Eingebettet in die ſanften Hänge der ſüdweſtlichen Ausläufer des Iſergebirges, an der Stelle, wo die Görlitzer Neiße ſich anſchickt, die Grenze zwiſchen dem ſtolzen Jeſchkenzuge und der Iſergebirgslandſchaft zu bilden, liegt die heutige Marktgemeinde Maffersdorf.
Blick gegen die untere Fabrik von Süden i. J. 1905
Der ſtattliche Ort iſt entſtanden durch die im Jahre 1900 vollzogene Vereinigung der früher ſelbſtändigen Schweſtergemeinden Maffersdorf r./N. und Maffersdorf l./N., die, ſeit Jahrhunderten getrennt und doch durch tauſend Fäden auf allen Gebieten des öffentlichen und privaten Lebens verbunden, ſich dem Zug der Zeit nicht mehr länger verſchließen konnten.
Blick von der „Schanze“
… Der Folgeabschnitt rühmt die Schönheit der Natur, der umgebenden Berge, Wälder und Gewässer …
Maffersdorf ist uralter Siedlungsboden. Aus den vergilbten Pergamenten des Prager erzbiſchöflichen Archivs erfahren wir, daß ſchon um das Jahr 1360 auf der Höhe des heutigen Ortsteiles „Lobelbirken“ eine Kirche beſtand, deren Vorhandensein das Beſtehen eines Ortes vorausſetzt. Der Name des Dörfchens war Vraticlawitz, dürfte alſo ſlawiſchen Urſprungs ſein und iſt gleichbedeutend mit dem ſpäteren Maffersdorf links der Neiße oder wie es bis 1850 hieß, Maffersdorf Michaer Seite, nach der Zugehörigkeit zur damaligen Herrſchaft Böhmiſch-Micha. Vratislawitz ſcheint in den Huſſitenkriegen zerſtört worden zu ſein, denn ſein Name ſchwindet aus der Geſchichte unſerer Gegend, gleichwie der Name der Ortſchaft Nyſa (Neiße), die in unmittelbarer Nähe gelegen haben muß. Vielleicht haben ſich damals kümmerliche Reſte der beiden Siedlungen in eine beſſere Zeit hinübergerettet.
Gegenüber, am rechten Neißeufer, entſtand auf urſprünglichem Waldboden, etwa um 1450, angelegt durch die Herrſchaft Friedland-Reichenberg, ein neuer Ort, deſſen Begründer aus der nahen Oberlauſitz oder Schleſien ſtammend, der jungen Siedlung den Namen ihrer alten Heimat poln. Pobiedna (Wigandsthal) mit den Ortsteilen Gierałtówek (Neu Gersdorf) und Unięcice (Meffersdorf)Meffersdorf bei Flinsberg gegeben haben ſollen. Es war ein reines Bauerndorf von 24 Anſiedlern, darunter 1 Schultheiß, Kretschmar, DorfältesterScholtes. Die Grundſtreifen zogen ſich aus dem Neißetale die ſanften Abhänge in nordöſtlicher Richtung hinan und endeten im allgemeinen auf der Höhe des Proſchwitzer Kammes. Nach dem Namensbeſtande der Bewohner, deren älteſtes Verzeichnis und aus dem Jahre 1560 überliefert iſt, handelt es ſich hier um eine rein deutſche Siedlung, während das älteſte Einwohnerverzeichnis von Maffersdorf Michaer Seite (ehemals Vratislawitz) vom Jahre 1547 ſtarken Einſchlag ſlawiſcher Namen aufzeigt. Wann und warum dieſer Ort unter den Namen der jüngeren Siedlung flüchtete, iſt noch nicht geklärt. Jedenfalls beſtanden nun, getrennt durch die Neiße und die verſchienene Herrſchaftszugehörigkeit, zwei Gemeinden gleichen Namens, verwaltungstechniſch geſchieden, in kirchlichen Angelegenheiten jedoch vereint und an die gleiche Kirche gewieſen, die um 1560 bereits am gleichen Orte wie noch heute beſtand.
Alt Maffersdorf von einem Uhrzifferblatt um 1850
Die Entwicklung der beiden Orte ging verſchiedene Wege. Maffersdorf Reichenberger Seite zeigt in ſeinem Werdegang bis etwa 1850, wo das Herrſchaftsverhältnis aufgehoben wurde, entſchieden konſervativen Charakter. Die Leitung der Gemeindeſchickſale lag in den Händen eines Erbſcholtes, der ſeit 1547 belegt (Fabian Kraus) an einem bevorzugtem Platze in der Mitte des Ortes ſein Anweſen beſaß unjd es ſeinen Nachfolgern vererbte. Von 1666 bis 1850 blieb dieſes Amt in der aus Maffersdorf Michaer Seits ſtammenden Familie Hauſer erblich. Die Nähe des Herrſchaftsſitzes Reichenberg mit ſeiner Obrigkeit und die ſtete Aufſicht, unter welcher die untertänigen Orte ſtanden, brachte es mit ſich, daß das innere Leben der Gemeinden, darunter auch Maffersdorf Reichenberger Seits, zähe am Althergebrachten hing und hängen mußte. Die Herrſchaft wachte darüber, daß die Wirtſchaften möglichſt ungeteilt an die Erben übergingen, Grundverkäufe waren ſelten und damit iſt die langſame Entwicklung von Maffersdorf r./N. erklärt. Der Ort zählte 1556 38 Häuſer, 1591 41, 1624 gab es 63, welche Zahl nach dem 30 jährigen Kriege 1651 auf 50 geſunken war. 1701 zur Zeit des Baues der jetzigen ſteinernen Kirche gab es wieder 77 Häuſer, deren Zahl bis 1785 auf 95 ſtieg. 1830 hatte der Ort 110 Häuſer, 1853 beſtanden erſt 149.
