Zankapfel über Jahrhunderte – Glücksfall für den Ort ? Unser Stadtwald heute, 1900 und 1805
Wir treffen uns am Dreiecker. Dieser dreiseitige Grenzstein steht heutzutage nicht mehr am ursprünglichen Orte. Und es gab derer gar zwei …
Der „richtige“ steht jetzt einige Meter nordwestlicher, da er dem Bau der Umgehungsstraße weichen musste. Er trägt eingemeißelte Inschriften, die „… ANNO 1734“ den Besitz der jeweilig angrenzenden Lande anzeigen: „SR“ (Stadt Rumburg); „HLS“ (Herrschaft Liechtenstein); „HR“ (Herrschaft Rumburg); „L“ ([Nieder-]Leutersdorf); „HOL“ (Herrschaft Ober-Leutersdorf). Hä, wieso 5 ? Nun, wie gesagt gab es 2 Steine, die etwa 200 m voneinander entfernt standen. Einer verschwand spurlos, der andere übernahm dessen Sinn und blieb den Leuten in Erinnerung …
Einer der beiden Steine bildete die südlichste Spitze von Alt-Gersdorf, denn vom Beerberg bis hier erstreckte sich damals Wald und darin die Alt-Gerdorfer Waldhutung. 1747 gab es die nächste Grenzberichtigung und zwischen Zittau und Rumburg letztmals 1765.
Übrigens, westlich zwischen den beiden Dreieck-Steinen ist der Wald – besonders im Frühjahr – recht „moorig“. Schließlich befand sich hier noch zu Beginn des 19. Jh. der große „Schilfpfützenteich“ …
Vom Parkplatz aus dem Hauptweg schnurgeradeaus zu folgen ist recht langweilig – zumal der Wald ja auch eher ein Forst ist. In der Jetztzeit „endet“ der Hauptweg am Pascherweg. Eigentlich geht die Schneise aber noch weiter bis kurz vor die alten Kiesgruben, wo der Heidebergweg die unsichtbare Grenze zu Seifhennersdorfer Gebiet bildet.
Alternativ nehmen wir den schmalen Trampelpfad rechtsab in den hohen Wald, genannt Roscherweg. Er windet sich in die Nähe des Kaltbaches, der nach der Schneeschmelze oder andauerndem Landregen sogar munteres Wässerchen führt. Meist jedoch findet man nur eine trockene Rinne vor, in der früher hohe Farne für einen mystischen „Märchenwald“ sorgten …
Hat man Glück, stößt man noch auf ein Schild, dass nun der Erlebornweg kreuzt, ein Weg der als Kind meistens genutzt wurde, um auf kurzem Wege vom Wasserturm zum Silberteich zu gelangen.
Wir können nun versuchen, den namensgebenden Erleborn zu finden, aber das mit Astwerk ausgekleidete, viereckige Wasserloch macht nicht viel her.
Der Roscherweg begleitet den Kaltbach ein ganzes Stück, während linkerhand eine Schonung sichtlich in einer Geländevertiefung liegt*.
Wieder kreuzt ein fast schnurgerader Weg den unseren – der Ferdinandsteig. Nun sind wir eigentlich bei den „Kleinen Fischlteichen“ angelangt. Kurze Treppen mit Holzgeländer* führen zu einer Reihe Teichlein, von denen der größte mit Seerosen* bedeckt ist und sich um ein schmuckes Blockhaus* windet.
Eine Bank am Ufer lädt zum Verweilen ein und gestattet den Blick auf Schwertlilien, Blutweiderich und Rohrkolben*. Vom Schwalbenwurz-Enzian* sind nur noch wenige Exemplare verblieben, da die umgebenden hohen Bäume zu wenig Licht gewähren, nur der Rhododendron* stört sich daran nicht …
Im großen Teich tummeln sich braune und rote Goldfische*, während die Wassermolche eher die kleinen Nachbarteiche bevorzugen und der erste, dreieckige am Zulauf ist das Quartier der Köcherfliegenlarven*, die hier ihre Häuschen aus Steinchen, Fichtennadeln oder Holzstückchen bauen …
Hohe Laubbäume* säumen den weiteren Weg, der noch immer dem Kaltbach folgt. Doch am Pascherweg ist jetzt Schluss. Früher ging er an den „Großen Fischlteichen“ vorüber und führte bis an den Auslauf der Sprungschanze*.
