten fehlen. Die nun auf dieſelbe erfolgte Reſolution geht dahin, daß der Hofgerits-Notar den Bittſtellern eine Copie ertheilen ſoll. Dieſen Beſeid hat jedo nit der Hr. Landvoigt ſelbſt, weler damals auf längere Zeit in Dresden war, ſondern der damalige Oberamts-Hauptmann zu Budiſſin gegeben. Die nun den Petenten zugefertigte Copie ſagt uns, na dem Originalprotocoll vom 27. November 1657, daß der Hofriter zu Budiſſin, Caſpar von Reienberg auf Uhne, ſi mit einer Commiſſion in den Gerßdorffer Wald begeben ſollte, um über 10 fraglie Punkte Erörterungen anzuſtellen, was denn au dahin geſehen, daß er einige darin aufgeſtellte Bedenken, die gegen Aufbauung eines Dorfes waren, au wirkli begründet fand, ſo daß denn au die Anſiedlung für den Augenbli problematiſ blieb. Da indeſſen aber die Rumburgiſen Amtleute einige günſtigere Privtberite na Bauen geſit haben moten, ſo wurde au ſon am 4. December deſſelben Jahres die Verwilligung zu dieſem, von dem gräflien und katholiſen Grundherrn ja ſelbſt gewünſten und begonnenen An- und reſp. Fortbau ausgeſproen.
…
Den Sluß dieſes Actenſtües bildet die Beglaubigungsclauſel des Hofgerits-Notars Mildner vom 15. Januar 1658.
Die 2. Schrift iſt verſtändlier und enthält zwei Befehle und Ermahnungen des Amtshauptmanns G. F. v. Gerßdorff an diejenigen Herrſaften, in deren Ortſaften ſi böhmiſe Exulanten befanden, um ſole auszuliefern, ꝛc. ꝛc., denen zu Gersdorf aber ſolle erlaubt ſein, hier zu bleiben ꝛc.
In welem Jahre nun aber das erſte Häusen eigentli erbaut worden, ob dies ſon 1656 oder erſt im Sommer 1657 geſehen, kann man genau nit herausfinden. Der erſte förmlie Kauf jedo iſt vom 4. November 1657, an welem Tage Abraham Bernhardt oder Berndt, weler au der erſte Riter geweſen, von dem Grafen Pötting ſein Haus um 52 Thlr. acquirierte. Am Tage der commiſſariſen Beſitigung aber waren bereits ſammt einem Kretſam 26 neue Häuſel angelegt, von denen einige ſon fertig und 8 bewohnt, hingegen die andern zum Theil no unausgebaut, unbelattet und no unbewohnt waren. Die fertigen Häuſer wurden denn nun au ſoglei alle verkauft und die übrigen beſete der Hr. Graf mit unangekauften
Perſonen. Dieſe Häuſer waren in der Nähe eines Brunnens, aus dem die Sprew komme
. Dieſer Brunnen iſt nun natürli kein anderer, als der Büttnerborn (ſ. AG.), und hat ſeinen Namen von einem gewiſſen Kubert, der ein Büttner geweſen. Dieſer Kubert, deſſen Geburtsort i leider nit habe ermitteln können, war jedenfalls der erſte Anſiedler, indem er ſi da, wo jet die Roſenſenke ſteht, ſon in den Jahren 1650 ― 55 eine kleine Senk- und Krämerhütte unweit der dur den Wald führenden Straße *) erbaute und an die Reiſenden und Fuhrleute allerhand Lebensmittel, Bier und Brandwein verkaufte. Da dieſer Kubert nun der erſte geweſen, weler aus der über ſeinem Häusen liegenden Quelle ſein Waſſer geholt, ſo nannte man dieſelbe, nadem er ſie ſoweit vorgeritet hatte, einen Born, und zwar den Büttnerborn, und um dieſen und um ſein Häusen herum ſind nun die Häuſer entſtanden, wele der Hr. Graf dur den erſten hieſigen Zimmermann Haußig aus Ehrenberg, von dem unzweifelhaft unſre Haußig'ſen Familien abſtammen, erbauen laſſen.
