… an Kloppereien auf dem Schulhof kann ich mich kaum erinnern, obwohl bestimmt nicht alles „friedlich“ zuging. Verglichen mit heute war unser Schulalltag harmlos.
Grundschullehrer
Die ganz Kleinen hatten je einen Klassenlehrer und dieser unterrichtete alle Fächer. Unserer hieß Frau Zaunick, war klein, dick, streng (im Sinne von gerecht) und eine Seele von Mensch. Ihr einen Streich zu spielen, darauf wäre keiner von uns je gekommen.
Dafür hatte sie umso mehr Ärger mit mir. Die Zahlen bis 20 schon beherrschend, einfache Texte schon lesen könnend wurde ich eingeschult. Entsprechend leicht fiel mir anfangs jeder Stoff und mein Langweilen überbrückte ich mit Unaufmerksamkeit, Zwischenrufen und anderem Unsinn. Also hieß es im Zeugnis oft: „M. ist unkonzentriert und stört den Unterricht“.
Dabei hätte ich fast einen anderen Lehrer bekommen. Am ersten (offiziellen) Schultag betrat ich mit Ranzen auf dem Rücken jenes Klassenzimmer, dass wir mit den Eltern am Vortag zur Einweisung besichtigt hatten. Die dicke Jurke stellte sich mir in den Weg und fauchte mich an: „Du gehirscht ne hier her !“ und versuchte mich raus zu schubsen. „Nein, nein“, meinte Frau Zaunick, „der gehört in meine Klasse“. – Die dicke Jurke hingegen „überlebte“ nur die 1. Klasse, dann kam sie in die Sonderschule, „Hilfsschule“ wie wir sagten.
Der nächste Lehrer war der strenge Herr Israel. Der stutzte pädagogisch mich zurück. Etwas vorlauter wurde ich dann erst in der 3. Klasse als Frau Meisel unsere neue Klassenlehrerin wurde. Die liebten wir abgöttisch und als sich um jene Axel, der spätere Chef der Freiwilligen Feuerwehr bemühte, unternahmen wir alles, um ihn von diesem Vorhaben abzubringen.
Wie Kinder halt so sind, befürchteten wir, er würde uns bei Heirat unsere Lehrerin „wegnehmen“ …
Die 5. Klasse startete auch noch in der Heimatschule, doch verlagerte sich manch Unterrichtsstunde bereist in die Pesta. Zunehmend gab es nun Fachlehrer, aber Deutsch hatten wir bei der Klassenlehrerin Frau Becker. Die „erwischte“ einmal ein Mittagessen von mir …
Das kam so: Schulspeisung gab es eigentlich erst an der Pesta; für die Heimatschule bedurfte es noch keiner denn die Pause für den Fall von Nachmittagsstunden war groß genug, um halt nach Hause zu gehen. Meine Mutter arbeitete damals noch in der Spinnerei vom „Buntspecht“ und kam mittags kurz heim, um mir das Essen zu bereiten. Diesmals musste es schnell gehen und so gab es Knoblauchsuppe mit Schwarzbrot. Lecker, aber …
Wieder in der Schule im Klassenraum, bemerkten die anderen sofort den Gestank. Aber was konnte ich dafür ? Köckritz kam auf eine Idee: er sauste rasch nochmal heim und holte für alle Knoblauch, damit man mich nicht so riecht. Gute Idee und flugs umgesetzt ! – Als aber Frau Becker in den Raum trat, bekam sie einen Weinkrampf. Nie hatte ihr jemand so übel mitgespielt: eine ganze Schulklasse saß brav und stinkend vor ihr ! Das gab enorme Klassenbucheinträge …
zwischen 1959 und 1964
Chemie
Da unsere (Grund-)Schule eine POS war, wurde den Naturwissenschaften breiterer Raum gewidmet als heutzutage.
Blöd nur, wenn an heißen Sommertagen die letzte Schulstunde „Chemie“ war. Die POS teilte sich die extra ausgestatteten Räume für dieses Fach mit der gleichfalls im Gebäude untergebrachten EOS und manchmal sprangen vertretungsweise auch deren Lehrer ein. So hatten wir eines Tages im Juni bei drückender Hitze Chemiestunde bei Herrn Buhr.
Der mühte sich vorn am Pult mit dem Aufbau einer Versuchsapparatur. Und jedesmal, wenn er versuchte, den Bunsenbrenner anzuzünden, drehte jemand von uns hinten Sitzenden einen der Gashähne am Arbeitsplatz auf und pustete kräftig hinein – woraufhin die Flamme am Lehrerpult erlosch. Das ging unter allgemeinem Amüsement eine Weile so: Hahn am Pult auf, Streichholz an, Flamme brennt, Hahn beim Schüler auf, Pusten, Flamme aus !