Der erstere der drei Teiche lag viele Jahre als eher sumpfiges Loch im Dämmerschlaf. GST und Kampfgruppe* machten hier ihre Übungen am Hängeseil, und Zuschauer amüsierten sich, wenn einer der Bepackten beim Überqueren ins Nasse plumpsten.
Zwischen den beiden großen Teichen besteht ein merklicher Höhenunterschied, der Kindern den Bau einfacher Wasserräder* gestattete – man durfte sich nur nicht vom Teichbetreiber erwischen lassen, genauso wenig wie beim „verbotenen Baden*“. Man erwischt aber keinen Karpfen auf diese Art !
Auf der Sprungschanze wurden keine Weltrekorde erreicht, aber 18 m waren für berechnete 15 m durchaus bemerkenswert. Um 1950 erbauten Wintersportler am Rande einer der früheren Kiesgruben einen hölzernen Sprungturm, der mit Wiederinbetriebnahme der Schanzen am Kottmar immer mehr verwahrloste.
Manche trauten sich dann, die Schanze auch mit dem Schlitten zu benutzen – andere blieben zwar auf den Skiern, bekamen es dann aber im allerletzten Moment mit der Angst und schafften es – statt zu springen – in die Bande zu brettern*.
Baufällig geworden, musste die Schanze Mitte der 70er Jahre abgerissen werden. – Nur einige Betonpfeiler vom Fundament des einstigen Anlaufturmes zeugen vom damaligen Anlaufturm …
Gegenüber der Straße liegen noch zwei kleinere Fischteiche sowie ein Auffangbecken*, dass wir als Kinder nach dem Ablassen der Teiche gerne besuchten, weil da allerlei Kleinfische übrigblieben: Elritzen, Moderlieschen, kleine Barsche, junge Hechte* …
Beim Herumturnen in den hohen Kastanien passierte es aber auch, dass manch Ast brach und ein „Kastanien erntender“ Junge komplett durchs Geäst brach – und alles überstand, nur mit einigen Blessuren …
Hinter der Kurve – und definitiv bereits auf Seifhennersdorfer Flur – liegt das um 1878 errichtete „Waldschlößchen“, einst beliebtes Ausflugsziel mit Restaurant, Tanzvergnügen und nettem Freizeitgarten und lange Jahre auch Ferienlager.
Hier sorgte Urgroßvater mit einer Wette einmal dafür, dass der Gastwirt einen neuen Tresen brauchte … „Iich un no eener, mir saufen a enner Schtunde a Hektolitter Bier !“ … Er gewann die Wette, war „der Andere“ doch ein durstiger Mastbulle !
Die Kiesgruben hier sind frühere Brüche im geologisch bedeutsamen Quarzgang, der sich in einer Breite von 40…120 m von Schluckenau bis Großschönau erstreckt. Während des II. WK legte die Wehrmacht hier ein Munitionslager an, was man beim Vorrücken der Roten Armee sprengte.
Als Kinder suchten wir in den Gruben nach den Überresten in Form von „Schwarzpulver“. Wir fanden aber auch geborstene Flakgeschosse und meldeten die Funde dem ABVer; dafür gab es gar eine „Belobigung bei der Sicherstellung von Fundmunition“.
Den Grund der Gruben bildeten meist kleine Gewässer, in denen Kammmolche, Frösche und sogar Fischchen wie Moderlieschen oder Elritzen lebten. Auf dem lehmigen Boden breiteten Bärlapp-Zweige sich aus und oben an den Bruchkanten ernteten wir Heidel- und Preiselbeeren.
