🌴 🦕 Tiere der Urzeit 🦖 🌲

Vorbemerkung

Die von meinem Vater leider unvollständig überlieferte Sammlung illustrierter Urzeit-Datenblättern erschien ursprünglich im Verlag der Kakao-Compagnie Theodor Reichardt G.m.b.H. Wandsbek – Hamburg.

Die Zeichnungen stammen von Heinrich Harder. Die Serie „Tiere der Urwelt“ von Wilhelm Bölsche erschien zwischen 1910-1930.


Die wissenschaftlich inzwischen evtl. veralteten Texte entstammen der Originalbeschreibung der Sammelblätter.

Die Originalschreibweise wurde beibehalten.


Auf Wunsch kann ein externer Link zu entsprechenden Wikipedia-Einträgen zugeschaltet werden 👇️

Wikipedia an   oder Tafel 1

Riesengürteltier

(Glyptodon, prähistorisch bejagt.)

[die Bildrückseite ist leider so stark beschädigt (beklebt), dass der Originaltext dieses Bildes nicht mehr rekonstruierbar ist]

Wikipedia-Eintrag   👉️ Tafel 2

Riesenfaultier

durch die nächtliche Buschsteppe des diluvialen Südamerika schweifend.

Ein Zweig jener merkwürdigen amerikanischen Tiergruppe, zu der auch die lebenden Gürteltiere gehören, hat sich heute hoch hinauf ins dichteste grüne Blätterdickicht der südamerikanischen Urwaldbäume zurückgezogen. Mit schwach bezahntem Munde weiden seine Vertreter dort die Blätter ab, durch Hakenkrallen träg an die nährenden Zweige geklammert, so sehr Laubtier der Bäume geworden, daß sie mit Hilfe einer parasitisch ihr grobes Haar durchspinnenden Alge sogar die grüne Farbe ihres Blattverstecks angenommen haben, und in ihrem Ueberfluß so sehr an gemächlichste Bewegung auf ihrer fetten Weide gewöhnt, daß der Volkswitz sie als „Faultiere“ bezeichnen konnte. Gegenüber der völlig unscheinbaren Natur dieser Baumfaultiere, die höchstens Anlaß zu harmlosen Fabeln (wie Uebertreibung der angeblichen Faulheit) geben konnten, mußte es als eine der größten Ueberraschungen der neueren Tierkunde gelten, als ungeheure Knochen im Lehm der Pampassteppen von Südamerika zufällig gefunden, plötzlich Kunde von geradezu märchenhaft riesigen urweltlichen Faultieren gaben, die zu ihrer Zeit sicherlich die auffälligsten Charaktertiere ihres Landes gewesen sind. Mindestens bis in die gar nicht so sehr weit zurückliegende Diluvialzeit hinein müssen diese Kolosse noch fortgelebt haben, und zwar lebten auch sie gleich den heutigen Baumfaultieren ausschließlich in Amerika. Ihr markantester und größter Vertreter wurde von den Zoologen als das Megatherium (das Wort müßte eigentlich korrekt Megalotherium lauten) bezeichnet. Dieses „Riesenfaultier“ im eigentlichsten Sinne übertraf in der Gesamtlänge und der Massigkeit einzelner Knochen noch den größten Elefanten von heute. Bei seiner Schwere konnte es zweifellos keine Bäume mehr erklettern, sondern lebte als „Erdfaultier“ auf dem flachen Boden. Wenn ein solches Geschöpf auf nächtlicher Streiferei dort im Mondschein daher gestapft kam, über und über in seinen wirren Faultierpelz gehüllt, die Füsse schief, mit einer Seitem anstatt mit der Sohle aufgesetzt und die mächtigen Krallen so durch Einschlagen schonend, mit verhältnismäßig kleinem blöden Kopf, aber schier endlosem Leibe auf Trägern von unerhörter Massigkeit, so muß es wohl das sonderbarste und zugleich scheußlichste Säugetier gewesen sein, das die Erde je getragen hat. Seine Tatzenschläge müssen furchtbar gewesen sein, während sein Gebiß, wesentlich nur aus Backenzähnen bestehend, bloß auf harmlose Pflanzenkost eingerichtet war. Bei einigen eng verwandten, ochsen- und nashorngroßen Arten saß unter dem Pelz in der Haut noch ein besonderer Schutzpanzer aus kleinen bohnengroßen Knöchelchen. Die Haut eines solchen Tieres war für Pfeilschüsse wohl undurchdringlich. Seltsamer Weise besteht nun heute noch bei den Indianern jener südamerikanischen Pampas eine Sage von einem gewaltigen Geschöpf, das zu ihrer Väter Tage gelebt habe und mit keinem Pfeil erlegt werden konnte. Da man in neuester Zeit in einer Höhle in Patagonien merkwürdig frische, mit gelbrotem Haar bedeckte Fellstücke eines solchen Panzerfaultiers aufgefunden hat, gewann eine Weile die Vermutung auch bei vielen Fachgelehrten Raum, es könnten einzelne Nachzügler dieser Riesen da unten im unbekannteren patagonischen Gebiet heute noch existieren. Doch hat sich dafür bisher keine weitere Bestätigung gefunden. Dagegen ist gewiß, daß auch das Megatherium gleich dem Riesengürteltier mindestens noch in diluvialen Tagen von vorgeschichtlichen Menschen gejagt worden ist.

W. Bölsche.

Wikipedia-Eintrag   👉️ Tafel 3

Moa-Vögel

im neuseeländischen Farnwalde von Menschen gejagt.

Unser Vogel Strauß verdankt seine Volkstümlichkeit zwei besonderen Umständen. Erstens ist er ein Vogel und kann doch nicht fliegen. Zweitens stellt er im durchweg kleinen oder doch nur mittelgroßen Reicher der Vögel eine Kolossalform dar, die sich ernstlich den Maßen großer Säugetiere, etwa eines Hirschs oder Kamels, nähert. Die paar noch lebenden Straußarten in Afrika, Südamerika und dem indisch-australischen Gebiet verkörpern mit dieser Eigenschaft aber nur die zufällig noch fortexistierenden Reste einer allgemeinen Entwicklungsrichtung der Vögel, die bis vor relativ ganz kurzer Zeit höchst bedeutende Triumphe auf der Südkugel der Erde gefeiert hatte. Von recht verschiedenen Grundtypen aus waren dort Vögel allgemein zu flugunfähigen, aber dafür ausgesprochen riesenhaften Formen übergegangen. Nachdem einzelne davon schon früh wieder geschwunden waren (z. B. in Südamerika), starben andere, höchst auffällige und charaktieristische erst in den letzten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung sozusagen unter unseren Augen aus, bis endlich eben nur die lebenden echten Strauße (die übrigens auch durchaus nicht alle aus ein und derselben Stammgruppe hervorgesproßt waren) übrig blieben als letzte Zeugen geschwundener Pracht. Neben Madagaskar war es ganz besonders die Insel Neuseeland, die in den großen Tagen dieses stolzen Riesenvolks begünstigt war, aber dann auch um so kläglicher von ihm verlassen wurde. Heute lebt in den Urwäldern dort nur noch ein zwerghaftes Geschlecht immerhin straußenähnlicher Vögel, das Volk der sogenannten „Kiwis“. Die Maoris aber, die wilden Urbewohner der großen Doppelinsel, wissen nicht genug zu singen und zu sagen von ähnlich flugunfähigen, aber weit über mannshohen wirklichen Straußvögeln, die Jahrhunderte lang von ihren damals neu ins Land eingewanderten Vorfahren gejagt worden wären. Zoologische Nachforschungen haben dann in der Tata dort wahre Katakomben von Vogelknochen geliefert, die der Stärke nach anfangs zum Teil mehr nach Elefantengebeinen als Vogelresten ausschauen wollten. Man setzte die Skelette zusammenm die flügellose Straußvögel von weit mehr als heutiger Straußgröße ergaben. Eier und Federreste vervollständigten das Bild. So erstand die „Moa“, wie die Neuseeländerr das Sagentier getauft hatten, neu in unseren Museen. Lebend wollte sich aber auch in den dichstesten Wäldern der Insel leider kein Exemplar mehr finden, obwohl man Anzeichen zu besitzen glaubt, daß das eigentliche Aussterben nicht vor dem 18. Jahrhundert erfolgt sei. Wie dei Dinge liegen, bleibt nichts übrig, als auch den Moa-Vogel (die Skelette ergeben eine ganze Musterkarte verschiedener Arten) gegenwärtig zu den „vorweltlichen Tieren“ zu rechnen. In diesem Falle kann als durchaus wahrscheinlich angenommen werden, daß das Tioer erst der eifrigen Nachstellung der Menschen auf beschränktem Raum erlegen ist. Da Neuseeland keinerlei nahrunggebende Säugetiere ansässig besaß, mußten die in historischer Zeit dort zugewanderten Südseeinsulaner sich ganz besonders auf diese großen Jagdobjekte aus der Vogelwelt angewiesen sehen. Umgekehrt hatten die Moas selber sich in dem bis dahin so sicheren, raubtierfreien Asyl zu so schwerfälligen, absolut flugunfähigen und durch Größe leicht sichtbaren Formen ausgestaltet, daß der erfolgreichen Jagd Tür und Tor offen standen. Die größte Moaart erreichte eine äußerste Streckungslage von fast 4 m, also sehr viel merh, als der stärkste afrikanische Strauß. Der lateinische Name für jene imponierendste Form lautet „Dinornis“. Die Winzigkeit des Kopfes im Vergleich zu den oft wirklich elefantenhaften Beinen erinnert durchaus an die vorweltlichen reptilischen Brontosaurier.

