🏕️ … auf Reisen erlebt 🏝️

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  • Wenn einer eine Reise tut …

    ♻️ noch in Arbeit ♻️

    Postplatz Dresden

    Der nahe beim Zwinger gelegene Postplatz in Dresden war schon seit Ende des 19. Jahrhunderts ein Verkehrsknotenpunkt, besonders der Straßenbahnen. Und genauso lange gab es dort einen erst eckigen, später runden Kiosk.

    Anfang der 70er Jahre war ich mit einem Schulfreund bei dessen Großmutter zu Besuch in Dresden. Wir hatten uns lange im Altstadtzentrum rumgetrieben und wollten spät nach Mitternacht wieder ins Quartier. So begaben wir uns zum Postplatz, um zu erfahren, ob und wann noch eine Tram fahren würde.

    Der runde Kiosk, in welchem tagsüber Erfrischungen, Zeitungen und Tickets verkauft wurden, war längst geschlossen. Alle Fenster waren durch Rollläden versiegelt. Und an diese trommelte mit lauter, immer verzweifelt klingender Stimme ein sturzbetrunkener Dresdner: „Ich will hier raus !! Ich will hier raus !“

    Postplatzkiosk um 1940
    Kiosk heute: „Käseglocke“

    Dabei tapste er immer an der Wandung des Kiosks entlang, doch wohin er sich auch bewegte – ständig hatte er diese Rollläden vor Gesicht. Wir schauten anfangs ratlos dem Treiben zwei, drei Runden zu, bis uns klar wurde: Der Mann hat Tunnelblick vom Alkohol  und sieht nicht, dass er im Kreis läuft! „Der denkt, der ist eingesperrt.“

    Wir traten näher und mein Freund drehte den Mann um 180°, so dass er wieder freie Sicht hatte. Statt eines Dankes warf er uns unverständliche Flüche zu und torkelte von dannen.
    Eine Straßenbahn fuhr so früh am Morgen dann doch nicht mehr …

    Tanken in Armenien

    1974 war ich das erste Mal im Kaukasus, als Student in Armenien. Unsere Touren im Land fanden stets mit einem in die Jahre gekommenen Bus statt, der freilich auch einmal neu betankt werden muss.

    Beim Vorbeifahren an (sowjetischen) Tankstellen hatten wir zwar beobachtet, dass es da ziemlich chaotisch zu ging. In Deutschland fahren die Wagen von einer Seite spurgetreu an die Zapfsäulen – in der SU wurde von allen Seiten an die Säulen gefahren, irgendwie und erst nachdem man am Kassenhäuschen bezahlt hatte.

    Ja, man bezahlte eine zu tanken vermutete Menge Benzin und wenn man eine freie Säule erwischt hatte, ließ der Tankstellenwart „den Betrag laufen“. Hatte man sich in der Füllmenge vertan und zuviel geordert, wurde der Schlauch einfach auf den Boden gelegt und das Benzin versickerte im Gulli. – War ja nicht teuer ! Sprit war zu Sowjetzeiten billiger als Limonade !

    Draußen auf dem Lande, in der Provinz, ging es an Tankstellen einfacher zu. Überlicherweise befanden sich solche an wichtigen Kreuzungen – und dann war auch stets gleich eine GAI dabei, eine Staatliche Straßenaufsicht. Aber auf Dörfern oder an der Peripherie größerer Städte fand sich damals bestenfalls eine uralte ESSO- oder Shell-Zapfsäule mit Handpumpschwengel, wie z. B. auf dem Kanaker-Plateau, wo wir auf der Fahrt nach Garni zwingend tanken mussten.

    Der Fahrer stieg aus dem Bus, um nach dem „Tankstellen-Betreiber“ zu sehen. Der kam in seinen ausgeleierten Trainingshosen auf Filzlatschen angeschlurft, die qualmende Zigarette im Mundwinkel. Nachdem unser Fahrer seinen Wunsch geäußert hatte, fummelte der „Tankwart“ mit einer Hand den Draht von dem abgeknickten Schlauch, während er mit der anderen begann, den Pumphebel zu bewegen. Den stutzenlosen Schlauch stopfte er geschickt an den Tank, wobei jedoch in hohem Bogen reichlich Benzin aus dem Schlauch schoss weil Draht ja bereits gelöst war.

