🐝️ An die Honig-Liebhaber 🐝️

In einem Volks-Kalender von 1920 fand sich folgender Artikel:

Bienenzut in alter Zeit

Die Bienenzut iſt ſeit den älteſten Zeiten in der Lauſi heimiſ, und lange iſt unſere Heimat mit Ret als das klaſſiſe·Land der Imkerei bezeinet worden. Als no das ganze Gebiet mit ſeinen Sümpfen und Moräſten von undurdringlien Wäldern bedet war, da lebten ſeine Bewohner faſt ausſließli im Walde und vom Walde; neben Fiſfang, Jagd, Viehzut und Meilerei bildete die Waldbienenzut eine bedeutende Erwerbsquelle, und der Handel mit Honig und Was warf ſierli einen beträtlien Gewinn ab. Unſere Vorfahren betrieben jedo die Imkerei in ganz anderer Weiſe als wir heute. Die Biene war no nit Haustier in dem Sinne, wie ſie es in unſerer Zeit iſt. Die geſellig lebenden wilden Bienen legen ihre Waben gern in Höhlungen aller Art, wie ſie ſi ihnen bieten, an; ſie bevorzugen größere Erdlöer und vor allem hohle Bäume, eine Gewohnheit, zu der au unſere Hausbiene, wenn ſie keine andere Unterkunft findet, ohne weiteres zurükehrt. Fand i do im vorigen Jahre in der Provinz Poſen in der Nähe Brombergs eine hohle Hainbue, die ein anſehnlier Swarm bewohnte. Dur einzelne Spalten des Baumes konnte man deutli die Waben und das geſäftige Treiben der Immen beobaten.

Die ganze Arbeit der erſten Imker beſtand nun darin, in den Waldungen na hohlen Bäumen, woran in den damaligen von keiner Forſtwirtſaft berührten Wäldern duraus kein Mangel war, zu ſuen, in denen Bienen ihr Heim aufgeſlagen hatten. War ein ſoler Baum gefunden, ſo wurde der Swarm ausgeräuert und der Honig herausgenommen. Allmähli wurde dem Menſen dieſe Art des Honigſammelns zu mühſam und zeitraubend, und er begann zunäſt, hohle Bäume mit Bienenſwärmen zu belegen. Do bald ging man no weiter und ſtellte ſi in der Nähe ſeiner Anſiedelung hohle Bäume ſelbſt her, und der Anfang einer planmäßigen Bienenzut war vollzogen.

Man erwählte zu dieſen Honig- oder Bienenbäumen immer ſtarke, lebenskräftige Stamme; meiſt wurden Kiefern, die ſogenannten Beutekiefern, bevorzugt, ſeltener nahm man Eien oder Linden. Neben der Stärke ſpielte au der Standort eine witige Rolle: eine blütenreie Gegend, eine gute Bienenweide, und genügender Windſu waren erſtes Erfordernis für das Gedeihen der Zut. War der Baum nit genügend gegen den Wind geſiert, ſo kappte man wohl ſeine Krone (ſiehe Abb. 1), um ihn gegen das Umbreen zu ſüen. Die Anlage des Baues war nun ziemli einfa und in allen Gegenden ungefähr dieſelbe. In einer Höhe von etwa 3 Metern, aber niemals unmittelbar unter der Krone, wurde mit dem Beil eine viereige Öffnung von etwa 0,75 Metern Länge in den Baum geſlagen und dieſe na innen erweitert und vertieft. Dann wurde zum Su gegen die Kälte ober- und unterhalb je ein Brett aufgenagelt, ſo daß zwiſen beiden nur eine Öffnung zum Leeren des Baues verblieb. Darüber befeſtigte man zur Sierheit gegen den honiglüſternen Bären ein ſenkretes Brett, das um den oberen Pflo gedreht werden konnte, und das nur zwei ſeitlie Öffnungen zum Ein- und Ausfliegen übrig ließ. Selten wurden in einem Baume mehrere Baue angelegt. Die Öffnungen lagen ſtets an der Seite unter der Ritung des herrſenden Windes, meiſtens na Süden, niemals na Norden. Die fertige Beute wurde mit Tannenreiſig umwunden, das erſt entfernt wurde, wenn der Bau bevölkert war. Falls der Baum nit freiwillig von Bienen bezogen wurde, ſo ſete man einen aufgefangenen Swarm hinein.