W. Bölsche.

Wikipedia-Eintrag   👉️ Tafel 4

Das Einhorn Elasmotherium

in der Tundra (arktischen Moossteppe) der Diluvialzeit.

Es gehört zu den eigenartigsten Ergebnissen der geologischen Forschung, daß sie in verschiedenen Fällen ausgestorbene Tierformen zu unserer wirklichen wissenschaftlichen Kenntnis gebracht hat, die in auffälligen Zügen gewissen tierischen Sagengestalten menschlicher Phantasie entsprechen. Man hat öfter daraus den naheliegenden Schluß gezogen, daß hier noch eine dunkle Volkstradition von Ungetümen vorhanden gewesen sei, die in grauen Tagen noch mit dem Menschen in den Anfängen seiner Kultur zusammengetroffen wären. In einem Teil der Fälle ist das indessen höchst unwahrscheinlich, da der Mensch mit den entsprechenden Tieren nach unserer Kenntnis noch nicht zusammen gelebt hat. Die menschliche Phantasie muß dann wohl selbständig noch einmal den gleichen Weg gefunden haben, den einst die Natur selber gegangen war. Anders könnte dagegen die Sache zum Beispiel bei einem beliebten derartigen „Fabeltier“ liegen, das als das „Einhorn“ bekannt ist. Zwar das biblische Tier, dessen Namen Luther mit „Einhorn“ übersetzte, ist, wie wir heute sicher wissen, der Urstier gewesen. Aber daneben lebte und lebt eine wirkliche Sage von einem pferdehaften Tier mit einem gewaltigen Horn auf der Stirn in Asien fort. Die heutige Zoologie kennt eine solche Tierart nicht. Dagegen besitzen wir vorweltliche Reste eines gewaltigen Geschöpfes, das noch in der Diluvialzeit (also als Zeitgenosse des Mammuts) in Sibirien, Südrussland und dem Rheintal gelebt hat und eine zweifellose Aehnlichkeit mit dem fraglichen Einhorn besessen haben muß. Wenn man annehmen willm daß dieses Ungetüm in gewissen Gegenden Asiens noch sehr spät fortexistiert hat und daß gewisse Jägersagen der heutigen Tungusen sich direkt darauf beziehen, so wäre in der Tat möglich, daß die Einhornlegende noch an dieses wirklich einmal vorhandene, obwohl heute ausgestorbene Geschöpf angeknüpft hätte. Der Zoologe nennt es das Elasmotherium. Es handelt sich um ein huftragendes, dreihufiges Säugetier von imposanter Größe, denn der Schädel allein mißt 1 m an Länge. An diesem Schädel zeigt sich auf der Stirn eine kolossale Knochenanschwellung, die nicht gut etwas anderes sein kann, als die Stützbasis eines entsprechend kolossalen Einhorns, also ganz im Bilde des legendären Einhorns. Dabei hatte der übrige Kopfbau und Gesamtkörper auch eine entscheidene Beziehung zum Pferne. Systematisch rechnet man zwar das Elasmotherium zu den Nashörnern, aber innerhalb dieses Typus stellt es die am meisten pferdeähnliche Form dar. Außerdem ist es eine sichere Errungenschaft neuer geologischer und zoologischer Erkenntnis, daß die Nashörner nächste Verwandte der Pferde sind. Sie stellen eine alte Abzweigung im gemeinsamen Stammbaum dar, die uns noch heute eine gewisse Stufe der Entwicklung des Pferdes bis zu bestimmtem Maße annähernd vorführt. Das Nashorn ist eine Art stark abgeirrten, aber lebendig so bis heute erhaltenen Urpferdes, und in diesem Sinne entspräche das Elasmotherium also ebenfalls dem allgemeinen Bilde eines gehörnten Pferdes. In jener Diluvialzeit, der unser Tier angehört, reichte durch den bekannten Temperatursturz der „Eiszeit“ die heute für den hohen Norden charakteristische „Moossteppe“ (Tundra) zeitweise bis tief nach Deutschland hinein und würde also auch dort die echte Staffage des Elasmotheriums gebildet haben.

W. Bölsche.

Wikipedia-Eintrag   👉️ Tafel 5

Der Plesiosaurus

im Ozean der Juraperiode.

In den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurde man in England aus uralten Meeresablagerungen, die der Geologe der sogenannten Juraperiode zurechnet, zum ersten Male mit den Skeletten eines vorweltlichen Geschöpes bekannt, das recht eigentlich alle höchsten Erwartungen, die man an „Wunder der Urwelt“ damals zu stellen anfing, erfüllen sollte. Ein Reptil von (zunächst) ungefähr mittleren Krokodilmaßen kam zu Tage, das offenbar schwimmend im Ozean jener Zeit gelebt hatte und dabei den denkbar groteskesten Anblick gewährt haben mußte. Denn aus einem gedrungenen, zwar nicht verpanzerten, aber doch durch seltsame Bauchwandverknöcherungen höchst abnorm unten abgeschlossenen Leibe von beinah schildkrötenähnlichem Habitus mit entsprechenden vier Ruderpaddeln reckte sich ein endloser schwanenhafter Hals vor, der in Verbindung mit dem kleinen spitzen Kopf eher an eine Schlange gemahnen wollte. Obwohl der Reptilientypus ja beides aus sich gebracht hat: Schildkröte und Schlange, – so mußte doch die Kombination in ein und demselben Tier als der Gipfel der Leistung erscheinen. Seither sind vielfältig auch an anderen Orten vollständige Skelette des Wunderwesens gefunden worden, so neurelich besonders schöne verschiedener Arten im Juraschiefer von Holzmaden in Schwaben und wahrhaft ungeheure, über 10 m lange im Kreidegestein Nordamerikas. Da hat man denn mehr und mehr eisehen gelernt, daß auch jene Vergleichung noch nicht das ganz recht trifft. Man steht im Plesiossaurus (wie der alte Hauptname des in sich noch wieder vielgestaltigen Geschlechts lautet) vor einer schlechtweg einzigartigen Ausgeburt des älteren Reptiltypus, die nie vorher noch nachher ihre gleichen gehabt hat. Ihre Geschichte können wir heute allerdings annähernd zurückverfolgen; auch die größten und extremsten dieser Schwimmer des alten Ozeans stammten von (zunächst recht kleinen) Reptilien der noch älteren Triasperiode ab, die damals bereits wie unsere meisten lebenden Eidechsen die echten Schreitfüße eines Landbewohners erlangt hatten und anfangs gar keine Neigung zu solchen schlangenhaften Langhälsen zeigten. Eine extreme Rückanpassung an das Leben im Ozean waren also zu ihrer Zeit bereits die schwimmenden Plesiosaurier, ein Beweis, wie viel Hin und Her der Entwickelung schon in diesen grauen Tagen sich abgespiel hat. Sie hatten diesen Ozean wieder zum Revier erwählt, da er unerschöpfliche Beute an Fischen, Tintenfischen udn anderem Getier für den Fleischfresser bot. Trotz ihrer famosen Flossenbeine werden die Plesiosaurier aber wohl weniger als die ähnlich angepaßten Ichtyosaurier ihrer Zeit sich auf der eigentlichenn Hochsee getummelt haben. Ihr Körperbau war besonders geeignet, näher dem Ufer auf seichterem Gebiet schildkrötenhaft an der Oberfläche zu treiben oder zu ruhen, wobei der enorm lange Hals mit dem kleinen Kopf bald nach Schwanenart gründelnd sich in die Tiefe hinabversenkt, bald sich über die Fläche emporgereckt haben mag, um auch im letzteren Falle wohl plötzlich einen unerwarteten Vorstoß nach unten zu machen. Eine wirkliche schwanenhafte Doppelkrümmung beim offenen Schwimmen auf dem Spiegel dürfte der ungelenke Skelettbau des Halses nicht wohl zugelassen haben; als pfeilschnell funktionierende Angel und treffsicherer, immerhin biegsamer Enterhaken wird dieser Hals sich aber jederzeit glänzend bewährt haben. Die erwähnten korsettartigen Verknöcherungen der Bauchseite, die „Bauchrippen“, die die starken Beckenplatten mit den starken Brustplatten des Skeletts verknüpften, mochten gleichzeitig gegen die stürmische Brandung schützen. Trotz so vieler glücklicher Einzelanpassungen hat der Plesiosaurus aber doch nur eine gewisse Zeit ausgedauert. Als die Tage der Säugetierherrschaft nahten, die auch das Meer mit Delphinen bevölkern sollten, ist er radikal wieder verschwunden.