    Fluchtartig verließen wir den Bus und warteten lieber abseits bis das Prozedere beendet war. Denn Motoren abstellen, wie bei uns, war auch nicht üblich. Der Mann rauchte noch immer, als er den Schlauch wieder zusammenknickte und mit Draht an der Säule festband. Und Benzin kleckerte noch immer …

    (Ja ich weiß, Benzin brennt nicht so leicht – aber da dürften genug Dämpfe davon in der Luft gewesen sein.)

    Sep. 1974

    „Moctezumas Rache“

    Es passiert in fernen Ländern schon mal, dass einem der Darm heftigst durcheinander gerät …

    Bei unserer ersten Tour nach Armenien 1974 erwischte es fast die gesamte Gruppe an Studenten nebst Professor. Doch unsere gastgebenden Betreuer wussten Rat, der recht seltsam anmutete: die einen bekamen lauwarmes (abgekochtes) Wasser mit Salz und Zucker, dazu unreife Tomaten, die anderen einen Absud aus getrockneten Wildbirnen und unser Professor eine Flasche Kognak nebst reifer Wassermelone. – „Trinken, Essen !“

    Ähnlich ging es meinem Freund bei jener Krim-Exkursion 1976. Ob es an zuviel vom sauren „Erdölwein“, wie wir den billigen Xeres nannten, lag oder an etwas anderem, bleibt offen.

    Jedenfalls musste Hardy eiligst auf Toilette. Im Geologencamp von Prochladnoje, einem Dorf südlich Simferopol, war dies im Gegensatz zu unseren Zelten ein gemauertes Häuschen. Die Wände schwarz geteert, an der Wand eine Blechrinne für Urin und die Rückwand mit drei oder vier „Kabinen“ ohne Tür – und ohne WC; statt dessen ein Loch im Fußboden und daneben zwei leicht erhöhte Tritte, damit die Füße nicht im Dreck stehen. Außerdem war die Raumbeleuchtung – eine jämmerliche Glühlampe – kaputt. Aber all dass war Hardy jetzt egal.

    In drei der Nischen hockten bereit Gestalten, aber rechts war eine noch frei ! Rummdreh’n, Hose runter und losprumzen wollen … – Da schrie es hinter ihm jämmerlich auf und aus dem Dunkel wedelten hilflos zwei schmale Hände.
    Der Platz war von einem kleinen, freundlichen Inder bereits besetzt, doch den konnte man im Dunkel einfach nicht erkennen und so hätte man ihn beinahe im wahrsten Sinne des Wortes „beschissen“ …

    Führerschein in Armenien

    Im Herbst 1985 besuchte ich meinen armenischen Freund Wahe in Jerewan. Ehe wir zu vielen Touren ins Armenische Hochland aufbrachen, verbrachten wir gut zwei Wochen in der Hauptstadt.

    Vor einer Besorgung am Stadtrand bat mich Wahe, für ihn 10 Rubel einzustecken. Kein Problem, aber wofür ? – Wahe hatte eben mal „seinen Führerschein verborgt“.

    Wenn wir nun in eine Kontrolle geraten wären, hätten ihn die 10 Rubel vor einer empfindlicheren Strafe bewahren können. Sowas hatte ich schon mal in Moskau erlebt: Für das Quartier, wo unsere Exkursiongruppe 1976 untergebracht war, bekam man einen kleinen Papierausweis ausgestellt, der beim Betreten vorzuzeigen war. Meist genügte es jedoch, sich beim Pförtner auf die Gesäßtasche zu klopfen und zu sagen: „Пропуск есть“ (Ausweis ist vorhanden) – wurde man wirklich kontrolliert und hatte ihn nicht dabei, beruhigten 10 Rubel die Szene. [Aber 10 Rubel waren damals 30 Mark !]