Nach einer ¼ Stunde meinte Herr Buhr, heute sei der Gasdruck einfach zu niedrig – beendete den Unterricht und ließ uns zu allgemeiner Freude von dannen ziehen. – Na, dann - ab zum Baden !
Sommer 1967
im Internat
Die Schüler der EOS, die aus den umliegenden Orten nach Neugersdorf kamen, hatten z. T. die Möglichkeit, im Internat zu wohnen. Das war ein Flachbau in Form einer Holzbaracke, die 1955 hinter der Schule nahe dem Orgelbauer-Haus aufgestellt worden war (davor war sie Notunterkunft für Kriegsflüchtlinge und hatte an der Leutersdorfer Str. gestanden).
Im Internat gab es eine Beschallungsanlage – damit auch die richtige Musik gehört wird
– und eine Art Selbstverwaltung der Schüler. Aber die Oberaufsicht lag natürlich in Händen des Lehrkörpers; die Sekretärin des Direktors war lange Zeit auch die Internatsleiterin.
Die Zimmer der Jungen und Mädchen waren wohl separiert, doch es fanden sich immer Wege und Mittel …
Frosch-Alarm
Im Hochsommer, kurz vor Ferienbeginn, rief Kumpel Achim bei mir zu Hause an. Kannst Du heute abend ein paar Frösche zu mir ins Internat bringen ?
Angesichts des Wetters, das nächtliches Schlafen in dem Flachbau zur Qual macht, ahnte ich was er vor hatte und beorderte zwei Nachbarkinder nebst zwei leeren Wassereimern zur Froschsuche im Wald an den Fischl-Teichen. Mit etwas Mühe bekamen wir auch die beiden Eimer jeweils gut halb voll. Und damit die Hüpfer nicht wieder ausbüxten kam ein Deckel auf die Eimer.
Am späten Abend brachte ich beide Eimer zu Achim. Die Quaker waren von der Demse und der Enge im Eimer recht benommen und hatten sich mächtig in Schleim eingehüllt.
Zu 22:00 ist Nachtruhe angesagt. Die Aufsicht geht nochmal durch alle Zimmer und kontrolliert, ob alle Schäfchen in der Koje liegen. Dann wird das Licht ausgemacht …
Man kann aber bei der Wärme schlecht schlafen und darum machten alle nachts die Fenster auf, mancher nimmt gar Baldrian. Auf das Szenario hatte Achim gewartet: als es in allen Räumen still war, kletterte er aus dem Fenster und nahm einen der Eimer in Empfang. Dann deutete er wortlos, vor welche Fenster wir uns postieren sollten und auf ein Kopfnicken hin kippten wir den Inhalt der Eimer in die zwei Zimmer und machten uns davon – er in sein Zimmer, ich in Deckung hinter einen Busch.
Im ersten Moment passierte gar nichts. Die Amphibien, froh aus der Enge der Emailegefässe entronnen zu sein, begannen nun in den Zimmern umher zu hüpfen. Die Geräusche, die dabei entstanden – vielleicht auch ein Quaken – weckten die Mädel und im nächsten Moment ertönte lautes Quieken aus deren Zimmern: Iiiiiihhh !!
. Achim verkroch sich grinsend in sein Bett; ich macht mich mit den leeren Behältern davon.
Rausgekommen, wer den Streich verzapft hatte, war es nie …
Sommer 1970
Raketenbau
Ein anderer Achim war ganz gut in Chemie und es geschah zu der Zeit als es in Spielzeuggeschäften solche Experimentierkästen zu kaufen gab. Sowas wie „Der kleine Chemiker“ hatte ich auch; die vorgegebenen Rezepturen abzuarbeiten erschien mir jedoch recht dröge.
Viel spannender war dagegen, was jener Achim damit anzustellen wusste: aus Kaliumpermanganat, Schwefel, Magnesium und noch ein paar Zutaten fertigte er „Raketentreibstoff“. Abgefüllt in kleine Röhrchen, angezündet mit einer Wunderkerze und „pffffft !“ – flog das Minigeschoss gen Himmel.
Das spornte uns an. Fast jeder Junge der Umgebung bastelte nun solche kleinen „Raketen“, wie wir die Pappröhrchen nannten. Und es entspann sich ein Wettbewerb, wer es denn am höchsten oder weitesten schaffe.
Der Gipfel war wohl unser Versuch, eine Mehrstufen-Rakete zu bauen. Wochenlang wurde mit Sperrholz, Leim, Hartpappe, Draht und Alufolie gewerkelt. Wohl alles Taschengeld wurde dafür geopfert.