W. Bölsche.

Wikipedia-Eintrag   👉️ Tafel 6

Riesenhafte Iguanodonten

in einer Landschaft aus dem sogenannten Wälderton (Grenze von der Jura- zur Kreideperiode).

Im Jahre 1878 sollte in einem Bergwerk zu Bernissart in Belgien ein Stollen durch die Ablagerungen des sogenannten Wäldertons getrieben werden. Dabei geriet man auf ungeheure Tierskelette, die zum Teil noch aufrecht im Gestein standen, als seien die Tiere einst, als die jetzt seteinhaft verhärtete Masse noch loser Sandschlamm war, senkrecht darin versunken. Nach unsäglichen Mühen gelang es, den wunderbaren Schatz größtenteils zu heben und für das Museum wieder in Normalstellung zusammenzusetzen. Tief schwarzbraun gefärbt, als beständen sie aus Schokolade, ragen die gespenstischen Kolosse aus dieser Ausbeute heute im Museum zu Brüssel vor dem erstaunten Besucher auf, die größten mit einer Länge von nicht weniger als 10 Metern, von denen ein großer Teil bei der aufrechten Känguruhstellung zugleich wirkliche Höhe wird. Diese Stellung, rein hüpfend auf den dreizehigen Hinterfüßen, war zweifellos eine normale im Leben der Träger dieser Skelette. Man hat es indessen nicht mit wirklichen vorweltlichen Riesenkänguruhs zu tun, sindern mit Sauriern, also Reptilien, und zwar mit Vertretern der im Ganzen heute ausgestorbenen Ordnung der sogenannten Dinosaurier. Als sie großartige Entdeckung gemacht wurde, kannte man das Tier bereits aus minderwertigen englischen Funden als „Iguanodon“. Der Name drückt eine Beziehung zu der heutigen Iguana, der Leguan-Echse, aus, doch beruht diese angeblichen Aehnlichkeit auf einem Irrtum. Eher wird man sich das Bild des Geschöpfs nach dem eines Krokodils ausmalen können, das auf vogelhaft verlängerten Hinterbeinen hüpfte. Doch wird der tief nach hinten und unten hängende Bauch auch eine Analogie zu unserenPinguinen hineingebracht haben. Die Zähne deuten nicht auf ein krokodilhaftes Raubtier, sondern einen Pflanzenfresser. Der merkwürdig platte, aber enorm starke Schwanz sieht durchaus nach Verwendung auch für das Wasser aus, das dem Tier vielleicht in einem froschartigen Uferleben stets halbe Heimat geblieben war. Anderwärts erhaltene Fußspuren im ehemaligen Uferschlamm dre Zeit, die genau auf seine Maße passen, zeigen es als grotesken Hüpfer auf schlickigem Terrain nahe der Wasserkante. In solcem Sumpfboden alter Wattenmeere mögen gelegentlich auch die Exemplare von Bernissart durch Versinken ein klägliches Ende gefunden haben. An den fünffingrigen Händen bildete der dolchartig zugespitzte abstehende Daumen wahrscheinlich eine wirksame Waffe. Die Iguanodonten gingen noch in der Kreidezeit endgültig wieder unter, der Mensch ist ihnen also nicht mehr begegnet. Ihre gefährlichsten Feinde werden zeitgenössische andere Dinosaurier gewesen sein, die bei ähnlicher Grösse ebenfalls auf den Hinterbeinen hüpften, aber Raubtiergebisse führten.

W. Bölsche.

Wikipedia-Eintrag   👉️ Tafel 7

Fledermaus-Saurier

oder Pterodaktylen der Juraperiode.

In den mittleren Epochen der Erdgeschichte führten die Saurier eine Art Erdherrschaft. Das bedeutete, daß sie nicht nur an Zahl, Größe und allgemeiner Vielseitigkeit alle anderen oberen Tierformen überflügelt hatten, sondern vor allem auch, daß sie sich den denkbar verschiedenartigsten Anpassungen in jedem Milieu gewachsen zeigten. Während ein Teil wieder ins Meer ging und dort die Situation eroberte, andere die Ufer, die Wälder, die Steppen unsicher machten, indem sie die verschiedensten Bewegungsarten vom krokodilischen Kriechen bis zum känguruhhaften Hüpfen durchprobten, erkletterten noch wieder andere die Bäume, haschten ihre Beute im kühnen Sprunge und sausten hoch durch die Lüfte von Ast zu Ast oder Krone zu Krone. In dieser letzteren Linie war es nun kein besonderes Wunder, daß aus springenden und schwebenden Baumsauriern endlich auch Flugsaurier entstanden, in ähnlicher Weise, wie bei unseren Eichhörnchen aus glänzenden Astspringern endlich auch „fliegende Eichhörnchen“, die sich auf einer Flughaut der Luft anvertrauen, geworden sind. Der Flugapparat, der sich damals bei diesen Sauriern entwickelte, nahm allerdings eine charakteristische Sonderform an, die weder mit dem der Vögel noch dem der Fledermäuse Aehnlichkeit hat und sich höchstens mit dem der Fledermäuse vergleichen lässt, ohne daß doch je eine anderweitige engere Verbindung auch zwischen diesen Fledermäusen und jenen uralten vorweltlichen Saurern bestanden hätte. Bekanntlich fliegen unsere Fledermäuse hauptsächlich auf den gespreizten, durch eine feine Flughaut miteinander verknüpften Fingern, die etwa die Rolle der Fischbeinstäbe im Tuch eines Regenschirms vertreten. Jene Saurier verwerteten zu dem Zweck nun bloß ihren „kleinen Finger“, der in diesem Falle aber weit über das Maß aller anderen hinausgereckt wurde. Von ihn spannte sich eine sichelförmige Flughaut bis zu den Hinterbeinen. Bei vielen Arten war auch der mehr oder minder lange Schwanz noch mit in den Flugapparat einbezogen, ja bei einzelnen trug er an der Spitzen ein besonderes Steuersegel. Das Skelett zeichnete sich wie bei den meisten Vögeln (mit denen diese Sorte Saurier aber ebenfalls keinerlei direkte Beziehung gehabt zu haben scheint) durch besonders leichte Beschaffenheit aus. Nur der Kopf blieb auch in dieser Fledermaus-Maske des Ganzen zunächst der typische Reptilienkopf mit (wenigstens bei den älteren, hier wesentlich betrachteten Formen) einem krokodilhaft kräftigen Gebiss, das diese Flieger zugleich als energische Räuber an anderem, wehrloserem Flugvolk erwies. Von irgendeiner federartigen Bedeckung fehlte jede Spur, was wir um so sicherer behaupten dürfen, als der Solhofener Juraschiefer, aus dem wir den Federabdruck des Urvogels Archäopteryx (vergl. Taf. 15) so gut kennen, uns mehrfach auch gute Umrisse von Hautteilen dieser fliegenden Reptile erhalten hat. Die Saurier, die dort zur Jurazeit am Strande des schwäbisch-fränkischen Jurameeres flogen, waren duchweg kleine Gesellen, die man sich nicht als märchenhafte Drachen, sondern schlicht in den Maßen unserer Möven, Seeschwalben und heimischen echten Fledermäuse vorstellen muß. Sie mögen dort besonders den riesigen Libellen nachgestellt haben, deren Abdrücke der Solhofener Stein ebenfalls bewahrt hat. Die wichtigste hergebrachte Bezeichnung ist Pterodaktylus, zu deutsch „Flugfinger“, nach ihr wird wohl auch die ganze Gruppe benannt. Im Engeren unterscheidet man die mehr langschwänzigen Arten vom echten Pterodaktuylus als Rhamphorhynchus. Erst in der Kreidezeit, also gegen Ende ihrer zetlichen Bahn, scheinen diese Flugsaurier sich dann zu jenen wirklichen „Luftdrachen“ ausgewachsen zu haben, wie sie auf unserer Tafel 14 in einem charakteristischen Vertreter vorgeführt sind.