    Wir mit Wahe hatten Glück, es gab keine Kontrolle und er bekam seine Fahrerlaubnis von der Verkehrsmiliz zurück. Aber mit einer abgeschnittenen Ecke ! – In der DDR wurden Verkehrsdelikte mit einem Stempel in den „Berechtigungsschein“ geahndet, der im Führerschein mitzuführen war. Hatte man 5 davon auf dieser Stempelkarte, war die Fahrerlaubnis erstmal futscht. (Man konnte jederzeit 2 Jahre nach dem letzten Stempel eine neue, saubere Karte beantragen …)

    In Armenien machte man sowas mit der Schere: Ecke ab bei grobem Verkehrsdelikt ! Und ein Führerschein hat nun mal nur vier davon; sind alle ab, galt er nicht mehr und dann wurde es viel teurer, als die Spende von 10 Rubeln damit der Milizionär die Augen zudrückt. Soviel Orient war Armenien nun schon.

    Sep. 1985

    Leben mit dem Gastwirt

    Immer wieder mal führte es mich ins Isergebirge und oft bezog ich dabei Quartier in Hejnice, einem kleinen Wallfahrtsort an der Smědá. Mal wohnte ich in einer Art Jugendherberge, mal in einer Ubytovna. Kurz nach der Wende waren wir über einer kleinen Gaststätte im Zentrum des Städtchens untergekommen.

    Rasch entwickelte sich ein enges, familiäres Verhältnis zu unseren Gastgebern – waren wir doch morgens die einzigen und abends meist die letzten ihrer Gäste. Und das kam so: Als ich am ersten Abend auf der Speisekarte nichts fand, was in meinen Augen „eine Kleinigkeit“ gewesen wäre, fragte ich den Wirt, wieso er denn nicht so etwas wie „Karlsbader Schnitte“ hätte.

    Petr kannte das nicht und als ich ihm die Zubereitung schilderte, lotste er mich in die Küche, wo ich gemeinsam mit seiner Frau die ersten Exemplare bereitete. Von da an gab es „Toast“ in zahlreichen Varianten als neues Angebot auf der Speisekarte von „U hada“. Die Originalform wurde meist von deutschen Gästen bevorzugt, Petrs Kreationen von den tschechischen.

    Petr servierte seinen Gästen wenn Bier gewünscht wurde gewöhnlich das etwas teurere 12°ige. Für mich hatte er aber 10° Pivo und noch dazu Dunkles, seit er meine Vorliebe kannte.

    Es hatte auch nicht lange gedauert, da durften meine Kinder in der Gaststube „Bedienung spielen“. Da räumte die Große leere Gläser ab oder brachte – verdächtig schräg auf dem Tablett – volle Weingläser nach draußen. (Petr grinste nur dazu, aber es ging nichts zu Bruch …)

    Die Kleine stand derweil hinterm Tresen und verkaufte Zigaretten. Da sie kein Tschechisch konnte, mußten Jitka oder Petr immer wieder mal verbal einspringen. Die Gören hatten ihren Spaß und die Gäste amüsierten sich.

    U hada
    Gastwirt
    Kellnerspiel

    Eines Nachmittags meinte der Wirt, heute sei genug der Bedienung. Er übergab die ganze Regie seiner Frau, schappte sich mehrere Wassereimer und ging mit mir und einer Nachbarin in den Wald Pilze suchen. – Den gleichen Weg war ich mit der Familie am Vortag gelaufen, um zum Wasserfall zu gelangen. Aber wir hatten keinen einzigen Pilz gesehen; mit Petr liefen wir 2…3 m neben dem Wege und hatten binnen einer halben Stunde alle Eimer voll.

    Da saßen nun meine Frau und ich bei den Gastwirten in der Küche und putzten Pilze für morgen und das Abendbrot, während die Kinder wieder „Bedienung spielten“ …

    Schade, dass das gastliche Haus nicht mehr existiert. Ein „Altbesitzer“ hat die Gastleute vertrieben und ein Farbengeschäft daraus gemacht.

    Juli 1992