Alljährli um St. Joſeph war die Zeit der Honigernte. Dann gings hinaus in den Wald, um Honig und Was herauszuſneiden. Mittels zweier Leinen, die er abweſelnd um den Baum ſlang, und die mit Fußſleifen verſehen waren, erſtieg der Bienenvater oder Zeidler (na dem altdeutſen Wort zeidl-Honig) den Honigbaum. (Siehe Abb. 2). Vor dem Bau ſtete er einen Knüttel dur die eine Sleife, ſete ſi darauf und konnte nun in aller Ruhe den Honig und das Was in die mitgebrate Bütte ſammeln. In manen Gegenden ließ ſi der Zeidler an einem Seil oder mit einem Flaſenzug zu dem Bau emporziehen. Ein anſaulies Bild der Honigernte aus den Beutebäumen gibt unſere Abb. Nr. 3. Sie ſtellt eine Szene aus dem Nürnberger Reiswalde, deſſen Bienenzut der Altorfer Profeſſor Swarz in ſeiner Srift „de Buticularis“ vor 200 Jahren beſrieben hat, dar. Fleißig ſind die Imker an der Arbeit. Der Mann am linken Baum ſit vor dem Bau, zu dem er in der geſilderten Weiſe gelangt iſt, und ſneidet die Waben heraus. Kräftig ſmaut er ſeine Pfeife, um dur die Rauwolken die Bienen zu verſeuen. Sein Gehilfe wartet unten auf das Herablaſſen des Gefäßes. Der Mann am reten Baum, der ſi dur ein Ne gegen die Bienen geſüt hat, arbeitet mit dem Beil, um den Bau zu öffnen oder auszubeſſern. Die Zeien in der Mitte der Bäume ſind Eigentumszeien als ſole wurden Kreuze, Quadrate, Körbe, Halbmonde uſw. in den Baum gehauen. Ferner zeigt uns die originelle Abbildung no eine Anzahl von Geräten (Swarmſa, Gabel, Rautopf uſw.) für die Bienenzut. Der ganze Betrieb wird von dem Forſtmeiſter überwat, der in Amtstrat mit der Armbruſt in der Mitte des Bildes ſteht.

Die Ertragsfähigkeit eines alten Honigbaumes war außerordentli ho und überſtieg die eines modernen Bienenſtoes um das Zehn- bis Zwanzigfae. Dieſe Tatſae wird uns leit verſtändli, wenn wir bedenken, daß eine ſole Beute den Tieren Lebensbedingungen bot, die denen der wildlebenden am näſten kamen. Angelegt in geeigneter Höhe und an geſüten Stellen, inmitten einer urſprünglien Vegetation, die ihnen in den Blüten Nahrung die Fülle bot, und die beſonders dur die reie Weidenblüte in den vielen Brüern au für die geeignete Frühjahrskoſt ſorgte, lebte der Swarm gleiſam wie in der Wildnis weiter, ſi ganz der Aufzut der Nakommenſaft und dem Eintragen von Vorräten widmend.