Die im Süden der Kiesgruben den Waldrand bildende Straße ist eigentlich sehr alt: die „Alte Rumburger Straße“ führte aus dem Zentrum Rumburgs nach der böhmischen Enklave von Niederleutersdorf.
Die etwas verworrenen Besitzverhältnisse begünstigten sowohl den grenzübergreifenden Warenschmuggel – das „Paschen“ – als auch das Unwesen der Räuberbande des berühmten Hauptmanns Johannes Karasek, dem „Prager Hansel“.
Der Stadtwald war nicht immer durchgehend mit Bäumen bestanden. Mittendrin gibt es eine Fläche, die auf alten Karten als „Plantage“ bezeichnet wird.
Es handelt sich um eine Wiederaufforstung einer Fläche entlang des Kaltbachs, die 1825 abgetrieben wurde und wo sich ein Bauer und eine Ziegelei ansiedelten. Von den Ruinen sind nur die Brennnesseln im Walde übriggeblieben und von der Ziegelei der „Ziegelborn“, denn sowohl Gehöft als auch Ziegelei wurde 1896 aufgegeben und abgerissen.
Wenn wir den „Pascherweg“ Richtung Westen nehmen und die Staatsstraße überqueren, gelangen wir in den „Höllegrund“.
Direkt an der Grenze zu Tschechien geht ein schmaler Waldweg, der teilweise durch alte Birkenwäldchen führt. Kaum jemand weiß, dass dies eigentlich ein ganz wichtiger Verkehrsweg von Löbau nach Rumburg bzw. Seifhennersdorf war. Die heutige viel befahrene Straße über den Eiskellerberg nach Seifhennersdorf wurde erst 1840 vom damaligen Wachtschenkwirt Junge angelegt und führte zwischen 1840 und der Jahrhundertwende noch tw. hier an der Grenze entlang.
Wir biegen rechts in den „Butterweg“ ab. Oberhalb dessen lag in den 50er…80er Jahren ein Pionierlager, dass dann von der Armee in Löbau übernommen wurde.
Unterhalb einer aufgelassenen Deponie führt ein hübscher Wiesenweg hoch zur alten Försterei und der Blumenwiese davor …
Irgendwo hier nahm früher auch der „Pascherweg“ seinen Anfang. Der Name ist verbunden mit »Pascher-Friedl«, Friedrich Pietsch aus Niederleutersdorf, dem Arthur Booden in der 1911 erschienenen Erzählung ein literalisches Denkmal setzte.
zur Waldhistorie
Im Ortsbild von Alt- und Neugersdorf gab es vor Zeiten wesentlich mehr Wald, nicht nur an den Ortsrändern wo der Wald nach und nach gerodet, erst in Ackerland, später mit Wachsen der Bevölkerung in Bauland verwandelt wurde – sondern auch mitten im Ort.
Erst um 1717 entstand quasi die Mittelecke als hier der als Hutung genutzte Wald abgeholzt und langsam bebaut wurde. Gleiches geschah ca. fünfzig Jahre später entlang der oberen Hinterecke.
Viel Wald wurde seit Mitte des 19. Jh. abgetrieben und zu Ackerland gewandelt. Das betraf das Areal östlich der oberen Liechtensteinstraße, die Fläche vom Walde nach der Försterei links der Seifhennersdorfer Straße oder die Gegend unterm Hutungsberge rechts dieser Straße.
In Alt-Gersdorf war die ganze Strecke vom Kuhzahl bis zum Beerberg bewaldet. Dieser Laubwald wurde zwischen 1830 – 1837 abgetrieben, wohingegen der Nadelwald, welcher sich die ganze Lange Wiese bis hoch zum Dreiecker ausdehnte zwischen 1770/80 abgeschlagen wurde.
Lage der Dreieckersteine
Aufnahme 1962
Aufnahme 2011
gegenüber Wächterhaus der Großen Fisch-Teiche – Aufnahme 1971