Dann war es soweit: der ausgeklügelte Mechanismus, nach dem der untere Teil nach dem Ausbrennen das Oberteil zünden und weiter beschleunigen sollte, stand auf der Abschussrampe – ein Stück Dachblech. Doch welch Entsetzen ! Statt abzuheben brannte unser mühevoll geschaffenes Bauwerk einfach ab – ohne Puff, ohne Knall. Einfach so löste sich unser Taschengeld in Rauch auf …
Leider ging die Sache nicht ganz ohne Unfälle ab. Weil wir die Höhe noch nicht richtig messen konnten, versuchten wir es mit Weiten.
Die Wege am Lerchenberg gingen damals noch ganz anders ehe alles weggepflügt wurde. Und da machten wir unsere Rekordversuche.
Ein kurzes Stück Schiene von einer Spielzeugeisenbahn, ein offener H0-Güterwagen mit aufmontierter Wunderkerze, Streichhölzer und ein langer Stock zum Schieben des Wagens hin zur „Rakete“ – das war unsere „Sicherheitsvorkehrung“.
Soweit gut durchdacht, aber niemand hatte geahnt, dass im Zielgebiet eine Person auftauchen könne. Die brennende Wunderkerze hatte ihren Bestimmungsort bereits erreicht, als einer rief: „Da kommt ein Radfahrer !“
Der lange Stübner griff mutig und geistesgegenwärtig nach der Rakete und schleuderte sie mit beiden Händen von der schrägen Rampe. Aber umsonst !
Fauchend machte sich das Geschoss auf seine Reise und … „paff !“ genau ins Vorderrad des Radlers, eine Frau, wie wir nun erkannten.
Als sie schimpfend wieder aufstand und ihr verbeultes Rad zu schieben versuchte, machten wir uns vom Acker. Helmut hatte seine Lehrerin erkannt …
Am nächsten Tag soll die Polizei Befragungen an der Fichteschule gemacht haben, wer den Unfall verursacht hätte. Aber beide Schulen hatten „keine Ahnung“.
Margit war in der Schulzeit lange mein Schwarm. Ob ich ihr nun imponieren wollte oder aus anderem Grunde, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls hatten wir uns mit unseren „Raketeln“ auf der Wiese hinter Margits Elternhaus versammelt und übten „Zielschießen“ in die alte Lehmgrube. Dort, geschützt in der Böschung der Grube saß der „Beobachter“ und notierte, wo unsere „Geschosse“ einschlugen – ins Wasser oder in den Dreck.
Wir waren gar nicht schlecht für die 400…500 m-Strecke. Aber die Dinger mussten über die Häuser und die Neuwalder Straße fliegen und eins der „Raketeln“ hatte eine eigene Meinung vom Kurs.
Nach „Fffftt !“ machte es kurz „Paff !“ und wir sahen etwas in einem Schornstein verschwinden. Richtig gesehen hatte es keiner, aber es musste der Schornstein sein, denn eine mächtige Rußwolke stieg von da auf. Ende der Versuche.
Am nächsten Tag berichtete Margit in der Schule, dass bei ihnen der Waschkessel „explodiert“ sei. Aber in Wirklichkeit war nur ihr Vater beim Anheizen von der Dreckwolke eingenebelt worden.
Schluss für mich war als beim Ausprobieren „neuer Treibstoffe“ etwas schief ging. Einer hatte herausgefunden, dass man die Treibwirkung steigern konnte, wenn man „Schwarzpulver“ beimengt. „Schwarzpulver“ nannten wir die meist schwarzen, röhrchenförmigen Pressling-Bruchstücke, die man mit Glück in den Kies- und Schottergruben an der Sprungschanze finden konnte.
Die Wehrmacht hatte in den Gruben Flak- und andere Munition gelagert gehabt und bei Anrücken der Roten Armee in die Luft gejagt. Dabei sind aber nicht alle Bestandteile vernichtet worden – und beim Pulen unter der Grasnarbe an den Grubenrändern konnte man zum Teil sogar ganze Röhrchen finden, meist aber nur Splitter, die unterschiedlich stark verwittert waren. Welch' Sensation, als bei manchen Stücken einfaches Durchbrechen genügte, um das Zeug zu entflammen !
Klar, das musste als Raketentreibstoff getestet werden. Als ich der Standardmischung „Schwarzpulver“-Stückchen bemengte und mit dem Mörser klein zu stampfen versuchte, passierte es: „Wumm !“ und Stichflamme. Haare versengt, Wimpern ab, Finger orange und Arme bis zu dem Ellbogen verbrannt !
Da half kein kühlendes Wasser – ich musste runter zu Dr. Müller an der Hauptstraße. Der nahm mir mein Gestammel von „Feuer aus'm Ofen“ gar nicht erst ab. Er kannte wohl die Wirkung von Magnesium, Schwefel & Co. – So endete meine Karriere als „Raketenbauer“.
Mitte der 60er