Es iſt bei dieſen reien Ernten nit verwunderli, wenn ſi die Bienenzüter meiſt eines großen Wohlſtandes erfreuten. Sie ſloſſen ſi zu Genoſſenſaften, ſpäter zu feſten „Zeidlerinnungen“ zuſammen, die wie die übrigen Zünfte im Mittelalter eine Reihe von witigen Privilegien genaßen. Sie erwarben das Zeidelret, d. h. das Vorret, in den Wäldern Bienenzut zu treiben. In der Görlier Heide durften z. B. nur Mitglieder der Innung Beuten erriten. Nitzeidlern war oft auf ihren eigenen Grundſtüen die Bienenzut verboten. Gegen Erlegung eines entſpreenden Zinſes konnten die Mitglieder der Innungen in den herrſaftlien Wäldern Beuten einriten. Dieſes Ret der Zeidelweide war erbli; es fiel an die Herrſaft zurü, wenn der Zeidler ohne männlie Erben ſtarb. Beutebäume durften nit gefällt werden, eingehende mußten dur neue erſet werden.

Jährli einmal, meiſt zu Miaelis, fand der Zunfttag der Zeidler ſtatt. Da wählten ſie zunäſt aus ihrer Mitte Riter, Staroſten, und Älteſte, Söppen, unter deren Vorſi dann über das Wohl und Wehe der Mitglieder verhandelt wurde. Verleſung der Zeidelordnung, Erledigung von Anklagen und Beſwerden, Zinszahlung an die Herrſaft, Ratſläge in Betriebs- und Retsangelegenheiten und Aufnahme neuer Mitglieder, das war gewöhnli die Tagesordnung dieſer Jahresverſammlungen.

Die Produkte der Bienenzut, Honig, Was und Met, wurden zu bedeutenden Handelsartikeln, und Städte wie Augsburg, Nürnberg, Wien, Breslau, Prag und Warſau entwielten ſi zu witigen Honigmärkten. Bis zur Wolga, na Konſtantinopel, na Norwegen, Spanien, Britannien reiten die Verbindungen der damaligen Honig- und Washändler.

Beim Einſammeln des Honigs hatte der Zeidler in manen Gegenden, beſonders im Oſten Europas, einen gefährlien Konkurrenten, den Bären, der ihm oft bei der Ernte zuvorkam. „Wie grauſam iſt der wilde Bär, wenn er vom Honigbaum kommt her !“ heißt es ſon im bunten Abc. Um den Honig gegen den Näſer zu ſüen, waren allerlei Sierheitsmaßregeln nötig. Der Spalt wurde, wie wir ſon erwähnten, dur ein Brett geſloſſen. Um die Oeffnung wurden Haken eingeſlagen. Der Bär pflegte nämli an der Rüſeite des Baumes hinaufzuſteigen und ſi dann an der Vorderſeite bis vor das Lo herabzulaſſen, wobei ihm die Haken ein gefährlies Hindernis wurden. Ferner wurde an einem Seile ein ſwerer Knüttel befeſtigt, der vor dem Loe hing und dem Bären ein weiteres Hindernis bereitete. Sob er den Knüttel zur Seite, ſo kehrte derſelbe an die Stelle zurü, und je ſtärkere Släge ihm der Bär in ſeinem geſteigerten Zorne gab, deſto größer war die Wut des unliebſamen Pendels (ſiehe Abbildung 2).

Die Waldbienenzut war ehemals weit in Europa verbreitet. Sie erſtrete ſi vom Oſtbaltikum, ihrem Hauptſie, bis tief hinein na Deutſland, wo die Kurmark, Pommern, der Nürnberger Reiswald, der ſogar in einen Reisbienengarten umgewandelt wurde, und unſere Lauſi als bedeutende Pläe für Bienenzütereien genannt werden. Sierli verdankt hier die Waldbienenzut ihren großen Aufſwung und ihre Blüte den Wenden, die anerkannte Meiſter auf dieſem Gebiet waren. In der freien Erb- und Standesherrſaft Muskau hatte die Zeidlerinnung 1769 no rund 170 Mitglieder, die etwa 7000 Stöe beſaßen, für die ſie 173 Reistaler Pat entriteten. Beſonderen Anſehens erfreuten ſi au die Genoſſenſaften in Hoyerswerda und in der Görlier Heide. In der benabarten Bunzlauer Heide beſtand die Waldzeidelei bis 1786. Wel’ gewaltigen Umfang die Waldbienenzut in Weſtpreußen gehabt hat, zeigt die Tatſae, daß 1772 bei der Uebernahme der Provinz dur Preußen no 20 000 Beuteſtämme vorhanden waren; in der Provinz Poſen waren um die Mitte des vorigen Jahrhunderts allein im Theerkeuter Forſt no gegen 500 Bienenbäume beſet, die einen jährlien Gewinn von 3000 Talern abwarfen.

