Der Berg

ein Spaziergang quer durch Neugersdorf

vom Bismarkturm zum Dreiecker

Route

Der Bismarck-Turm wurde im Oktober 1904 eingeweiht, nach knapp sechsmonatiger Bauzeit. In den 30er Jahren entstanden neue, schönere Außenanlagen und seit 1938 ist der Turm in städtischem Besitz. Nach Jahren der Vernachlässigung erfolgte ab 1991 die umfassende Rekonstruktion und 1993 konnte der beliebte Aussichtsturm wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Blick nach Norden vom Bismarck-Turm (Aug. 2004)

Turm-Rundblick

von N im Uhrzeigersinn [Anm.]

Basaltdecke

Die Hauptmasse der Basalte des Kartengebietes bildet ausgebreitete Deckenergüsse, die durch Erosion in einzelne, jetzt von einander getrennte Lappen zerschnitten worden sind … wie die Neugersdorf-Leutersdorfer Basaltmasse.
Das Hauptgestein der Decken ist Nephelinbasanit … in Säulen … vertikal.
Gute Aufschlüsse finden sich … im Steinbruche am Hutungsberge in Neugersdorf, wo über einer unteren Partie aus vertikalen, 40–60 cm starken Säulen mit scharfer Grenze ohne Tuff- oder Schlackenzwischenschicht eine obere aus 10–15 cm dicken … Säulen liegt.

Quelle: Erl. Geol. Karte Sachsen 1917

Hinter dem aus Sandsteinquadern errichteten Turm befand sich seit etwa 1850 ein Steinbruch, denn die Erhebung des Hutungsberges, auf dem wir stehen, ist der Rest einer tertiären Basaltdecke, die hier etwa 12 m mächtig ist. Dieser Basalt wurde viele Jahre abgebaut für die Gewinnung von Straßenschotter und Baumaterial (der Abriss des Wachtschenke 1978 erwies sich u. a. als nicht sprengbar, da Fundamente aus Basaltstein von mehr als 3 m Dicke verwendet worden waren).

Noch Mitte der 50er Jahre konnte man als Kind von oben in den Steinbruch hineinklettern, um zwischen den wilden Rosen Verstecken zu spielen, die auf der Kante zwischen den beiden Basaltdecken wuchsen. Leider widmete man dem herrlichen geologischen Aufschluss seinerzeit keine Aufmerksamkeit, sondern nutzte die Grube als Aschegrube und Mülldeponie. Bald waren die unteren Säulen verschwunden und wir Kinder spielten mit den Fundstücken vom Müll, verbrannten alte Zelluloidfilme oder bastelten aus weggeworfenen Fahrrädern das erste eigene …

Um nun von hier zum nächsten Turm zu gelangen bieten sich drei Wegmöglichkeiten an:

  1. über die Wasserscheide
  2. über die Zillestraße
  3. über die Hutung

Wählen wir (a), so verlassen wir den Bismarckturm am besten über den Hauptzugang. Kaum zu glauben, dass die hohen Säuleneichen, die den Pflasterweg säumen uns Kindern einst als Kletterbäume dienten und auf denen in hölzernen Schuhputzkästen kleine Schätze versteckt wurden …
Die Plattform gegenüber ist das Fundament des Stammhauses der Fa. C. G. Rudolph, letzter Rest der einstigen Textilfabrik, die vielen Bergbewohnern Lohn und Arbeit bot.

Durchquert man die hübsch gestaltete Anlage gelangt man über die Gottfried-Keller-Straße auf eine öde, leere Fläche. Hier stand bis 2003 das so genannte Kutscherhaus, dem zahlreiche Garagen und Scheunen angegliedert waren; dereinst wurden dort die Pferde untergestellt, die beim Warentransport und am steilen Eiskellerberg gebraucht wurden.

Ein schmales Gassel, heute eher als Trampelpfad erkennbar, führt nun geradeaus die Wasserscheide entlang, vorbei an der Rückseite von Gärten und nur zwei nette Häuschen säumen den alten Weg, der die Wässer von Elbe und Oder trennt. Kurz vor dem Ende findet man einen verfallenen, kleinen Teich – einen jener früher zahlreichen Wasserspeicher, die auch als Löschteich dienten.

Wir müssen nun auf die Liechtensteinstraße rechts abbiegen. Das gilt auch, wenn wir uns für Variante (b) entscheiden. Da nehmen wir ab Bismarckturm den kürzesten Weg durch die Parkanlage ostwärts, vorbei an der Heinig-Villa und dem Buswendeplatz, der bis vor kurzem noch Erholung hieß.

Die ostwärts führende, gerade Zillestraße ist unspektakulär. Rechterhand, etwa in der Mitte der Straße, lag bis zur Wende der KONSUM, wichtigste Einkaufsstätte auf dem Berge.

Variante (c) nimmt erst mal die Richtung nach Süden, hinter den Turm wo früher kleine Sportanlagen lagen und sich ein Minipark sowie ein großer Parkplatz befinden, der während des Jacobimarktes gebraucht wird. Der Parkplatz, der sich nun als Anhöhe erstreckt, bedeckt das ganze Areal über dem einstigen Steinbruch. Wir folgen dem Weg und biegen in der Senke links ab.

Das bringt uns an einer verlassenen kleinen Ladenkette vorüber. Hier hatte Geschäftsmann Holger Hölzel eine Fleischerei, die Gaststätte Bismarck-Stübl und einen Tante-Emma-Laden eingerichtet, in welchem Uli Krätzer die älteren Bergbewohner Lebensmitteln und Getränken versorgte nachdem es den KONSUM nicht mehr gab. Inzwischen ist von all dem nur noch eine in Waldnähe versteckte Pension übriggeblieben.