W. Bölsche.

Wikipedia-Eintrag   👉️ Tafel 8

Das Sivatherium

ein vorweltlicher Verwandter unserer Giraffe.

Die Giraffe, das große Schaustück unserer zoologischen Gärten, verdankt ihren Ruf in erster Linie der abnormen Länge ihres Halses. Wie so oft, geht es aber auch hier: für den Tierkundigen, der sich näher mit dieser Giraffe und ihrer Stellung im übrigen Tierreich beschäftigt, erscheint gerade dieser lange Hals nur als ein gewissermaßen nebensächliches Merkmal. Die Giraffen bilden eine Familie der paarzehigen Huftiere, deren Mitglieder keineswegs alle solchen Langhals besitzen müssen. Noch heute lebt in den äldern des tropischen frikas in dem neuerdings erst entdeckten Okapi eine durchaus kurzhalsige Giraffe, und in vorweltlichen agen, in denen die giraffenhaften Tiere viel weiter als heute auf der Erde verbreitet waren, (z. B. auch bei uns in Griechenland hausten) hat es eine ganze Masse der verschiedenartigsten nicht langhalsigen Giraffenverwandten gegeben. Die merkwürdigste und zugleich kolossalste Form dieser Art führt unser Bild vor, nämlich das nahezu dem Elefanten an Größe gleichkommende Sivatherium oder Siva-Tier, benannt nach der schrecklichen indischen Gottheit Siva oder Schiva. Es lebte im letzten Drittel der Tertiärzeit im südlichen Vorlande des heutigen Himalaya, wo sich seine wohlerhaltenen Gerippe in den sogenannten Sivalik-Schichten, die nach einer Hügelkette dort benannt sind, noch heute finden. Alle Giraffen stehen im System der Säugetiere den Hirschen am nächsten, unterscheiden sich von ihnen aber besonders durch die Art ihres Gehörns. Wo ein solches bei ihnen vorhanden ist, da besteht es nur aus einfachen Knochenzapfen des Schädels, die nicht periodisch wie die Geweihe der Hirsche abgeworfen und wieder erneuert werden. Bei unserer langhalsigen Giraffe bleiben diese Zapfen zeitlebens als ziemlich unscheinbare Gebilde mit Haut überwachsen. Bei dem gewaltigen Sivatherium war das Merkwürdige, daß von seinen vier Schädelzapfen das hintere Paar wenigstens in der äußeren Form schon eine gewisse Ähnlichkeit mit einem echten Hirschgeweih angenommen hatte. Während die einen Forscher vermuten, daß auch dieses stattliche Gehörn ganz mit Haut überzogen gewesen ist, denken sich die anderen es mit Hornscheiden versehen, die als solche hier periodisch abfielen und wieder nachwuchsen.

W. Bölsche.

Wikipedia-Eintrag   👉️ Tafel 9

Das Dinoceras

ein vorweltliches Huftier mit sechs Hörnern.

Heute leben auf der Erde noch 3 Gruppen von Huftieren: die Paarhufer (Nilpferde, Schweine und Wiederkäuer), die Unpaarhufer (Tapir, Nashorn, Pferd) und die Elefanten (denen sich die kleinen sogenannten Klippschliefer und die Seekühe nahe anschließen). In der Urwelt gab es aber noch eine ganze Anzahl solcher Hauptgruppen mehr, die nach Erzeugen der oft bizarrsten Gestalten ebenso rasch wie spurlos wieder von der Bildfläche verschwunden sind. Dazu gehörten auch die meist ganz besonders riesenhaften „Amblypoden“, deren sonderbarsten Vertreter unser Bild in dem sechshörnigen Dinoceras (auch Uintatherium genannt) nach wohlerhaltenen Gerippen, die sich in Ablagerungen der älteren Tertiärzeit in Nordamerika gefunden haben, wiederhergestellt vorführt. Die Kopfzier dieses im übrigen Leibesbau teils ochsen-, teils elefanten-, teils nashornhaften Ungetüms bestand tatsächlich in nicht weniger als sechs Knochenauswüchsen des Schädels, die wahrscheinlich die sechs mit wirklichen Hornscheiden oder hornhaften Hautgebilden besetzt waren, also den Anblick von sechs Ochsen- oder Rhinozeroshörnern auf ein und demselben Kopf gewähren konnten. Dazu kam aber, um das ungeheuerliche Bild auf den Gipfel zu bringen, im Oberkiefer auch noch lang vorspringende Eckhauer, über deren praktische Verwertung bei dem offenbar pflanzenfressenden Geschöpf man keinerlei sicher Vermutung hat. In diesem beispiellos verunstalteten Kopfe saß das denkbar winzigste Gehirn, so daß das Ungeheuer hinsichtlich seiner Verstandesqualitäten weit hinter jedem Nashorn oder Stier von heute zurückgestanden haben muß. Man wird annehmen dürfen, daß es längere Zeit in einer Art „Asyl“ lebte, einer futterreichen Gegend, in der es an großen Angreifern fehlte, und daß es dort seine wunderlichen Kopfgebilde weniger im Sinne von Waffen, als von schmuckhaften Verzierungen ausgelidet hatte, wie wir sie ähnlich auch schon bei anderen vorweltlichen Tieren in einer unser ästhetisches Empfinden allerdings eher abstoßenden Form entwickelt finden.

W. Bölsche.

Wikipedia-Eintrag   👉️ Tafel 10

Das Dinotherium

ein urweltlicher Elefant mit abwärts gebogenen Stosszähnen.

Die Stoßzähne unseres Elefanten, die das unschätzbare Elfenbein liefern, sind seit Alters ein Streitobjekt der Gelehrten. Sie sitzen bekanntlich im Oberkiefer und biegen wachsen in stolzer Krümmung nach oben. Früher hielt man sie für die abnorm vergrößerten und aus dem Maul hervorwachsenden oberen Eckzähne, bis man erkannte, daß es sich um riesige Schneidezähne handelte. Das größte Erstaunen aber mußte erregen, als im Jahre 1835 zu Eppelsheim bei Darmstadt der über ein Meter lange Schädel eines urweltlichen Elefanten ausgegraben wurde, bei dem die Stoßzähne gerade umgekehrt aus dem Unterkiefer wuchsen und sich von da auch entsprechend nach unten einkrümmten. Da die übrigen Skelettknochen sich zunächst nicht hinzu finden wollten, konnte man sich anfangs nicht entschließen, in dem rätselhaften Geschöpf wirklich einen echten Elefanten anzuerkennen, sondern riet auf eine Seekuh, also ein flossentragendes Säugetier. Erst nach langen Jahren wurde das Gesamtskelett an anderen Fundstellen entdeckt, nachdem jener erste Schädel auf dem Transport nach England verunglückt war, un nun stellte das Ganze sich doch als eine sehr große Elefantengattung heraus. Man nannte sie das „Schreckenstier“ oder Dinotherium. Der Riese hatte in der mittleren Tertiärzeit in Europa wie in Ostindien gelebt. Seine eigentümlichen Stoßzähne mag er in ähnlicher Weise zum Ästebrechen im Urwald verwerter haben, wie unser lebernder Elefant, obwohl ihre Lage zum Rüssel dafür nicht ganz so günstig war. Wenn er auch keine Seekuh war, so wird er doch gern ein Bad genommen haben. Neueste Forschung hat übrigens dargetan, daß die wirklichen Seekühe auch nichts anderes sind, als vollkommen dem Wasserleben angepaßte Urelefanten

W. Bölsche.

Wikipedia-Eintrag   👉️ Tafel 11

Der Stegosaurus.

