An der Langen Wiese

ein Spaziergang quer durch Neugersdorf

vom Dreiecker zur Kirche

Route

Wenn wir die Tour am Wochenende beginnen, können wir nach einem zünftigen Schmaus in Neuwalde in der „Karaseck-Schenke“ uns auf den Weg zur einstigen Ortsgrenze zwischen Alt- und Neu-Gersdorf machen.

Die Büsche rechts hinter der Umgehungsstraße verbergen die ehem. Lehmgrube, die mit Asche vom Heizkraftwerk verfüllt ist. Zwischen 1896 und 1958 wurde hier der Lehm für die an der „Neuwalder Straße“ gelegene Ziegelei gewonnen. Das sich in der Grube sammelnde Wasser war dann lange Zeit Anziehungspunkt für Kinder und Angler.

Wir müssen nun mal kurz zum „Dreiecker-Stein“. Dieser dreiseitige Grenzstein steht heutzutage nicht mehr am ursprünglichen Orte. Und es gab derer gar zwei …

Der „richtige“ steht jetzt einige Meter nordwestlicher, da er dem Bau der Umgehungsstraße weichen musste. Er trägt eingemeißelte Inschriften, die „… ANNO 1734“ den Besitz der jeweilig angrenzenden Lande anzeigen: „SR“ (Stadt Rumburg); „HLS“ (Herrschaft Liechtenstein); „HR“ (Herrschaft Rumburg); „L“ ([Nieder-]Leutersdorf); „HOL“ (Herrschaft Ober-Leutersdorf). Hä, wieso 5 ? Nun, wie gesagt gab es 2 Steine, die etwa 200 m voneinander entfernt standen. Einer verschwand spurlos, der andere übernahm dessen Sinn und blieb den Leuten in Erinnerung …

Einer der beiden Steine bildete die südlichste Spitze von Alt-Gersdorf, den sog. „Zipfel“ auf dem die Selbstmörder vergraben wurden – durften sie doch nicht in geweihte Erde. Und vom Beerberg bis hier erstreckte sich damals Wald und darin die Alt-Gerdorfer Waldhutung. 1747 gab es die nächste Grenzberichtigung und zwischen Zittau und Rumburg letztmals 1765.

Übrigens, westlich zwischen den beiden Dreieck-Steinen ist der Wald – besonders im Frühjahr – recht „moorig“. Schließlich befand sich hier noch zu Beginn des 19. Jh. der große „Schilfpfützenteich“ …


Folgen wir der „Neuwalder Straße“ in den Ort, so kommen wir in Höhe Nr. 50…58 zum Standort des früheren Ringofens der um 1895 errichteten Ziegelei. Gersdorf hatte im Laufe der Jahrhunderte mind. 3 Ziegeleien: eine am Ortsausgang nach Eibau, eine im Stadtwald in der Plantage und diese hier war die letzte.

Sie war zu Ende des II. WK ztw. ein Außenlager der Preußischen Staatsbibliothek Berlin und wurde Anfang Mai 1945 noch von Artillerie beschossen, wohl weil eine weiße Fahne am Schornstein hing …

Wenn wir in die „Forststraße“ einbiegen, treffen wir linkerhand auf eine Reihe alter, meist dunkler Umgebindehäuser, das sog. Klingenthal. Diese Häuser entstanden 1842 am Rande der oberen Waldhutung und wurden angeblich von den Erbauern mit Sang und Klang begrüßt …

Auch die „Neuwalder Straße“, wo die Gebäude erst ab 1900 errichtet wurden, weist hübsche Bauten auf, aber wir bleiben auf der „Wiesenstraße“.

Bis Mitte des 19. Jh. durchzog ein Bachlauf ein feuchtes Wiesengelände mit starkem Eichenbestand. Das heute verrohrte Gewässer floss vom Hutungsberg her nordwärts Richtung Lampelburg.

Ein Trampelpfad führte vom „Grünen Baum“ am Bach entlang und hinauf in die böhmische Enklave.

Als Grenzweg zwischen Zittauer Besitz und Liechtensteiner Herrschaftsgebiet wurde dieser später zur Straße ausgebaut.

Die Lange Wiese war bis 1899 Ortsgrenze zwischen Alt- und Neugersdorf. Ihre Besiedlung begann in Kirch­nähe und zog sich immer weiter bergan.