Maffersdorf um 1866
Das entſchieden auf Beharrlichkeit eingeſtellte Weſen von Maffersdorf R. S. findet jenſeits des Fluſſes ſein Gegenſtück. In das ganze innere Leben der Gemeinde Maffersdorf Michaer Seits ſcheint ſchon früh ein friſcher Zug gekommen zu ſein. Vielleicht iſt es die hochherzige Tat des Grundherrn Johann von Heiſtern, der im Jahre 1651 den Untertanen ſeines Gutes „Siebendörfel“, zu dem auch Maffersdorf Michaer Seits gehörte, gegen geringen Geldzins die Fron, GuthofdiensteRobot erließ und wovon wir im nächſten Abſchnitt mehr hören, vielleicht was es die weite Entfernung der ſpäteren Grundherrſchaft, des Nonnenkloſters zu St. Jakob in Wien, die es mit ſich brachte, nach dem alten Sprichworte „unter dem Krummſtabe iſt gut wohnen“, ein mildes Regiment walten zu laſſen und manche Freiheit zu geſtatten, die drüben in Maffersdorf R. S. nie und mimmer zugelaſſen worden wäre.
So finden wir in Maffersdorf Mi. S. eine weitgehende Zerſtückelung der urſprünglich vorhanden geweſenen 7 Bauerngüter, 1651 ſind deren ſchon 14 vorhanden. 1701 gab es 123 Häuſer, ihre Zahl ſtieg bis 1830 auf 230. Nach 1862 zählte Maffersdorf Mi. S. mit 252 Häuſers deren 100 mehr als Maffersdorf R. S. Im allgemeinen läßt ſich ſagen, daß bei beiden Gemeinden ſich der Übergang vom Bauerndorf zum Induſtrieort ſeit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts vollzog. Für Maffersdorf r. N. trat dieſer Wandel beſonders ſeit der Verlegung des ſpäter zur Weltfirma herangewachſenen UnternehmensI. Ginzkey nach dieſer Teilgemeinde in Erſcheinung und bedingte ſeit dieſem Zeitpunkte das ſtärkere Wachstum von Maffersdorf r. N.
Es hat nicht an Verſuchen gefehlt, eine Vereinigung der beiden Schweſtergemeinden herbeizuführen. Schon im Jahre 1850, bei der Neugeſtaltung des politiſchen Gemeindeweſens, befürwortete die Behörde den Zuſammenſchluß, der nur wirtſchaftliche und geſellſchaftliche Vorteile gebracht hätte. Am 20. März 1870 wurde in einer außerordentlichen Sitzung der Gemeindevertretung Maffersdorf r. N. beſchloſſen, die Vereinigung mit Maffersdorf l. N. anzuſtreben, doch fand dieſe Abſicht bei der Schweſtergemeinde keine Gegenliebe. Der Anreger des Gedankens war damals kein Geringerer als der Gründer unſerer Teppich- und Deckenfabrik mit starkem ExportWeltfirmaIgnaz Ginzkey, der mit weitſchauendem Blicke die Vorteile einer Vereinigung erkannte und in ſeinem Teſtament 1876 anordnete, daß die vereinigten Gemeinden nach ſeinem Tode 10.000 Fl. zur Errichtung eines Armenhauſes erhalten ſollten, falls ſie ſich innerhalb von 6 Jahren nach ſeinem Tode vereinigen würden. Am 23. April 1882 kam es zu einer denkwürdigen Abſtimmung in dieſer Angelegenheit. Von 244 Wahlberechtigten aus Maffersdorf r. N. waren 166 gegen die Vereinigung, von 292 Wählern aus Maffersdorf l. N. ſtimmten 147 dagegen. Damit war auch dieſer Verſuch geſcheitert. Es war wohl das letzte Aufbäumen der landwirtſchaftlich eingeſtellten oder beeinflußten Kreiſe der Bevölkerung gegen die immer mächtiger anſchwellende Kraft der induſtriellen und handwerklichen Entwicklung, die eben doch nicht aufzuhalten war. Nach längeren Vorarbeiten und Werbungen kam am 12.7. 1900 eine neuerliche Wählerverſammlung zuſtande, in der aus beiden Gemeinden, mit Ausnahme von 15 Bauern aus Maffersdorf r. N., alle Teilnehmer für die Vereinigung ſtimmten. Seither führen die beiden Schweſtergemeinden den Namen Maffersdorf. Am 23. April 1903 erfolgte die Erhebung des Ortes zur Marktgemeinde. Zu dieſer Zeit betrug die Häuserzahl der vereinigten Gemeinden 596 Häuſer, 1910 – 640, 1920 – 652, 1930 – 798 und 1940 – 837.
… Es folgt ein kurzer Abschnitt über die im Wesentlichen friedlich verlaufene Geschichte der Gegend bis zur „Zuteilung des sudetendeutschen Gebietes zum ehemaligen tschechslowakischen Staate“, was der Autor zutiefst bedauerte …
Auszug aus der Festschrift zum 100 jährigen Bestehen der Firma Ginzkey, von Alfred Appelt Maffersdorf 1943
Entwurf der Fabrik durch Architekt Leopold Bauer, 1919