Zu jener völlig ausgestorbenen Reptilienordnung, die man als die der Dinosaurier bezeichnet, gehörte neben dem aufrecht trabenden Iguanodon auch das überaus sonderbare vierbeinig schreitende Geschöpf, das unser Bild wieder herstellt: der sogenannte Stegosaurus. Seine Skelette sind in den unteren Kreideschichten von England und besonders Nordamerika gefunden worden. Die größten Exemplare maßen volle 9 Meter, also mindestens halb soviel wie der größte Walfisch. Auf einen relativ kleinen Kopf folgte diesmal ein unverhältnismäßig riesiger Leib, dessen Rückenmarkskanal in der Beckengegend die Gehirnhöhle um das Zehnfache übertraf. Einzig aber selbst in dieser Gesellschaft der Urweltsdrachen, die doch an Wundern nichts zu wünschen übrig ließen, war in diesem Falle die ungeheure Schutzwehr des Halses, Rückens und oberen Schwanzstücks in Gestalt eines steinharten Kammes aus einer Doppelreihe senkrechter Knochenplatten, die mit Horn überzogen waren. Man wird kaum fehl gehen, wenn man darin eine wirksame Verpanzerung gegen die Angriffe der großen, tigerhaft von hinten aufspringenden Raubsaurier der Zeit sieht, die diese harmlosen Pflanzenfresser, die auf elefantenartigen Füßen mit kleinen Hufen liefen, bedrohten. Von dem soliden Kamm zurückgehalten und vielleicht eingeklemmt, mag der Angreifer noch den aktiven Schlägen der unteren Schwanzpeitsche ausgesetzt gewesen sein, die mit mehreren Paaren großer Stachel besetzt war. Man hat in anbetracht dieser schier unglaublichen Kammbildung die ersten Wiederherstellungen dieses Sauriers durch den amerikanischen Paläontologen Marsh öfter anzweifeln wollen, die neueren Funde haben aber die Sachlage nur bestätigen können. Nahe verwandte Formen waren zum Teil in gürteltierhafte Panzer gehüllt und statt der Kammschilder blo mit furchtbaren Knochenstacheln bewehrt.

W. Bölsche.

Wikipedia-Eintrag   👉️ Tafel 12

Der Vogel Hesperornis

mit Zähnen in den Kiefern.

Viele Tiergeschlechter haben ursprünglich Zähne besessen, haben sie im Verlauf ihrer Fortentwicklung dann aber wieder abgeschafft. So stammt der riesige Grönlandswal, der heute absolut zahnlos ist, von Walfischen ab, die sehr tüchtige Gebisse hatten, und diese Verwandtschaft erweist sich noch heute anschaulich durch die Tatsache, daß der Embryo (Keim im Mutterleibe) dieses zahnlosen Wals vorübergehend noch kleine, niemals zur Benutzung kommende Zähnchen entwickelt. Bekanntlich haben nun unsere lebenden Vögel ebenfalls keine echten Zähne, sondern ersetzen sie durch die scharfen Ränder ihres Schnabels, der Hornschneiden über den Kieferknochen bildet. Da man indessen gelegentlich bei den Embryonen von Papageien ebenfalls vorübergehende zahnähnliche Gebilde aufgefunden hatte, lag die Vermutung nahe, es hätten auch diese Vögel insgesamt Vorfahren mit einem echten Zahngebiß besessen. Solche wirklich „bezahnten“ Vögel entdeckte nun zum ersten Mal der Paläontologe O. Marsch in der oberen Kreide von Kansas in Nordamerika. Die hier dargestellte Form, von der man vollständige Skelette besitzt, ist der sogenannte „königliche Westvogel“ (Hesperornis regalis). Es handelt sich um einen großen Seevogel, der zweifellos mit seinem stattlichen Gebiß kegelförmiger, in Rinnen des Ober- und Unterkiefers eingepflanzter Zähne ein gewaltiger Fischräuber war. Gleich unseren lebenden Pinguinen war er vollkommen flugunfähig geworden, seine Vordergliedmaßen waren bis auf einen verschwindenden Rest ganz verkümmert. Dabei war er aber doch in allen übrigen Merkmalen bereits ein echter Vogel. Heute weiß man, daß in der Tat alle Urvögel bezahnt gewesen sind, so auch der berühmte Reptilvogel Archäopteryx.

W. Bölsche.

Wikipedia-Eintrag   👉️ Tafel 13

Hadrosaurier

der Kreidezeit.

Außer dem auf Taf. 6 dargestellten Känguruh-Saurier Iguanodon existierten in der gleichen erdgeschichtlichen Reiode (bis zum Ende der Kreidezeit) noch zahlreiche andere Dinosaurier, die ebenfalls gewohnheitsmäßig auf den Hinterbeinen hüpften. Neben stark abweichenden freischfressenden Formen gab es da auch pflanzenfressende, die doch vom echten Iguanodon-Typus sich ebenfalls zum Teil recht charakteristisch unterschieden. Als Gattung letzterer Sorte kennt man durch fast vollständige Skelette aus Nordamerika besonders anschaulich den Hadrosaurus (auch Trachodon genannt), dem der Ciaosaurus und andere nahe stehen. Hadrosaurus selbst war ein Riese wie die größten Iguanodonten von Bernissart. Die aufrechte Känguruh-Stellung bewährte sich aber bei ihnen noch deutlicher als dort in den enorm langen und steilen Hinterbeinen und den noch schwächeren, extrem verkümmerten Vorderbeinen oder Armen. Wie kleine klunkerhafte Anhängsel können diese Aermchen nur noch an der sonst fast schon vogelhaft zweibeinigen Gestalt gehangen haben. Ueberaus merkwürdig aber war bei diesen Hadrosauriern die Ausgestaltung des Kopfes. Schon bei den echten Iguanodonten bemerkt man vor den stattlichen Zahnreihen beider Kiefer eine Art besonderer Raff- und Rupfschnauze, die in etwas an die obere Kieferbildung unserer Kühe erinnert, darüber aber weit hinaus sich zur Form eines regelrechten Schnabels erweitert. Die Kieferspitzen trugen hier zweifellos einen derb zupackenden Hornüberzug nach der Weise etwa eines Papageienschnabels, wobei unten noch ein besonderer halbmondförmiger, am Rande gezackter Knochen mithalf. Dieser Rupfschnabel war jedenfalls ein sehr wirksaames Instrument beim Abreißen mehr oder minder harten Pflanzenmaterials, wie es in den Palmfarnen und Nadelhölzern der charakterischischen Vegetation jener Zeit gerade gegeben war. Beim echten Hadrosaurus aber erscheint nun diese zahnlose Vorderschnauze jedenfalls so breit und platt auseinandergezogen wie ein gewaltiger Entenschnabel oder auch wie der entsprechend sonderbare Schnabel des heute noch lebenden, aber selber sehr altertümlichen Wasserschabeltiers unter den Säugetieren. Das auch hier erst weiter hinten beginnende eigentliche Gebiß zeigt dann in ähnlicher Weise wie bei Iguanodon neben den eigentlich funktionierenden und allmählich mehr oder minder stark abgekauten Zähnen bereits frisch vordrängende Ersatzzähne. Indem letztere aber in mehreren Lagen gleich übereinander auftreten, entsteht im Ganzen eine wahrhaft ungeheurliche Zahnziffer, die gelegentlich bei Hadrosaurus oben und unten zusammen mit 2072 Zähnen festgestellt wurde. Angesichts dieses merkwürdigen Mauls ließe sich die Frage aufwerfen, ob diese Hadrosaurier nicht ihre Hauptnahrung gründelnd wie ungeheure Enten im Wasser gesucht haben, wobei sie außer Pflanzenkost zu sich zu nehmen auch nach Schnabeltierart vielfach Muscheln geknackt haben könnten. Die Form des platten Schwanzes weist jedenfalls auch hier entschieden auf eine amphibische Lebenweise hin.

W. Bölsche.

Wikipedia-Eintrag   👉️ Tafel 14

Der Riesenflugsaurier Pteranodon

schwebend über dem nordamerikanischen Kreidemeer.

