Bienenzut in alter Zeit
Die Bienenzut iſt ſeit den älteſten Zeiten in der Lauſi heimiſ, und lange iſt unſere Heimat mit Ret als das klaſſiſe·Land der Imkerei
bezeinet worden. Als no das ganze Gebiet mit ſeinen Sümpfen und Moräſten von undurdringlien Wäldern bedet war, da lebten ſeine Bewohner faſt ausſließli im Walde und vom Walde; neben Fiſfang, Jagd, Viehzut und Meilerei bildete die Waldbienenzut eine bedeutende Erwerbsquelle, und der Handel mit Honig und Was warf ſierli einen beträtlien Gewinn ab. Unſere Vorfahren betrieben jedo die Imkerei in ganz anderer Weiſe als wir heute. Die Biene war no nit Haustier in dem Sinne, wie ſie es in unſerer Zeit iſt. Die geſellig lebenden wilden Bienen legen ihre Waben gern in Höhlungen aller Art, wie ſie ſi ihnen bieten, an; ſie bevorzugen größere Erdlöer und vor allem hohle Bäume, eine Gewohnheit, zu der au unſere Hausbiene, wenn ſie keine andere Unterkunft findet, ohne weiteres zurükehrt. Fand i do im vorigen Jahre in der Provinz Poſen in der Nähe Brombergs eine hohle Hainbue, die ein anſehnlier Swarm bewohnte. Dur einzelne Spalten des Baumes konnte man deutli die Waben und das geſäftige Treiben der Immen beobaten.
Die ganze Arbeit der erſten Imker beſtand nun darin, in den Waldungen na hohlen Bäumen, woran in den damaligen von keiner Forſtwirtſaft berührten Wäldern duraus kein Mangel war, zu ſuen, in denen Bienen ihr Heim aufgeſlagen hatten. War ein ſoler Baum gefunden, ſo wurde der Swarm ausgeräuert und der Honig herausgenommen. Allmähli wurde dem Menſen dieſe Art des Honigſammelns zu mühſam und zeitraubend, und er begann zunäſt, hohle Bäume mit Bienenſwärmen zu belegen. Do bald ging man no weiter und ſtellte ſi in der Nähe ſeiner Anſiedelung hohle Bäume ſelbſt her, und der Anfang einer planmäßigen Bienenzut war vollzogen.
Man erwählte zu dieſen Honig- oder Bienenbäumen immer ſtarke, lebenskräftige Stamme; meiſt wurden Kiefern, die ſogenannten Beutekiefern
, bevorzugt, ſeltener nahm man Eien oder Linden. Neben der Stärke ſpielte au der Standort eine witige Rolle: eine blütenreie Gegend, eine gute Bienenweide
, und genügender Windſu waren erſtes Erfordernis für das Gedeihen der Zut. War der Baum nit genügend gegen den Wind geſiert, ſo kappte man wohl ſeine Krone (ſiehe Abb. 1), um ihn gegen das Umbreen zu ſüen. Die Anlage des Baues war nun ziemli einfa und in allen Gegenden ungefähr dieſelbe. In einer Höhe von etwa 3 Metern, aber niemals unmittelbar unter der Krone, wurde mit dem Beil eine viereige Öffnung von etwa 0,75 Metern Länge in den Baum geſlagen und dieſe na innen erweitert und vertieft. Dann wurde zum Su gegen die Kälte ober- und unterhalb je ein Brett aufgenagelt, ſo daß zwiſen beiden nur eine Öffnung zum Leeren des Baues verblieb. Darüber befeſtigte man zur Sierheit gegen den honiglüſternen Bären ein ſenkretes Brett, das um den oberen Pflo gedreht werden konnte, und das nur zwei ſeitlie Öffnungen zum Ein- und Ausfliegen übrig ließ. Selten wurden in einem Baume mehrere Baue angelegt. Die Öffnungen lagen ſtets an der Seite unter der Ritung des herrſenden Windes, meiſtens na Süden, niemals na Norden. Die fertige Beute wurde mit Tannenreiſig umwunden, das erſt entfernt wurde, wenn der Bau bevölkert war. Falls der Baum nit freiwillig von Bienen bezogen wurde, ſo ſete man einen aufgefangenen Swarm hinein.
