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Einleitung.
Unſer Wohnort Gersdorf, worunter im weitern Sinne oftmals unſre geſammte, aus Alt-Gersdorf mit Ebersbaer Seite und Neu-Gersdorf beſtehende Paroie verſtanden wird, theilt ſeinen Namen mit vielen andern, na Carpzow's Ehrentempel ſon, allein nur in Teutſland mit 76, alſo jet mindeſtens mit 80 andern glei- oder ähnlinamigen Ortſaften,*) und verdient gewiß mit Ret, nit nur eine der vorzüglieren Dörferſaften unſrer Provinz, ſondern au ſelbſt im geſammten teutſen Vaterlande genannt zu werden. Seine Lage hat daſſelbe in einem Theile des jeigen Königreis Saſen, der urſprüngli nits weniger, als zu dem eigentlien, fern von uns, zwiſen der Saale und Weſer, bis zur Nordſee herunter liegenden alten Herzogthume Saſen gehörte, nämli in den erſt vor 222 Jahren an Saſen gekommenen Markgrafenthum Ober-Lauſi, weler Landestheil ſona für uns, als die Nakommen der aus Böhmen hierher emigrirten jeigen Bewohner Gersdorfs, die witigſte Provinz geworden iſt. Und da i nun weiß, daß es daher Vielen unſerer lieben Gersdorfer, die eine zuſammenhängende Geſite der Lauſien no weniger kennen, ſehr angenehm ſein würde, einen kurzen Auszug aus derſelben zu beſien, ſo will i dieſem Wunſe hiermit begegnen, und einen gedrängten Ueberbli über dieſelbe geben.
Der Name Lauſi, welen die alten Wenden, oder au, und no ritiger, die Slaven, dem Landſtrie gaben, weler zwiſen der Spree, Neiße, Pulsni und dem Queiße liegt, kommt ſon im fünften Jahrhundert zur Zeit des Anfang des Hunnenkrieges und der großen Völkerwanderung vor, und hieß Anfangs in ſlaviſer Sprae dieſes Land Luſice oder Luſi, d. h. eine wald- und waſſerreie, niedrige, feute Gegend, wobei man hauptſäli die Nieder-Lauſi im Auge hatte. Die Römer nannten ſie Luſatia, do weiß man nit genau, von weler Zeit an, und die Franzoſen nennen ſie Luſace (l. Lüſaß). Die erſten Bewohner derſelben waren Teutſe: Teutonen, Semmnonen, Tuisconen und Sueven
, wie Tacitus meldet, die dann von den Slaven, d. h. Ehrenmänner und von den Sorben, d. h. Schwerdtmänner, verdrängt wurden. Einige leiten den Namen Lauſi … au von Luſitiis her, d. h. tapfere Leute. Von den erſten Herren der Lauſi bis zu der Zeit Karl des Großen, 780 n. Ch. Geb., wo Wittekind der Große, Herzog von Saſen … die Lauſier Sorben-Wenden unter ſeine Herrſaft brate, weiß man keine Namen mehr, da ſie nur Stammoberhäupter und Heerführer, und ihre Verfaſſungen nomadiſ waren. Später erhielt Karl der Große die Oberherrſaft über ſie, die 814 auf ſeinen Sohn Ludwig den Frommen und 840 auf ſeinen Enkel gleien Namens überging u. ſ. w. Im Jahre 931 aber, als der teutſe Kaiſer Heinri I. oder Finkler, oder Vogelſteller, Herzog von Saſen, die Marg- oder Markgrafen einſete, wurde Graf Gero, oder Geroni von Stade oder Merſeburg, der erſte Markgraf der Leuſi. Dieſe wohnten meiſtens in der von den Sorben erbauten Stadt Budſez oder Bindſez, d. i. Budiſſin, und ſtarb im Jahre 956 oder 965. Dieſer für uns ſo witige Mann hatte den Titel Gero I., Markgraf zu Brandenburg u. Lauſi, Burggraf zu Magdeburg, Graf zu Altenburg und Merſeburg ꝛc.