Inzwischen stehen Häuser gar auf der „Bräuerwiese“. Sie trägt den Namen, weil die Fläche 1883 in Besitz des Brauerei-Betreibers kam. Noch 100 Jahre zuvor fand sich hier der „Zipfelbusch“ bzw. „Zipfelacker“, auf dem man die Suizidopfer begrub.

Ein kleiner Teich darin war entstanden, weil die Brauerei Bedarf an Lehm befriedigen musste. Und wir als Kinder erfreuten uns am Schilf mit seinen Rohrkolben oder an munteren Krebsen. Doch das war bald vorbei, denn Anwohner kippten ihre Asche und ihren Müll hinein …

Vorbei an liebevoll gepflegten Häuschen kommen wir zum „Thomas-Bitter“, dem Gasthaus an der „Frauenstraße“. Leider hat dies um 1850 entstandene, gastliche Haus wohl Corona nicht überlebt. Aber der namensgebende dunkle, süffig-klebrige Kräuterschnaps wird allen Kennern in Erinnerung bleiben – liebevoll auch „Commoden-Lack“ genannt.

Die „Wiesenstraße“ macht einen kleinen Schlenker und folgt im Verlauf einen alten, kleinen (und verrohrten) Bachlaufe. An der Querung der „Fr.-L.-Jahn-Straße“ kommen wir an jenem Ort vorbei, wo die berüchtigte Räuberspelunke „Grüner Baum“ einst stand und gelangen zur Kreuzung „Dr.-Külz-Str./Roseggerstr./Kantstraße“. Den Laden vom Korbmacher Sommer gibt es da immer noch, wenn jetzt auch als Bastelladen. Möge ihm ebenso langes Gedeihen beschieden sein …

Wenige Schritte hinter der Kreuzung stand in der „Wiesenstr.“ die „Meuselschenke“, eine jener kleinen Kneipen, die früher im Ort so verbreitet waren.

Schließlich gelangen wir zu einem Teich, der früher hinter hohem Bretterzaun verborgen lag und zu der fast vollständig verschwundenen Textilfabrik von Johann Gottlob Klippel, einem der großten Betriebe im Ort.

Errichtung und Aufschwung dieses Betriebes haben enorm zur Entwicklung des Ortes beigetragen wie auch die anderen Großbetriebe. Hier aber hat sich das Werk auf Verlauf und Bedeutung der alten Straßen ausgewirkt: Der Kirchweg ist faktisch verschwunden und von der „Hohlen Gasse“ gelangt kein Fuhrwerk mehr zum Markt …

Der Kirchweg war bis zur Errichtung der Leutersdorfer Kirchen ein wichtiger Kommunikationsweg für die Bewohner von Hetzwalde, Neuwalde u. a. Kirchgänger.

Er endet heute statt an der Kirche in einem Garten vor der Hohlen Gasse.

Die Fa. „Klippel“ hingegen wäre ein eigenes Kapitel wert …

Die heute bedeutungslose „Hohle Gasse“ war bis zur Schaffung der Staatsstraße die einzige Möglichkeit hier von der Anhöhe in die Teichsenke zu gelangen. Die Steigung an der Post merkt man ja heute noch. Wie beschwerlich mag es damals für Fuhrgeschäfte auf unbefestigten Wegen gewesen sein ?

Der „Kirchweg“ bringt uns über die „Hauptstraße“ und den Abschluss könnten wir nehmen im „Staad'l Neugersdorf“. Oder wir gehen wenigstens ins Eiscafé „LaLuna“.

Die nächste Runde drehen wir später durch die „Neubaugebiete“ von „Alt-Gersdorf“ …

Neuwalde – Aufnahme 2011
Aufnahme 1910
Aufnahmen 2016
links: Räumicht, darüber Försterei und Häuser der Südseite des Hutungsberges
rechts unten: Grenze der böhmischen Enclave Niederleutersdorf – Karte von 1805
Aufnahme 1909
Aufnahme 1961
Aufnahme 2008
Blick von der L.-Richter-Str. zum Kottmar – Aufnahme 2012
Wiesenstr. 63 – Aufnahme 2019
Wiesenstr. 47 – Aufnahme 2006
oben und rechts: Alt-Gersdorf; links unten: Neu-Gersdorf; rechts: bewaldeter Beerberg
Karte von 1805
Wiesenstr. 1 bis 11 – Aufnahme 1976
ehem. Verwaltung der Fa. J. G. Klippel – Aufnahme 2000
Tour Nr. 6