Alljährli um St. Joſeph war die Zeit der Honigernte. Dann gings hinaus in den Wald, um Honig und Was herauszuſneiden. Mittels zweier Leinen, die er abweſelnd um den Baum ſlang, und die mit Fußſleifen verſehen waren, erſtieg der Bienenvater oder Zeidler (na dem altdeutſen Wort zeidl-Honig) den Honigbaum. (Siehe Abb. 2). Vor dem Bau ſtete er einen Knüttel dur die eine Sleife, ſete ſi darauf und konnte nun in aller Ruhe den Honig und das Was in die mitgebrate Bütte ſammeln. In manen Gegenden ließ ſi der Zeidler an einem Seil oder mit einem Flaſenzug zu dem Bau emporziehen. Ein anſaulies Bild der Honigernte aus den Beutebäumen gibt unſere Abb. Nr. 3. Sie ſtellt eine Szene aus dem Nürnberger Reiswalde, deſſen Bienenzut der Altorfer Profeſſor Swarz in ſeiner Srift „de Buticularis“ vor 200 Jahren beſrieben hat, dar. Fleißig ſind die Imker an der Arbeit. Der Mann am linken Baum ſit vor dem Bau, zu dem er in der geſilderten Weiſe gelangt iſt, und ſneidet die Waben heraus. Kräftig ſmaut er ſeine Pfeife, um dur die Rauwolken die Bienen zu verſeuen. Sein Gehilfe wartet unten auf das Herablaſſen des Gefäßes. Der Mann am reten Baum, der ſi dur ein Ne gegen die Bienen geſüt hat, arbeitet mit dem Beil, um den Bau zu öffnen oder auszubeſſern. Die Zeien in der Mitte der Bäume ſind Eigentumszeien als ſole wurden Kreuze, Quadrate, Körbe, Halbmonde uſw. in den Baum gehauen. Ferner zeigt uns die originelle Abbildung no eine Anzahl von Geräten (Swarmſa, Gabel, Rautopf uſw.) für die Bienenzut. Der ganze Betrieb wird von dem Forſtmeiſter überwat, der in Amtstrat mit der Armbruſt in der Mitte des Bildes ſteht.
Die Ertragsfähigkeit eines alten Honigbaumes war außerordentli ho und überſtieg die eines modernen Bienenſtoes um das Zehn- bis Zwanzigfae. Dieſe Tatſae wird uns leit verſtändli, wenn wir bedenken, daß eine ſole Beute den Tieren Lebensbedingungen bot, die denen der wildlebenden am näſten kamen. Angelegt in geeigneter Höhe und an geſüten Stellen, inmitten einer urſprünglien Vegetation, die ihnen in den Blüten Nahrung die Fülle bot, und die beſonders dur die reie Weidenblüte in den vielen Brüern au für die geeignete Frühjahrskoſt ſorgte, lebte der Swarm gleiſam wie in der Wildnis weiter, ſi ganz der Aufzut der Nakommenſaft und dem Eintragen von Vorräten widmend.
Es iſt bei dieſen reien Ernten nit verwunderli, wenn ſi die Bienenzüter meiſt eines großen Wohlſtandes erfreuten. Sie ſloſſen ſi zu Genoſſenſaften, ſpäter zu feſten „Zeidlerinnungen“ zuſammen, die wie die übrigen Zünfte im Mittelalter eine Reihe von witigen Privilegien genaßen. Sie erwarben das Zeidelret, d. h. das Vorret, in den Wäldern Bienenzut zu treiben. In der Görlier Heide durften z. B. nur Mitglieder der Innung Beuten erriten. Nitzeidlern war oft auf ihren eigenen Grundſtüen die Bienenzut verboten. Gegen Erlegung eines entſpreenden Zinſes konnten die Mitglieder der Innungen in den herrſaftlien Wäldern Beuten einriten. Dieſes Ret der Zeidelweide war erbli; es fiel an die Herrſaft zurü, wenn der Zeidler ohne männlie Erben ſtarb. Beutebäume durften nit gefällt werden, eingehende mußten dur neue erſet werden.
Jährli einmal, meiſt zu Miaelis, fand der Zunfttag der Zeidler ſtatt. Da wählten ſie zunäſt aus ihrer Mitte Riter, Staroſten, und Älteſte, Söppen, unter deren Vorſi dann über das Wohl und Wehe der Mitglieder verhandelt wurde. Verleſung der Zeidelordnung, Erledigung von Anklagen und Beſwerden, Zinszahlung an die Herrſaft, Ratſläge in Betriebs- und Retsangelegenheiten und Aufnahme neuer Mitglieder, das war gewöhnli die Tagesordnung dieſer Jahresverſammlungen.
Die Produkte der Bienenzut, Honig, Was und Met, wurden zu bedeutenden Handelsartikeln, und Städte wie Augsburg, Nürnberg, Wien, Breslau, Prag und Warſau entwielten ſi zu witigen Honigmärkten. Bis zur Wolga, na Konſtantinopel, na Norwegen, Spanien, Britannien reiten die Verbindungen der damaligen Honig- und Washändler.
Beim Einſammeln des Honigs hatte der Zeidler in manen Gegenden, beſonders im Oſten Europas, einen gefährlien Konkurrenten, den Bären, der ihm oft bei der Ernte zuvorkam. „Wie grauſam iſt der wilde Bär, wenn er vom Honigbaum kommt her !“ heißt es ſon im bunten Abc. Um den Honig gegen den Näſer zu ſüen, waren allerlei Sierheitsmaßregeln nötig. Der Spalt wurde, wie wir ſon erwähnten, dur ein Brett geſloſſen. Um die Oeffnung wurden Haken eingeſlagen. Der Bär pflegte nämli an der Rüſeite des Baumes hinaufzuſteigen und ſi dann an der Vorderſeite bis vor das Lo herabzulaſſen, wobei ihm die Haken ein gefährlies Hindernis wurden. Ferner wurde an einem Seile ein ſwerer Knüttel befeſtigt, der vor dem Loe hing und dem Bären ein weiteres Hindernis bereitete. Sob er den Knüttel zur Seite, ſo kehrte derſelbe an die Stelle zurü, und je ſtärkere Släge ihm der Bär in ſeinem geſteigerten Zorne gab, deſto größer war die Wut des unliebſamen Pendels (ſiehe Abbildung 2).