Wines der märschenhaftesten Bilder, die uns die Urwelt überliefert hat ! Man denke sich endlose Gebiete des heutigen nordamerikanischen Kontinents als weite Ozeanfläche unter Wasser begraben. Es war um die mittlere Kreidezeit, und diese Epoche war überall auf der Erde ausgezeichnet durch ein starkes Untertauchen der Länder und Uebergreifen des Meeresgebiets. Nun waren schon in der voraufgehenden Juraperiode zahlreiche unter den damaligen erdbeherrschenden Sauriern dazu übergegangen, sich auf fledermaushaften Flughäuten flatternd in die Luft zu erheben (vergl. Taf. 7). Auf dem amerikanischen Ozean führte dieses Experiment aber jetzt zu einem Extrem souveräner Flieger in Sauriergestalt, wie es nie vorher noch nachher die Erde wieder gesehen hat. Während die meisten jener frühen Flattersaurier sich in bescheidenen Größenmaßen gehalten hatten, erhob sich dieses nordamerikanische Drachenvolk jetzt mit beispielloser Kühnheit zu dem Problem, auch einen Riesensaurier von den Gesamtmaßen etwa mittelgroßer Iguanodonten oder Ichtyosaurier echt drachenhaft in den Lüften zu zeigen. Es entstanden Flugdrachen von einem wesentlich fortentwickelten Pterodaktylusschlage, die gleich dieser Altform unseres Solhofener Strandes ebenfalls vermittelst sicherförmiger Flughäute, die sich von der Spitze des kleinen Fingers bis zu den Hinterbeinen spannten, frei die Luft durchquerten. – die aber dabei eine Spannweite von ganzen zwanzig Fuß entwickelten. Um eine Maschine von solcher Größe noch zu handhaben, waren die vollendetsten Einzelanpassungen des Körperbaues durchgeführt, die zum Teil an Berechnungen erinnern, wie wir sie heute unseren Zeppelinschen und anderen lenkbaren Luftschiffen zu Grunde legen. Der eigentliche Körper zwischen den enormen Flugsegeln war auf ein Mindestmaß an Gewicht und Größe reduziert: alle Knochen hohl und papierdünn, die Hinterbeine nur noch puppenhafte Anhängsel, kein Schwanz, keine Zähne; der Kopf zwar durch langen Schnabel und eine maskenartige hintere Verzierung übergroß, aber dafür ebenso papierdünn in der Masse und in den gesamten Flugmechanismus als prächtiges, beweglich einstellbaren Steuer verrechnet. Es ist nachgewogen worden, daß bei solcher Sachlage der ganze Körper des Drachen, dessen Kopf allein ein Meter lang war, nur 15 Kilo gewogen haben kann. Pteranodon hat man dieses technische Wunderwerk der Natur benannt. Das Wort betont zugleich das Fliegen und die charakteristische Zahnlosigkeit des vogelhaften Schnabels. Bei alledem blieb das Geschöpf Reptil. Mit der Entwicklung der Vögel hat es keinen Zusammenhang gehabt, und seine Existenz schließt mit der Kreidezeit ab. Da gerade fliegende Tiere (Vögel, Schmetterlinge, die kleine heute noch lebende Flugeidechse Drako u. a.) gern in prächtigen Farben erschillern, liegt es nahe, sich auch dies graziösen Drachen mit dem leuchtendsten Kolorit, das je Reptilien zur Verfügung gestanden hat, gefärbt zu denken.

W. Bölsche.

Wikipedia-Eintrag   👉️ Tafel 15

Der Reptilienvogel Archäopteryx

am Strande des Jura-Meeres bei Solnhofen in Franken.

In der näheren und weiteren Umgebung des mittelfränkischen Dorfes Solnhofen befindet sich eine der wichtigsten geologischen Fundstätten der Welt. Zu der vor vielen Jahrmillionen schon abgeschlossenen Juraperiode bildete das damalige fränkisch-schwäbische Meer dort seichte Buchten, an deren Grund und Ugern sich ein äußerst feiner Kalkschlamm ablagerte, der, später zu Stein verhärtet, heute den sogenannten lithographischen Schiefer darstellt, den wir zu technischen Zwecken abbauen. Als dieser Schiefer aber noch weicher Schlamm war, belebten jene Buchten die seltsamen Tiere des Jura-Meeres, und viele ihrer Exemplare gerieten gelegentlich zwischen die feinen Schlammhäutchen, die dann ihre Umrisse, Ausgüsse und Abdrücke durch allen Wechsel der Zeiten bis heute treu bewahrt haben. An dieser denkwürdigen Stelle, die so geschickt einsargte und zu förmlichen Archiven sammelte, daß sogar die vergänglichen Umrisse der gallertartigen Quallen des Strandes von dazumal sich erhalten haben, ist uns als einzigem Ort der ganzen Welt nun das sichere Dokument in Gestalt zweier Tiergerippe überkommen, daß schon zur fernen Jurazeit auch Vögel die Meeresufer belebt haben. In diesem guten Material dort konnten sich nämlich selbst Vogelfedern deutlich erkennbar abprägen, und da zweimal auch mehr oder minder gut die zugehörigen Gerippknochen vorhanden sind, so weiß man heute genau, wie diese Jura-Vögel, die da noch als Zeitgenossen der Ichtyosaurier und Flugdrachen lebten, ausgesehen haben. Die heutige Entwicklungslehre nimmt an. daß unsere Vögel von den Reptilien abstammen, also eben von irgendwelchen Zugehörigen jenes alten Sauriervolkes selbst, wenn auch nicht gerade den fledermaushaften Pterodaktylen. Ein Vogel, der so früh schon in der Erdgeschiichte, so nahe noch der unruhigsten Ausgestaltung erst der Saurier selbst auftaucht, muß also im Verdacht stehen, selber noch etwas mehr „Reptilisches“ an sich zu haben, als das heute nach vielen Millionen von Jahren fortlebende Vogelvolk. Und in der Tat trifft das zu. Die Archäopteryx (das Wort ist weiblich), wie man den interessanten ältesten uns bekannten Vogel, den uns Solnhofen geschenkt hat, nennt (zu deutsch „Urvogel“, obwohl es sicher auch schon nicht mehr der allererste und allerurtümlichste Vogel der Erdgeschichte gewesen ist), besaß zwar schon den hauptsächlichsten anatomischen Bau eines etwa krähengroßen Vogels, wie sie ja auch bereits die echte Feder zeigt, die wahrscheinlich erst durch einen langen Umformungsprozeß sich aus der reptilischen Schuppe entwickelt hatte. Aber daneben führte sich nocht im Gegensatz zu allen sonst bekannten Vögeln einen langen, aus 20 Wirbeln gebildeten Eidechsenschwanz, an dem die Federn seitlich aufgereiht wie die Fiedern eines Palmblattes hafteten. Ferner besaß sie noch eine ganz urtümliche, saurierhafte, ja fast fischhafte Form der Wirbel selbst, besaß Bauchrippen wie der Plesiosaurus (vergl. Taf. 5), führte an der Handecke des völlig vogelhaft beschwingten Flügels noch drei freie eidechsenhafte Krallenfingeraußerdem, führte regelrechte Zähne im Maul, – und was der Saurier-Erbteile mehr waren, lauter Sachen, die heute bei allen lebenden Vögeln schlechterdings wenigstens jenseits ihrer Embryo-Stadien im Ei abgetan, antiquiert und kassiert sind. Im Ganzen überwiegen zwar die Vogelzüge, so daß man merkt: der Vogel ist als solcher schon da; aber die Reptilzüge sind ebenso unverkennbar noch da, und so gilt mit Recht das Wort „Reptilvogel“. Den Gegnern der Entwicklungslehre muß überlassen bleiben, wie sie sich mit einem so wunderbaren Exempel eines ersichtlichen „Mischtieres“ abfinden wollen. Mehr wie zwei Exemplare besitzt man bis heute allerdings nicht, bon denen ist aber das zweite (1877 gefunden) ein wahres Musterstück allseitiger Erhaltung. Es befindet sich im Museum für Naturkunde zu Berlin als dessen größter Schatz.

W. Bölsche.

Wikipedia-Eintrag   👉️ Tafel 16

Ichthyosaurier

im Meere der Jurazeit.