Na ihm wurde der Sohn des Grafen Dietmars von Wettin, Chriſtianus, zum Markgrafen ernannt, der 973 ſtarb. Dieſem folgte ſein Sohn Diethmar I., und lange Zeit blieb die Lauſi nun bei den Nakommen Wittekinds, was die neuern Geſitsforſer jedo ſehr in Frage ſtellen. Urſprüngli gab es im Allgemeinen nur eine Lauſi, und dies war die Nieder-Lauſi. Später jedo uſurpirte *) der an derſelben gelegene ſüdöſtlie Landſtri den Namen Ober-Lauſi. Die Nieder-Lauſi nannten nun die Lateiner Marchia orientalis, d. h. die von der Mark Meißen aus öſtli liegende Mark, oder Mark Lauſi.
Anmerkung. Mark heißt Grenze, daher Mark- oder Marggrafſaft, eine Grenzgrafſaft, im Gegenſa zu einer innern, oder Pfalz- oder Burg-grafſaft.
Der Flächenraum der Lauſi enthielt, na der erſten bekannten Meſſung, 150 □ Meilen; ihre Länge war 20, ihre Breite circa 15 Meilen. Eingetheilt wurde ſie in die wendiſen Gaue Liudizi oder Luſici, Selpoli, Sprewa (Spree-), Nice (Neißegegend u. ſ. w.)
Um die Zeit 1032 ward ſie mit Meißen und 1123 mit Groiſ vereinigt.
Dann erwarb ſie ſi Albret von Ballenſtädt. Hierauf ward ſie zu Heinris und Conrads Zeiten wiederum mit Meißen verbunden. Weiterhin kamen ſie an Ascanien, Brandenburg, das Herzogthum Sweidni, Baiern und Böhmen, bis ſie im Jahre 1340 der böhmiſe König Johann von Luxemburg erbli erkaufte, ſo daß ſie von da an bei der Krone Böhmens verblieb, bis ſie 1635 an Saſen kam, das ſie bekanntli 1815 an Preußen verlor. Die witigſten Städte darin waren Luau, Lübben, Guben, Spremberg, Kalau, Cottbus, Sorau, Muskau, das ſpäter zur Ober-Lauſi geſlagen wurde, u. ſ. w.
Unſere Ober-Lauſi aber, wele au das Land Milciena oder Budsez (Budiſſin und Niſſin) hieß, war ebenfalls eine ſelbſtändige Markgrafſaft zwiſen der wahren oder Nieder-Lauſi, Böhmen und Sleſien, und bildete um's Jahr 1000 n. Chr. Geb. die ſorben-wendiſen Gaue Niſani, Gerelezi (Görli), Milsca (Milzener), worin Gersdorf; Zagoſt, worin Eybau, Rumburg lag u. ſ. w.
Anmerk. Ein Gau iſt ein Geaue, oder eine aus mehreren großen Auen beſtehende Grafſaft. Grav, Graw, Gravio aber heißt ſo viel als grau, Graukopf, d. i. ein alter Ritter, der für ſeine Dienſte mit einem Geaue belehnt wurde. Marchio aber heißt Mark, und ſo iſt aus Marchio-Gravio das Wort Markgraf entſtanden.
Die Ober-Lauſi gehörte ebenfalls einige Zeit zu Meißen; dann aber zum Herzogthum Jauer; au von 1084 an ſon einmal zu Böhmen; Anno 1112 gehörte ſie dem Grafen von Mannsfeld. Um die Zeit 1130 aber vereinigte Heinri die beiden Lauſien zu Einem Markgrafenthum, das 1136 an Böhmen kam. Anno 1205 kam wieder die Ober-Lauſi, jedo ohne Zittau, das bei Böhmen blieb, an Brandenburg. 1319 unterwarfen ſi die Ober-Lauſier Stände freiwillig abermals dem Könige von Böhmen, Johann von Luxemburg, von wo an nun au die Ober-Lauſi bei Böhmen blieb, bis ſie 1635 an Saſen und von dieſem zum größten Theil 1815 den 18. Mai an Preußen kam, wobei uns die beiden Sesſtädte Görli und Lauban,*) wie au Reienba, Markliſſa, Rothenburg, Muskau u. ſ. w. verloren gingen.