Es iſt verſtändli, daß ſi, als ein regelreter Waldbetrieb begann, die Forſtverwaltungen gegen eine derartige Mißhandlung der ſönſten Bäume ihres Reviers, dur die der Wald ſeines beſten Holzes beraubt wurde, wehrten und die Anlage neuer Beuten unterſagten. Später wurde die Waldbienenzut vollſtändig verboten. Die Beutekiefern wurden gefällt, und nur ganz vereinzelt finden ſi no einige in Weſtpreußen, Poſen und Livland, die nun erhalten und zum Teil als „Naturdenkmäler“ geſüt werden; in Weſtpreußen – im Privatforſt Finenſtein – ſollen ſogar no etlie von Bienen bezogen ſein. In der Lauſi war es mir leider nit mögli, no irgend eine Spur eines alten Honigbaumes zu entdeen.

Na Unterbindung der Waldbienenzut waren die Imker gezwungen, den Bienen künſtlie Wohnungen zu ſaffen. Es entwielte ſi die Haus- und Gartenbienenzut. An Stelle des Honigbaumes trat zunäſt die Klobeute, ein etwa 1,5 Meter hoher Baumſtamm, der ausgehöhlt und mit Da und Fluglo verſehen wurde. In Rußland iſt dieſe Klobeute, wie mir Feldgraue und Kriegsgefangene verſierten, no heute faſt ausſließli im Gebrau, au traf i ſie häufig im Rhonetal in der Sweiz und in Frankrei an. Eine derartige Beute ſoll bis vor kurzem au no bei Hoyerswerda benut worden ſein. Später ging man von der Klobeute allgemein zu den Lüneburger Stülpkörben als Bienenwohnung über, die ſo ret zum Wahrzeien der deutſen Bienenzut geworden ſind. Dieſe wurden dann mehr und mehr dur die Käſten mit den beweglien Waben, um deren Einführung ſi der ſleſiſe Pfarrer Dzierzon große Verdienſte erworben hat, verdrängt.

Zweifelsohne iſt mit dem Aufhören der Waldbienenzut ein Stü urſprünglier Natur, ein Stü Poeſie unſeres Waldes dahingegangen. Aber au die moderne Bienenzut hat, ganz abgeſehen von dem praktiſen Nuen und der hohen Bedeutung für die Beſtäubung der Blüten, no ſo viele Reize, ſie erfordert ein ſo aufmerkſames, liebevolles Verſenken in die Lebensvorgänge dieſer unſerer kleinſten Haustiere im beſonderen und der Natur im allgemeinen, daß ein weiteres Zurügehen der deutſen Imkerei aufs höſte zu bedauern wäre. Hoffen wir, daß der Krieg, der ſi na ſo vielen Seiten hin als ernſter Lehrmeiſter und Erzieher gezeigt hat, au hier Wandel ſafft und der Bienenzut wieder zu der Bedeutung verhilft, die im Intereſſe unſerer Volksernährung nötig iſt, und die ſie in Anpaſſung um die jeigen Kulturverhältniſſe der deutſen Landſaft erreien kann !

Von
Dr. O. Herr – Görli.

Anmerkung:
Der letzte Absatz ist seiner Zeit geschuldet, zeugt aber von der Sorge des Autors um die Imkerei.