Der Ichthyosaurus ist das berühmteste Tier der Vorwelt. Wie er aber wirklich aussah, das haben wir erst in neuerer Zeit kennen gelernt. Alle auch nur etwas älteren Wiederherstellungen können heute nicht mehr gelten. „Ichthys“ heißt Fisch, und „Saurus“ geht im engsten Sinne auf Eidechse, weiter gefaßt aber umgreift es alle Reptilien und in noch wieder etwas spezialisierterem Brauch wird es vom heutigen Forscher vor allem auf die charakteristischen vorweltlichen Reptilformen angewandt, die meist gerade mit unseren lebenden Eidechsen herzlich wenig zu tun hatten. Ichthyosaurus ist also ein „Fischsaurier“, womit seine Wassernatur gegeben ist; wir werden ihn da suchen, wo heute Krokodil, Wasserschildkröte und die kleinen Wassergiftschlangen der Tropenmeere sich herumtreiben. In Betracht kommt lediglich der Ozean, nicht das Süßwasser, und zwar in diesem Ozean noch wieder die freie See und nicht die Küste. Das Reptil war ursprünglich eine Landschöpfung. Noch im Laufe der mittleren geologischen Epochen gingen aber zahlreiche seiner Vertreter doch wieder ins salzige Element zurück, angelockt jedenfalls durch dessen reiche Jagdgründe, wo es von leicht zu greifendem Futterwild wimmelte. Zu diesen Rückwanderern hat zweifellos schon früh auch der Ichthyosaurus als der vielleicht allerenergischste gehört, wenn wir auch seine spezielleren landbewohnenden Ahnen, von denen er abzweigte, bis heute nicht nachweisen können. Wassertier geworden, erhielt er dann allmählich auch eine entsprechend äußere Anpassungsgestalt. Merkwürdigerweise nahm er fast zum Verwechseln gerade eine solche Gestalt dabei vorweg, wie sie uns heute noch bei einem ganz anderen Tiervolk vor Augeb steht, das erst mehrere geologische Epochen später die Rückanpassung vom Land ins Meer durchgemacht hat, nämlich die Gestalt des uns allen heute geläufigen Seesäugetieres Delphin. Mit fast verschwindendem Halse dicht an den gebuckelten Nacken geschoben ein ungeheurer Kopf mit furchtbarem Gebiss, die Gliedmaßen alle vier (der Delphin hat freilich nur noch die vorderen ausgebildet) in treffliche Ruderpaddel verwandelt, die fast ohne Stiel am fischhaft lang gestreckten Körper sitzen, die Haut ohne Panzer und vermutlich oben delphinhaft schwarz wie lackiert glänzend, auf dem Rücken eine steile dreieckige Hautflosse, der Schwanz ebenfalls zu einem prächtigen Flossenapparat als Steuer und Abstoßewerkzeug entwickelt: so muß der schwimmende Ichthyosaurus keinem Tier der ganzen Schöpfung ähnlicher gewesen sein, als eben unseren delphinischen zahntragenden Walen. Die Größe, die von 1 m bis 10 m stieg, entsprach ebenfalls. So kolossal wie unser Grönlandswal, der sich aber auch schon wieder stark vom echten Delphin fortentwickelt hat, ist niemals ein Ichthyosaurus geworden. Geht man ins Einzelne, so zeigen sich freilich auch die Unterschiede, die notwendig ja daraus entspringen mußten, daß in diesem Falle die Umformung fürs Wasser eben doch nicht von einem Säugetier, sondern einenm noch recht urtümlichen Reptil ausgegangen war. Für die Zähne, deren Zahl bis auf 200 steigen konnte, ist charakteristisch, daß sie nicht einzeln in Zahnhöhlen, sondern alle in einer gemeinsamen Rinne saßen. Um das Auge schloß sich ein beweglicher Knochenring, der allerlei praktische Einstellungen zur Erweiterung und Verengung der Pupille ermöglichte. Die Wirbel erinnern noch an die der Haifische, also der uralten vermutlichen Stammgruppe aller Reptile. Den Bauch schützte auch hier ein Korsett grätenartiger Knochenstäbe (Bauchrippen). Der wahre Bau der gewaltigen Schwanzflosee blieb so lange dunkel, bis man in neuerer Zeit einzelne Exemplare im schwäbischen Jura fand, die außer dem Skelett auch noch den schattenhaften Umriß der Fleischteile erhalten zeigten. Da lernte man denn nicht nur die delphinhafte Rückenflosse kennen, sondern gewahrte auch, daß die Schwanzflosse (die im Gegensatz zu den Delphinen senkrecht stand) zwei Zipfel besaß, deren oberer reines Fleisch und Hautsegel war, während (umgekehrt wie bei den Haifischen) in den unteren die solide Schwanzspitze der Wirbelsäule eintrat. Die Ichthyosaurier jagten Fische und Tintenfische und belebten die hohe See (z. B. im schwäbischen Meer der Juraperiode) wohl in gewaltigen Scharen wie heute die Delphine. Um die Wende der Kreideperiode zur Tertiärperiode, also gerade da etwa, wo die wirklichen Delphine aufkamen, sind sie vollkommen von der Erde verschwunden, nachdem ihre letzten Vertreter zum Teil einen ähnlichen Weg gegangen waren, wie unser Grönlandwal, nämlich die Zähne fast abgeschafft hatten.

W. Bölsche.

Wikipedia-Eintrag   👉️ Tafel 17

Der Diplodokus.

Als die alten Babylonier in ihrem fabelhaften „Drachen“ ein möglichst schauerliches Phantasiegeschöpf zu erfinden suchten, gestalteten sie ein Ungeheuer mit dem Hals und Kopf einer Schlange, dem Leib und den Beinen eines vierfüßigen Tiers, den Klauen eines Vogels und dem bestachelten Schwanz eines Skorpions. Niemand aber ahnte damals, daß vor mehreren Millionen von Jahren und lange ehe der Mensch die Erde betrat, wirkliche Wesen existiert hatten, die wenigstens eine gewisse Aehnlichkeit auch mit diesem tollen Phantasiegebilde besaßen. Diese Wesen hatten in ihren größten Formen die ganzen Dimensionen eines riesigen Walfisches (über 20 m Länge), ohne doch Schwimmtiere gleich solchem Wal zu sein. Sie bewegten ihren kolossalen Körper auf vier Beinen, die sich auf verhältnismäßig kleine, mit Krallen versehene Klauen stützten. Der Hals mit dem winzigen Kopf war schlangenhaft in die Länge gezogen. Der überaus starke und lange, zuletzt in eine immer feinere Peitsche fast stachelhaft ausgezogene Schwanz war geeignet, ein weites Feld durch furchtbare Schläge zu beherrschen. Diese Tiere sind die größten Landtiere (oder doch laufenden Sumpftiere) aller Zeiten gewesen. Sie lebten in der Jura- und Kreideperiode in Europa, Amerika und Afrika. Ganze Gerippe sind besonders in Nordamerika gefunden worden, neuerdings gigantische Knochen, die alles frühere an Größe übertreffen, auch in Deutsch-Ostafrika. Im System der Zoologie zählen auch diese wirklichen „Landdrachen“ zu den Reptilen und zwar enger dort wieder zu der Ordnung der Dinosaurier, in der sie die Gruppe der Sauropoden oder (nach ihrem zuerst im ganzen Skelett bekannt gewordenen Vertreter) der Brontosaurier bilden. Die hier im äußeren Umriß wiederhergestellte nordamerikanische Form ist der sogenannte Diplodokus, neuerlich besonders berühmt geworden durch die schönen Abgüsse seines restaurierten Gerippes, die Carnegie verschiedenen europäischen Museen geschenkt hat. Ueber die naturgemäße Wiederaufstellung dieses Gerippes gibt es allerdings zur Zeit noch lebhafte Meinungsverschiedenheiten unter den sachkundigen Gelehrten. Während die einen glauben, der „Drache“ habe die Beine nach Art eines heutigen Krokodils flach watschelnd aufgesetzt, alssen die andern ihn mehr hochbeinig wie ein Säugetier dahinstelzen. Der Künstler unseres Bildes hat sich der ersteren Ansicht im wesentlichen angeschlossen, wie sie augenblicklich im Berliner Museum vertreten wird. Doch lassen sich auch für die andere Meinung noch gewichtige Gründe anführen.