Die Größe und Beſaffenheit der zu dieſen Häuſern nöthigen Bauſtellen, den Kaufpreis für eine Häuslerſtelle, die Bezahlungsweiſe des Kaufgeldes und der Abgaben beſreibt das angezogene Protokoll ganz deutli. Hier iſt nur no dazu zu bemerken, daß ein Gartengrundſtü mit Haus und Feld 70 Thlr. koſtete und daß der erſte Kretſam, der ſon den 13. März 1658 förmlie Conceſſion zu freiem Bier-, Wein- und Salzſank erhielt, auf dem Hille'ſen, jet Wilh. Herzog'ſen Gartengrundſtüe Nr. 231/230 ſtand.
Zu den erſten Häuſern gehörten au die Albrecht'ſen Häuſer Nr. 232/240 und 230/229, das Riezel'ſe Nr. 303/243, Reielt'ſe, Wünſe'ſe und au oben das Bundesmann'ſe Haus Nr. 283/177 u. ſ. w.
Die Bewohner dieſer erſten Häuſer wurden, als evangeliſe Chriſten, na Leutersdorf in die Kire gewieſen; aber jedenfalls na Eybau begraben, da in Leutersdorf no kein ſtändiger Pfarrer war, weshalb no heute der Weg beim Gruſ- Kramer vorbei auf Thomaß' in AG. zu, der Kirſteg heißt. **)
Als man nun eine ziemile Anzahl Stellhäuſer in der Vorder-Ee erbaut hatte, (denn Auehäuſer gab es, außer der Roſenſchenke no keine, und au dieſe wurde nur deshalb ein ſoles, weil das Feld davon zu Riezels Hauſe kam), ſo ging man nun au in die derſelben gegenüber liegende Ee, die Hinteree, da der Hr. Graf au drüben
den Wald hatte abſlagen laſſen.
Und ſpäter wurde au der große Raum in der Mittelee zum Behufe einer Viehhutung abgeholzt, wele der Gemeinde zur Nunießung angewieſen wurde.
Die erſten Häuſer in der Hinteree waren … diejenigen, wele jet dem Weber Otto (Nr. 58/59), dem Geritsälteſten Got (Nr. 56/65), dem Weber und Kramer Klippel (Nr. 23/24), Gruſe'n, dem Pfarrersſohne Ettmüller (Nr. 55/66) u. ſ. w. gehören. Nadem ſi nun dieſe und jene Ee na oben und unten hin weit genug ausgebreitet hatte, entſtanden die Berghäuſer, 1719 die Mittelee, zulet aber die Lange Wieſe und die Buſhäuſer, mit Ausnahme des Klippel'ſen Freihauſes, weles mit zu den älteren gehört.
… muß i mi nur darauf beſränken, no anzugeben, daß bis zum 29. Februar 1719 bereits 181 Grundſtüe, nämli 32 Garten-, 120 Häusler- und 29 Auhäuslernahrungen entſtanden waren, wie eine Gemeinderrenung von dieſem Tage beſagt, na weler 29 Thlr. 14 gGr. 6 Pf. Einnahmen und 20 Thlr. 15 gGr. 2 Pf. Ausgaben auf das Jahr 1718 gekommen ſind. Au läßt ſi vermuthen, daß dieſe Grundſtüe damals alle ſon mit Wohnungen überbaut geweſen ſind, da eine der Gründungsakte beigegebene Specification 164 böhmiſe Exulanten, ohne Weiber und Kinder, naweiſt und do 1718 blos 19 Inwohner in NG. waren.
Als etwas Intereſſantes iſt hierbei anzuführen, daß unter den Kindern, die damals mit ihren Eltern eingewandert ſind, ſi au der ſiebenjährige Johann Chriſtoph Herzog befunden hat, deſſe Leienſtein, als der älteſte auf unſerm Kirhofe, no heute neben der mittleren Thüre der Neu-Gersdorfer Seite an der Kirmauer befindli iſt. Dieſer Herzog war nämli geboren den 21. November 1650 und ſtarb 1715 den 20. Februar 65 Jahre alt. Es iſt dies … der Erbauer der Herzogmühle und Stammvater dieſer jet ſo ausgebreiteten, ſehr atbaren, angeſehenen Familie.