Ein anderer Geſitsſreiber ſagt mit einigen Abweiungen über die Lauſien Folgendes: „dieſelben waren ſonſt zwei Markgrafthümer in Oberſaſen, umgeben von Sleſien, Böhmen, Meißen, Thüringen, Churſaſen und Brandenburg. Bewohnt wurde ſie von den Milzenern, einem ſlaviſen Volksſtamme, der von dem Kaiſer Otto I. völlig beſiegt und zum Chriſtenthum bekehrt worden war. Ihren Namen haben die Lauſien von dem polniſen Worte Luzyce, d. h. Moräſte oder Moorland. Getrennt von der Nieder-Lauſi kommt die Ober-Lauſi ſon im Jahre 1000 vor, wo ſie aus mehreren einzelnen, meiſtens von der Krone Böhmens abhängigen Herrſaften, z. B. Budiſſin, Görli ꝛc. beſtand. Im Jahre 1234 ward ſie dur Vermählung der Prinzeſſin Beatrix mit dem Markgrafen Otto II. von Brandenburg an Brandenburg abgetreten. Nachher unterwarf ſie ſi dur ihre Stände freiwillig dem König von Böhmen, wodur ſie ſole ausgezeinete Rete und Privilegien erhielt, daß ihre Sesſtädte, die 1260 ſon alle erbaut waren, mit den teutſen Reisſtädten faſt gleien Rang hatten.
Dieſe Rete verloren ſie jedo im Jahre 1547 im Smalkaldiſen Kriege dur den ſog. Pönfall **) gänzli wieder und au Zittau büßte dadur die meiſten ſeiner Dörfer ein, die es ſi ſpäter mit ſwerem Gelde wieder einlöſen mußte.
Was die Größe der früheren Ober-Lauſi betrifft, ſo betrug dieſe 95 □ Meilen, und beide Lauſien zuſammen hatten einen Fläenraum von 245 □ M. (Stiart ſagt 175 □ M. mit 500,000 Einw.), alſo nur 27 □ M. weniger als unſer jeiges Königrei Saſen, das bekanntli nur no 272 □ M. hat. Nadem nun die beiden Lauſien bis 1635 bei Böhmen geblieben, im 30jährigen Kriege von dem Churfürſten Johann Georg I. im Jahre 1620 beſet worden waren, der ſie au 1630 als Pfand für die vielen Kriegskoſten und andere Sulden behielt, die ihm Oeſtrei zu bezahlen hatte und die 72 Tonnen Goldes, d. i. na Einigen 500,000 Thlr., na Andern 1,000,000 Gulden, na Brohaus' Lexikon 6 Millionen Fl. und na no Andern 7,200,000 Thlr. betragen, erhielt er dieſelben, da der Kaiſer Ferdinand II. eine ſole Summe nit bezahlen konnte, 1635 als erblies Eigenthum und wurde damit am 24. April 1636 feierliſt belehnt.
Anmerk. Zu dieſer Zeit jedo ſtand von unſerm jeigen Gersdorf no kein einziges Haus, da dies von der Huſſitenzerſtörung her no wüſte lag, weshalb … die Bewohner des verwüſteten Gersdorf nit die Vorfahren der jeigen Bewohner ſein können.
Bei dieſer Belehnung behielt ſi aber Oeſterrei die Sugeretigkeit über unſere beiden Ober-Lauſier Ciſtercienſernonnenklöſter, das im Jahre 1262 zu Marienthal und das zu Marienſtern im Jahre 1263 geſtiftete Kloſter vor, worin demna au die im Jahre 1849 gethane Frage über deren Aufhebung ihre Beantwortung fand.**) Im Jahre 1815 am 18. Mai, während des faſt 3jährigen, zu Wien abgehaltenen Congreſſes der gegen Napoleon verbündeten Großmäte Europa's, verloren wir … die ganze Nieder-Lauſi und au den größten Teil der Ober-Lauſi, ſo daß uns von den 95 □ M. derſelben nur no 38 □ M., aber die größere Hälfte der Bewohner blieb, die in 10 Städten und 500 Dörfern leben,*) wozu denn au unſre beiden Gersdorfe gehören, zu deren Geſite wir nun kommen.
Der anhand der Originalvorlage hier und im Folgenden wiedergegebene Text wurde geringfügig gekürzt [Markierungen durch: … ]. Es handelt sich dabei um ausschmückende Bemerkungen des Autors, thematische Abweichungen oder bekannt historisch nicht Belegbares.