W. Bölsche.

Wikipedia-Eintrag   👉️ Tafel 18

Trilobiten-Krebse

Jedermann kennt die gemeine graue Kellerassel, im Volksmunde „Kelleresel“ genannt. Weniger bekannt pflegt zu sein, daß dieser unscheinbare Mitbewohner unserer feuchten und finsteren Kellerräume ein echter kleiner Krebs ist, der sich nur durch besondere Schutzmaßnahme seiner eigentlich für das Wasser bestimmten Atmungsorgane dauernd auf dem Lande zu behaupten vermag. Die meisten anderen Asseln leben denn auch im Wasser, un in den Abgründen des Ozeans gibt es sogar Riesenformen, die ein viertel Meter lang werden. An solche großen Kellertiere des Meeres erinnerung nun äußerlich auch die Tiere unseres Bildes. Es sind ebenfalls Krebse, die aber diesmal in den ältesten geologischen Epochen, aus denen wir überhaupt noch versteinerte Tierreste besitzen, in ungezählten Scharen das Meer der Vorwelt bewohnt haben, schon um das Ende der Steinkohlenperiode aber radikal wieder ausgestorben sind. An gewissen fossilienreichen Fundstätten, z. B. bei Gerolstein in der Eifel, stößt man beim oberflächlichsten Suchen schon auf ihre zollangen oder größeren Steinmumien, die der Laie sehr wohl für versteinerte Kelleresel halten könnte. Indessen lehrt der feinere anatomische Bau, daß man es in Wahrheit weder mit echten Asseln noch auch engeren Genossen etwa unserer Hummer, Krabben und Flußkrebse zu tun hat. Sie stellen vielmehr ein Geschlecht höchst eigenartiger primitiver Altkrebse dar, deren Blüte der des ganzen übrigen Krebsvolkes vorauf ging, um nach enormer Massen- und Artentfaltung und einseitigster Spezialisierung wahrscheinlich als unfruchtbarere Frühtrieb ohne Folgen wieder abzusterben. Trilobiten hat man dieser uralten Gesellen genannt, nach einer eigentümlichen Dreiteilung ihres Leibes. Lange kannte man nur ihre geringelte Oberseite, bis es endlich gelang, bei einzelnen Exemplaren auch die zahlreichen feinen Beichen und die Fühler nachzuweisen. Obwohl innerhalb des Krebsvolkes noch weit niedriger organisiert, als die späteren Krebse, treten die Triöobiten doch als im ganzen relativ hoch entwickelte Geschöpfe gleich in den uns zugänglichen ältesten Versteinerungsgeschichten auf den Plan, so daß man wohl merkt, sie und das organische Leben überhaupt müssen damals bereits eine ungemein lange Entwicklung hinter sich gehabt haben. Daß wir von dieser Vorentwicklung infolge nachträglicher Umwandlung aller ältesten Meeresablagerungen keinerlei Spur mehr besitzen, beweist, wie lückenhaft unsere Kenntnis der Vorwelt leider bleiben muß. Bereits in den uralten Gesteinen der sogenannten kambrischen Periode erscheine auch neben Trilobiten mit riesengroßen Augen solche mit verkümmerten oder fehlenden Augen. Hier müssen also bereits ähnliche nachträgliche Anpassungen stattgefunden haben, wie bei den heutigen Krebsen, Käfern und Fischen unserer dunklen Höhlen. Vermutlich war das Blindwerden schon damals eine Anpassung an das Leben in trüben, schlammigen Gewässern. Einzelne Forscher haben auch an einen Aufenthalt in den ewig finsteren Abgründen der Tiefsee gedacht, wo heute noch blinde Krebse leben.

W. Bölsche.

Wikipedia-Eintrag   👉️ Tafel 19

Der Pfeilschwanz-Krebs (Limulus)

ein noch lebender letzter Nachzügler vorweltlicher Urkrebse.

Das hier dargestellte Geschöpf wird von den Besuchern unserer Seewasser-Aquarien bald für eine Schildkröte, bald (auf dem Rücken liegend) für eine scheußliche Wasserspinne gehalten. Wenn der Tierkundige aber nun wirkliche Auskunft geben soll, um was für ein Geschöpf es sich handelt, so befindet er sich in einiger Verlegenheit, denn auch in den Fachkreisen ist seit Jahren heftigste Fehde entbrannt, wohin dieses schlechterdings rätselhafte Wesen gehöre. Schon seine geographische Verbreitung (an den Küsten der Sundainseln und Japans einerseits und dann wieder weit davon entfernt an denen der nordamerikanischen Halbinsel Florida) ist auffällig. Höchst verwunderlich wirkt seine Gestalt mit dem kolossalen Deckschild, in dem Kopf und Brust verschmolzen erscheinen und aus dessen oberer Wölbung die Augen schauen, und dem langen Stachel des Hinterleibes. An den von oben gar nicht sichtbaren Beinen mutet die Methode besonders seltsam an, wie die Nahrung mit den Hüftteilen dieser Beine wie mit Fiefern zerkaut wird. Im Einzelnen sind aber soviel anatomische Merkmale an den Tieren durcheinander gemischt, daß ein Teil der Zoologen in ihnen tatsächlich kolossale, krebshaft verpanzerte Spinnen oder Skorpione sieht, während andere sie für Krebse, aber bei diesen Krebsen für letzte Mohikaner eines sonst gänzlich verschollenen vorweltlichen Urzweigs der Krebsentwicklung halten. Gewiß ist, das echte Pfeilschwänze direkt aus der noch lebenden Gattung Limulus bereits am Strande des Jurameeres von Solnhofen, ja in der noch älteren Triasperiode lebten und daß nah verwandte Formen noch weiter in der Erdgeschichte bis in die Zeit jener auf Taf. 18 dargestellten Trilobiten-Krebse zurückgehen. Aehnlich diesen Trilobiten, an die in ihrer Jugendentwickelung merkwürdiger Weise gar manches bei ihnen erinnert, stellen auch sie offenbar eine alte, zähe Anpassung an seichte, verschlammte Sandufer des Meeres dar, auf denen sie zur Jurazeit, als der Reptilvogel Archäopteryx dort herumlief wie heute die Möven, den erhaltenen Spuren nach sich schon ganz ebenso unter ihrer drolligen Schale vielbeinig wimmelnd dahin bewegt haben müssen, wie in unseren Tagen am Strande des stillen ider des atlantischen Ozeans.

W. Bölsche.

Wikipedia-Eintrag   👉️ Tafel 20

Ammonshörner (Ammonoideen)

im Ozean der Jurazeit.

Als Schmuckgegenstand auf unseren Kaminen findet man oft eine bald milchweiße, schön braun gewellte, bald durch Anschliff perlmutterglänzende Schale, die der Laie unbedingt als das Gehäuse einer schönen tropischen Meerschnecke anzusprechen geneigt ist. Die Schale stammt auch in der Tat aus fernem Tropenmeer, von den Sundainseln, wo man sie oft leer am Strande angeschwemmt findet. Ihr Erbauer und Bewohner war aber ein durchaus merkwürdiges, ja einzigeartiges Weichtier aus der nächsten Verwandschaft des Tintenfisches, der sogenannte Nautilus. Oeffnet man die Schale, so findet man sie durch viele Scheidewände in eine Reihe zierlicher Kammern geteilt, deren erste, größte und nach vorne offene stets nur von dem Tiere selbst bewohnt wird, während die anderen schon zu Lebzeiten des Bewohners fast nur hohle Lufträume bilden. Während heut noch alle unsere Meere von zahllosen äußerlich unbeschalten Tintenfischen wimmeln, existiert von den Besitzern einer solchen charakteristischen Kammerschale gegenwärtig nur diese eine Gattung Nautilus. Dafür verknüpft aber gerade sie als einzige überlebende Form das Gesamtvolk der lebenden Tintenfischverwandten mit einem unabsehbar zahlreichen und vielgestaltigen Volk urweltlicher Tiere, das uns seine im Prinzip sämtlich durchaus nautilushaften Kammerschalen in unzählbaren Exemplaren versteinert hinterlassen hat. Ein antiker Name bezeichnet diese gekrümmten Steinschalen der Vorzeit als „Ammonshörner“ (nach ihrer Aehnlichkeit mit den Widderhörnern des Jupiter Ammon), ein Wort, das dann auch auf die Tiere selbst übertragen worden ist. Im Engeren unterscheidet der Forscher bei den fossilen Formen noch einmal die eigentlichen direkten Vorfahren des Nautilus selbst als Nautiloideen von den (in einigen Spezialpunkten davon abweichenden, obwohl auch höchst ähnlichen) echten Ammonoideen. Beide beginnen schon jenseits der Steinkohlenperiode. Eine besondere Blütezeit der echten Ammonoideen bestand in dem auch sond von so vielen charakteristischen Vorweltsformen bevorzugten Jura-Meere. In der ornamentalen Ausgestaltung der Schalen all dieser Ammonshörner machte sich dabei Jahrmiilionen lang ein Formtrieb der organischen Natur geltend, der einzig in seiner Art ist. Sammlungen mit größeren Reihen dieser Versteinerungen entzücken den Künstler nicht weniger wie den Naturforscher. Wie es heute im Ozean einzelne Geschlechter nackter Tintenfische von Riesengröße, sogenannte Kraken, gibt, so haben übrigens auch diese vorweltlichen Ammonoideen gelegentlich schon Kolosse hervorgebracht, von deren einem uns in der sogenannten Seppenrader Dickscheibe aus Westfalen eine Schale erhalten ist, deren Steinkern 3500 Kilo wiegt und einen Durchmesse von zweieinhaln Metern besitzt.

W. Bölsche.

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