Um die Zeit von 1719 war es au, daß das Areal der Mitteldorfhutung urbar gemat und mit einigen Häuſern bebaut wurde, die man die Mittelee nannte, woſelbſt AuguſtGots Haus Nr. 98/120 das älteſte ſein dürfte, während Guſtav Herbri's Gebäude 100a./347, weles erſt in Hewalde ſtand und dort abgetragen und … hier aufgebaut wurde, das jüngſte iſt. Von der Hutung dieſer Ee haben die Familien Hut-Herbri und Hut-Hänſbis heute no dieſen Beinamen.
Daß dieſelbe früher der Gemeinde überlaſſen geweſen, iſt ſon erwähnt worden. Hier will i nun no ſpeciell bemerken, daß der Fürſt v.Lietenſtein mittels Tauſkaufs vom 20. Juni 1719 dieſelbe zurünahm, um für die neuen Bewerber um Bauſtellen Grundſtüe abſteen zu laſſen, indem Er dagegen der Gemeinde die obere Hutung anwies, die bei der ſogenannten, ungemein großen Grenzeie neben Roſers Hauſe in der Sießgaſſe begann und bis zur langen Wieſe herum an den Beerberg ging …
Da wo ſi die ſogenannten Fünfhäuſer befinden, weler Pla ebenfalls zu dieſer Hutung gehörte, hat lange Zeit nur Ein Haus geſtanden, nämli das, weles jet dem Häusler Karl Auguſt Got , sub Nr. 201/237, gehört. Dieſes Haus war zuerſt eine Bleie, die auf Veranlaſſung des erſten Kaufmanns und Leinwandfactors Bürholdt erritet wurde. Zu dieſer Bleie gehörte das ganze Areal zwiſen den Garten- und Hausgrundſtüen der Vorder- und Niederee. Eingegangen iſt ſie um das Jahr 1750 …
Die lete Vermehrung ſeiner Grundſtüen und Häuſer erhielt NG. im Jahre 1849, als die große, ſöne, faſt 25 Aer umfaſſende Berghutung urbar gemat wurde. Von dieſer Hutung erhielt die Gemeinde 1719 eine Fläe von 14 Aer 297 □ Ruthen und 9 Aer 289 □ Ruthen behielt der Fürſt bis zum J. 1842, wo ſie mitteſt Ablöſungs- und Senkungsurkunde vollends an die Gemeinde überging, die von da an auf die Waldhutung für immer Verzit leiſtete. Im J. 1849 wurde die Hutung parcellirt und zuglei au mit 25 Bauſtellen bedat, wele an der nördlien und öſtlien Seite ſi befinden. Das erſte Haus daſelbſt, weles am 11. September 1849 gehoben wurde, erbaute Johann George Hille, und das lete, weles 1854 gehoben und 1855 bezogen wurde, erbaute Benjamin Zentſ; erſteres hat Nr. 114 b. und leteres iſt no unbenummert.
Da nun aber der Termin herankam, wo jeder Wirth als Mitnießnuer dieſer Hutung die mit den 25 Acquirenten abgeſloſſenen Kaufverträge oder ritiger die desfallſige Vollmat im März 1851 unterſreiben ſollte, ſo leiſteten 8 Wirthe dieſer Aufforderung nit Folge, weshalb ein Proceß entſtand, der bis heute no nit zu einer definitiven Entſeidung geführt hat, ſo daß die Käufer jener 25 Stellen jet no nit als Beſier eingetragen ſind.
Dur den Verkauf dieſer Stellen wurde au ein Gemeindevermögensfond gegründet.
Ebenſo hat au die Gemeinde von 1807 bis zum J. 1817 einen bedeutenden Proceß mit dem Fürſten von Lietenſtein unter dem Oberamtmann Smidt: 1) wegen der neuen Hutung von 25 Seffeln, wele der Fürſt zurübeanſprute, und 2) wegen der Hofetage; weler Proceß die Gemeinde gegen 2500 Thlr. koſtete, aber von ihr deshalb gewonnen wurde, weil dieſelbe dieſen Grund und Boden länger als 31 Jahre 6 Woen und 3 Tage als Hutung benut hatte.