Die Waldbienenzut war ehemals weit in Europa verbreitet. Sie erſtrete ſi vom Oſtbaltikum, ihrem Hauptſie, bis tief hinein na Deutſland, wo die Kurmark, Pommern, der Nürnberger Reiswald, der ſogar in einen Reisbienengarten umgewandelt wurde, und unſere Lauſi als bedeutende Pläe für Bienenzütereien genannt werden. Sierli verdankt hier die Waldbienenzut ihren großen Aufſwung und ihre Blüte den Wenden, die anerkannte Meiſter auf dieſem Gebiet waren. In der freien Erb- und Standesherrſaft Muskau hatte die Zeidlerinnung 1769 no rund 170 Mitglieder, die etwa 7000 Stöe beſaßen, für die ſie 173 Reistaler Pat entriteten. Beſonderen Anſehens erfreuten ſi au die Genoſſenſaften in Hoyerswerda und in der Görlier Heide. In der benabarten Bunzlauer Heide beſtand die Waldzeidelei bis 1786. Wel’ gewaltigen Umfang die Waldbienenzut in Weſtpreußen gehabt hat, zeigt die Tatſae, daß 1772 bei der Uebernahme der Provinz dur Preußen no 20 000 Beuteſtämme vorhanden waren; in der Provinz Poſen waren um die Mitte des vorigen Jahrhunderts allein im Theerkeuter Forſt no gegen 500 Bienenbäume beſet, die einen jährlien Gewinn von 3000 Talern abwarfen.
Es iſt verſtändli, daß ſi, als ein regelreter Waldbetrieb begann, die Forſtverwaltungen gegen eine derartige Mißhandlung der ſönſten Bäume ihres Reviers, dur die der Wald ſeines beſten Holzes beraubt wurde, wehrten und die Anlage neuer Beuten unterſagten. Später wurde die Waldbienenzut vollſtändig verboten. Die Beutekiefern wurden gefällt, und nur ganz vereinzelt finden ſi no einige in Weſtpreußen, Poſen und Livland, die nun erhalten und zum Teil als „Naturdenkmäler“ geſüt werden; in Weſtpreußen – im Privatforſt Finenſtein – ſollen ſogar no etlie von Bienen bezogen ſein. In der Lauſi war es mir leider nit mögli, no irgend eine Spur eines alten Honigbaumes zu entdeen.
Na Unterbindung der Waldbienenzut waren die Imker gezwungen, den Bienen künſtlie Wohnungen zu ſaffen. Es entwielte ſi die Haus- und Gartenbienenzut. An Stelle des Honigbaumes trat zunäſt die Klobeute, ein etwa 1,5 Meter hoher Baumſtamm, der ausgehöhlt und mit Da und Fluglo verſehen wurde. In Rußland iſt dieſe Klobeute, wie mir Feldgraue und Kriegsgefangene verſierten, no heute faſt ausſließli im Gebrau, au traf i ſie häufig im Rhonetal in der Sweiz und in Frankrei an. Eine derartige Beute ſoll bis vor kurzem au no bei Hoyerswerda benut worden ſein. Später ging man von der Klobeute allgemein zu den Lüneburger Stülpkörben als Bienenwohnung über, die ſo ret zum Wahrzeien der deutſen Bienenzut geworden ſind. Dieſe wurden dann mehr und mehr dur die Käſten mit den beweglien Waben, um deren Einführung ſi der ſleſiſe Pfarrer Dzierzon große Verdienſte erworben hat, verdrängt.
Zweifelsohne iſt mit dem Aufhören der Waldbienenzut ein Stü urſprünglier Natur, ein Stü Poeſie unſeres Waldes dahingegangen. Aber au die moderne Bienenzut hat, ganz abgeſehen von dem praktiſen Nuen und der hohen Bedeutung für die Beſtäubung der Blüten, no ſo viele Reize, ſie erfordert ein ſo aufmerkſames, liebevolles Verſenken in die Lebensvorgänge dieſer unſerer kleinſten Haustiere im beſonderen und der Natur im allgemeinen, daß ein weiteres Zurügehen der deutſen Imkerei aufs höſte zu bedauern wäre. Hoffen wir, daß der Krieg, der ſi na ſo vielen Seiten hin als ernſter Lehrmeiſter und Erzieher gezeigt hat, au hier Wandel ſafft und der Bienenzut wieder zu der Bedeutung verhilft, die im Intereſſe unſerer Volksernährung nötig iſt, und die ſie in Anpaſſung um die jeigen Kulturverhältniſſe der deutſen Landſaft erreien kann !
Von
Dr. O. Herr – Görli.
Der letzte Absatz ist seiner Zeit geschuldet, zeugt aber von der Sorge des Autors um die Imkerei.