Hat man die Seifhennersdorfer Straße erreicht, wenden wir uns nach links, passieren ein altes Buswartehäuschen und steuern ein markantes Eckhaus an der Einmündung der Hutung-Straße an. Jedem Bergbewohner war dieses Gasthaus vertraut. Vor dem Kriege ging man in die Stehbierhallezu Belger, nachher sagte man noch: Mir gien ze Ruppi obwohl es doch eigentlich immer Erholung hieß. In den 60er Jahren wanderte der Schankbetrieb in den zweistöckigen Anbau und der Eingang wurde verlegt; man kam direkt von der Straßenecke in den Gastraum. Dann wurde der Eingang an die Hutungs-Seite verlegt, um noch mehr Platz für Gäste zu schaffen, aber von der gastlichen Stätte blieb nur Erinnerung …

Die meisten Häuser entlang der Hutung stammen aus der Zeit um 1850, als man begann, die Berghutung zu parzellieren. Inzwischen füllen Neubauten die Lücken.

In den 50er–70er Jahren wichtig waren nur wenige Adressen: Vorn in der 1 wohnte der ABV, den wir als Kinder mit Fundmunition aus den Kiesgruben erschreckten. Schräg gegenüber wohnte der langjährige Marktmeister des Jacobimarktes Günter Bobek, beliebt als Entertainer und Vogelzüchter. In der 7 werkelte der Handke-Bäcker und in Nr. 17 brachte man seine Wäsche, denn da stand eine Mangel. Das kleine Gassel neben Nr. 7 ist wie fast alle Kommunika­tionswege, wie es amtsdeutsch heißt, aus dem Ortsbildverschwunden; ließ sich doch damals der Weg vom KONSUM zum Bäcker drastisch abkürzen.

Der Mangel bei Hoof'n bzw. Meyer gegenüber stand zu DDR-Zeiten mehrere Jahre der Gemeinde-Galgen. So wurde der Rundfunkmast boshaft genannt, den staatliche Stellen errichteten, um eine sonst ungenutzte MW-Frequenz nicht zu verlieren. Der Weg hinunter zum Wald würde zur alten Försterei führen und in den 60ern zum Bitterlich-Gärtner.

Spätestens wenn die Hutung-Straße einen leichten Knick nach NW macht kann man ihn deutlich erkennen, den Wasserturm, Neugersdorfs weithin sichtbares Wahrzeichen.

Zwischen 1927 und 1929 errichtet half er endlich eines der ewigen Probleme des Ortes zu lösen – die Versorgung mit Wasser. Schon seit der (Wieder-) Gründung des Ortes hatten die Einwohner mit Wassermangel zu kämpfen. Die zur Spree führenden Rinnsale wurden in vielen Teicheln angestaut, auf den Wiesen fand man noch in den 60er manchen Born und früher stand fast vor jedem Haus eine Plumpe. Sommers bin ich oft mit dem Eimer zu Nachbars gelaufen, um aus deren Brunnen frisches Wasser zu holen; später wartete der halbe Berg, dass endlich das Auto mit dem Wassertank kommt …

Zu besonderen Anlässen darf man den Wasserturm besteigen und hat von droben einen ebenso prächtigen Rundumblick wie vom Bismarckturm. Und außerdem zeigt die veränderte Perspektive völlig neue Details …

Wer noch nicht fussmüde ist, mag links oder rechts des Wasserturms einen Weg in Richtung Dreiecker und Neuwalde wählen.
Neuwalde ist schon Ortsteil von Leutersdorf, aber noch so nahe an Neugersdorf, dass mancher erst die Umgehungsstraße als trennendes Element empfunden hat. Dennoch ist die dortige Karaseck-Schenke seit alters und heute wieder ein First-Class-Adresse für Gemütlichkeit und gute Küche. – Also machen wir uns auf den Weg !

Nach Süden führt die Straße uns nun dem Stadtwalde zu. Rechts biegt sie ab zur Försterei, links vorbei an Schrebergärten zum alten Sportplatz. Hier hatten Generationen von Schülern ihre Abschlussprüfungen in sportlichen Disziplinen, die Feuerwehr ihre Übungsparcours und – nach Fertigstellung einer gesicherten Schießanlage – GST wie Schützenverein einen Trainungsort.

Den kleinen, rechts in den Wald abbiegenden Erlenbornweg lassen wir unbeachtet, sondern gehen immer weiter geradeaus, auch wenn die Straße endet und zu einem feuchten Pfade wird. Das Wäldchen hier hatte vor 50 Jahren im Frühling noch richtig nasse Füße und vor 200 Jahren lag hier noch ein ausgeprägtes Gewässer: der „Schilfpfützenteich“. Heute kann man hier das Quellgebiet des nach Seifhennersdorf hin abfließenden „Kaltbach“ ahnen …

Es ist nun schon spät geworden, also heben wir uns den Dreiecker für ein andermal auf. Laßt uns die neue Brücke über die Umgehungstraße überschreiten und die gut 400 m nach Neuwalde laufen. Vielleicht sind ja in der „Karasek-Schenke“ noch paar Plätze frei …

Und beim nächsten Mal treffen wir uns am Wasserturm
Tour Nr. 2
Quelle: Geol. Karte Sachsen 1917
Aufnahme von 2003
Aufnahme von Sept. 2003
Aufnahme von 2003
Aufnahme von 1955
Aufnahme von 1964
Aufnahme von 1978
Aufnahme von 2016
Aufnahme von 1925